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Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Bd. 2. Berlin, 1745.

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"den Character des Liedes ausmachen, und das-
"selbe von allen andern Werken der Poesie
"unterscheiden. Man siehet da dieienigen la-
"chenden Bilder, welche allemal gewiß gefal-
"len, weil sie mit Geschmakk und Urteil aus
"der blossen Natur genommen sind." (*) Die
Gratien haben alle Annehmlichkeiten in den-
selben vereiniget, und sie verdienen von uns in
alle Sprachen übersetzt zu werden. Ich habe
mir niemals aus einer andern Ursache, die grie-
chische Gelehrsamkeit der Frau Dacier ge-
wünscht, als aus Verlangen, ihrem schönen
Beispiel zu folgen, und ich würde noch heute
fortfahren, die Sprache des Dichters aus Teios
zu erlernen, wenn der Freund meines Geliebten,
der einmal an dem Ufer eines Teiches gelauscht
hat, ihn nicht bereits gelehret hätte, ohne An-
stoß deutsch zu sprechen. Ich ersuche - - -

Himmel,
(*) S. De la Nauze von den Liedern der alten Grie-
chen, im zweeten Theil der Sammlung neuer
Oden und Lieder.

„den Character des Liedes ausmachen, und daſ-
„ſelbe von allen andern Werken der Poeſie
„unterſcheiden. Man ſiehet da dieienigen la-
„chenden Bilder, welche allemal gewiß gefal-
„len, weil ſie mit Geſchmakk und Urteil aus
„der bloſſen Natur genommen ſind.“ (*) Die
Gratien haben alle Annehmlichkeiten in den-
ſelben vereiniget, und ſie verdienen von uns in
alle Sprachen überſetzt zu werden. Ich habe
mir niemals aus einer andern Urſache, die grie-
chiſche Gelehrſamkeit der Frau Dacier ge-
wünſcht, als aus Verlangen, ihrem ſchönen
Beiſpiel zu folgen, und ich würde noch heute
fortfahren, die Sprache des Dichters aus Teios
zu erlernen, wenn der Freund meines Geliebten,
der einmal an dem Ufer eines Teiches gelauſcht
hat, ihn nicht bereits gelehret hätte, ohne An-
ſtoß deutſch zu ſprechen. Ich erſuche ‒ ‒ ‒

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(*) S. De la Nauze von den Liedern der alten Grie-
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[XXIII/0025] „den Character des Liedes ausmachen, und daſ- „ſelbe von allen andern Werken der Poeſie „unterſcheiden. Man ſiehet da dieienigen la- „chenden Bilder, welche allemal gewiß gefal- „len, weil ſie mit Geſchmakk und Urteil aus „der bloſſen Natur genommen ſind.“ (*) Die Gratien haben alle Annehmlichkeiten in den- ſelben vereiniget, und ſie verdienen von uns in alle Sprachen überſetzt zu werden. Ich habe mir niemals aus einer andern Urſache, die grie- chiſche Gelehrſamkeit der Frau Dacier ge- wünſcht, als aus Verlangen, ihrem ſchönen Beiſpiel zu folgen, und ich würde noch heute fortfahren, die Sprache des Dichters aus Teios zu erlernen, wenn der Freund meines Geliebten, der einmal an dem Ufer eines Teiches gelauſcht hat, ihn nicht bereits gelehret hätte, ohne An- ſtoß deutſch zu ſprechen. Ich erſuche ‒ ‒ ‒ Himmel, (*) S. De la Nauze von den Liedern der alten Grie- chen, im zweeten Theil der Sammlung neuer Oden und Lieder.

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Zitationshilfe: Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Bd. 2. Berlin, 1745, S. XXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745/25>, abgerufen am 24.11.2024.