Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Bd. 2. Berlin, 1745.Das Thierchen ohne Nahmen. Am zwanzigsten des Maien, An dem du mich, o Doris, Nicht immer küssen woltest, Saß an dem weissen Halse Der freundlichen Filinde Ein kleines schwarzes Thierchen. Ich weiß es nicht zu nennen; Dis weiß ich, daß es hüpfet, Wie Grasepferde hüpfen, Und daß es oft entwischet, Wenn es erzürnte Schönen, Im freien Felde iagen. Ein Kenner der Insekten, Beschrieb mir iüngst das Thierchen. Er sprach: Es wird bei Schönen Geboren und erzogen, Es wohnet bei den Schönen, Und wagt sich nur zu Männern, Wenn sie mit Schönen spielen. Ein solch beglükktes Thierchen Saß an dem weissen Halse Der freundlichen Filinde. Ich
Das Thierchen ohne Nahmen. Am zwanzigſten des Maien, An dem du mich, o Doris, Nicht immer küſſen wolteſt, Saß an dem weiſſen Halſe Der freundlichen Filinde Ein kleines ſchwarzes Thierchen. Ich weiß es nicht zu nennen; Dis weiß ich, daß es hüpfet, Wie Graſepferde hüpfen, Und daß es oft entwiſchet, Wenn es erzürnte Schönen, Im freien Felde iagen. Ein Kenner der Inſekten, Beſchrieb mir iüngſt das Thierchen. Er ſprach: Es wird bei Schönen Geboren und erzogen, Es wohnet bei den Schönen, Und wagt ſich nur zu Männern, Wenn ſie mit Schönen ſpielen. Ein ſolch beglükktes Thierchen Saß an dem weiſſen Halſe Der freundlichen Filinde. Ich
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0073" n="47"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Das Thierchen ohne Nahmen.</hi> </head><lb/> <lg xml:id="pd1" type="poem" next="#pd2"> <l><hi rendition="#in">A</hi>m zwanzigſten des Maien,</l><lb/> <l>An dem du mich, o Doris,</l><lb/> <l>Nicht immer küſſen wolteſt,</l><lb/> <l>Saß an dem weiſſen Halſe</l><lb/> <l>Der freundlichen Filinde</l><lb/> <l>Ein kleines ſchwarzes Thierchen.</l><lb/> <l>Ich weiß es nicht zu nennen;</l><lb/> <l>Dis weiß ich, daß es hüpfet,</l><lb/> <l>Wie Graſepferde hüpfen,</l><lb/> <l>Und daß es oft entwiſchet,</l><lb/> <l>Wenn es erzürnte Schönen,</l><lb/> <l>Im freien Felde iagen.</l><lb/> <l>Ein Kenner der Inſekten,</l><lb/> <l>Beſchrieb mir iüngſt das Thierchen.</l><lb/> <l>Er ſprach: Es wird bei Schönen</l><lb/> <l>Geboren und erzogen,</l><lb/> <l>Es wohnet bei den Schönen,</l><lb/> <l>Und wagt ſich nur zu Männern,</l><lb/> <l>Wenn ſie mit Schönen ſpielen.</l><lb/> <l>Ein ſolch beglükktes Thierchen</l><lb/> <l>Saß an dem weiſſen Halſe</l><lb/> <l>Der freundlichen Filinde.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ich</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [47/0073]
Das Thierchen ohne Nahmen.
Am zwanzigſten des Maien,
An dem du mich, o Doris,
Nicht immer küſſen wolteſt,
Saß an dem weiſſen Halſe
Der freundlichen Filinde
Ein kleines ſchwarzes Thierchen.
Ich weiß es nicht zu nennen;
Dis weiß ich, daß es hüpfet,
Wie Graſepferde hüpfen,
Und daß es oft entwiſchet,
Wenn es erzürnte Schönen,
Im freien Felde iagen.
Ein Kenner der Inſekten,
Beſchrieb mir iüngſt das Thierchen.
Er ſprach: Es wird bei Schönen
Geboren und erzogen,
Es wohnet bei den Schönen,
Und wagt ſich nur zu Männern,
Wenn ſie mit Schönen ſpielen.
Ein ſolch beglükktes Thierchen
Saß an dem weiſſen Halſe
Der freundlichen Filinde.
Ich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745/73 |
Zitationshilfe: | Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Bd. 2. Berlin, 1745, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745/73>, abgerufen am 16.02.2025. |