Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Bd. 2. Berlin, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite

teil, mein Leser, soll mich strafen oder recht-
fertigen.

Du hast Verlangen getragen, den Ver-
fasser der scherzhaften Lieder zu kennen. Hier
solte ich also, als an dem bequemsten Orte, sein
Bildniß schildern, wie er das meinige geschil-
dert hat. Allein wie leicht könte ihn mein Pin-
sel verfehlen? Er müste sich selbst malen. Doch
ich will dir gestehen, wie ich einmal die Worte
eines liebenswürdigen Dichters verändert habe,
als ich das Bild meines Freundes einer eifer-
süchtigen Freundin kennbar machen wolte. Ich
sagte zu ihr:

Auf seinen Wangen ist zu schaun,
An statt der Jugend-Milch, ein lebhaft männlich Braun,
Den Augen fehlt kein Geist, noch Anstand den Ge-
behrden,
Er hat, was man gebraucht, von mir geliebt zu werden.

Ja, ich muß diesen vollkommenen Liebhaber lie-
ben, und ich liebte ihn schon, ehe mich das zärt-
lichste von seinen Gedichten, und sein Kuß, be-
wegte, mein Herze zu verrathen. Hier ist das
Gedicht. Es nöthigt mich ein gnädiger Befehl
es nicht zurükk zu behalten:

An

teil, mein Leſer, ſoll mich ſtrafen oder recht-
fertigen.

Du haſt Verlangen getragen, den Ver-
faſſer der ſcherzhaften Lieder zu kennen. Hier
ſolte ich alſo, als an dem bequemſten Orte, ſein
Bildniß ſchildern, wie er das meinige geſchil-
dert hat. Allein wie leicht könte ihn mein Pin-
ſel verfehlen? Er müſte ſich ſelbſt malen. Doch
ich will dir geſtehen, wie ich einmal die Worte
eines liebenswürdigen Dichters verändert habe,
als ich das Bild meines Freundes einer eifer-
ſüchtigen Freundin kennbar machen wolte. Ich
ſagte zu ihr:

Auf ſeinen Wangen iſt zu ſchaun,
An ſtatt der Jugend-Milch, ein lebhaft männlich Braun,
Den Augen fehlt kein Geiſt, noch Anſtand den Ge-
behrden,
Er hat, was man gebraucht, von mir geliebt zu werden.

Ja, ich muß dieſen vollkommenen Liebhaber lie-
ben, und ich liebte ihn ſchon, ehe mich das zärt-
lichſte von ſeinen Gedichten, und ſein Kuß, be-
wegte, mein Herze zu verrathen. Hier iſt das
Gedicht. Es nöthigt mich ein gnädiger Befehl
es nicht zurükk zu behalten:

An
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <p><pb facs="#f0010" n="VIII"/>
teil, mein Le&#x017F;er, &#x017F;oll mich &#x017F;trafen oder recht-<lb/>
fertigen.</p><lb/>
        <p>Du ha&#x017F;t Verlangen getragen, den Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;er der &#x017F;cherzhaften Lieder zu kennen. Hier<lb/>
&#x017F;olte ich al&#x017F;o, als an dem bequem&#x017F;ten Orte, &#x017F;ein<lb/>
Bildniß &#x017F;childern, wie er das meinige ge&#x017F;chil-<lb/>
dert hat. Allein wie leicht könte ihn mein Pin-<lb/>
&#x017F;el verfehlen? Er mü&#x017F;te &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t malen. Doch<lb/>
ich will dir ge&#x017F;tehen, wie ich einmal die Worte<lb/>
eines liebenswürdigen Dichters verändert habe,<lb/>
als ich das Bild meines Freundes einer eifer-<lb/>
&#x017F;üchtigen Freundin kennbar machen wolte. Ich<lb/>
&#x017F;agte zu ihr:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Auf &#x017F;einen Wangen i&#x017F;t zu &#x017F;chaun,</l><lb/>
          <l>An &#x017F;tatt der Jugend-Milch, ein lebhaft männlich Braun,</l><lb/>
          <l>Den Augen fehlt kein Gei&#x017F;t, noch An&#x017F;tand den Ge-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">behrden,</hi> </l><lb/>
          <l>Er hat, was man gebraucht, von mir geliebt zu werden.</l>
        </lg><lb/>
        <p>Ja, ich muß die&#x017F;en vollkommenen Liebhaber lie-<lb/>
ben, und ich liebte ihn &#x017F;chon, ehe mich das zärt-<lb/>
lich&#x017F;te von &#x017F;einen Gedichten, und &#x017F;ein Kuß, be-<lb/>
wegte, mein Herze zu verrathen. Hier i&#x017F;t das<lb/>
Gedicht. Es nöthigt mich ein gnädiger Befehl<lb/>
es nicht zurükk zu behalten:</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">An</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[VIII/0010] teil, mein Leſer, ſoll mich ſtrafen oder recht- fertigen. Du haſt Verlangen getragen, den Ver- faſſer der ſcherzhaften Lieder zu kennen. Hier ſolte ich alſo, als an dem bequemſten Orte, ſein Bildniß ſchildern, wie er das meinige geſchil- dert hat. Allein wie leicht könte ihn mein Pin- ſel verfehlen? Er müſte ſich ſelbſt malen. Doch ich will dir geſtehen, wie ich einmal die Worte eines liebenswürdigen Dichters verändert habe, als ich das Bild meines Freundes einer eifer- ſüchtigen Freundin kennbar machen wolte. Ich ſagte zu ihr: Auf ſeinen Wangen iſt zu ſchaun, An ſtatt der Jugend-Milch, ein lebhaft männlich Braun, Den Augen fehlt kein Geiſt, noch Anſtand den Ge- behrden, Er hat, was man gebraucht, von mir geliebt zu werden. Ja, ich muß dieſen vollkommenen Liebhaber lie- ben, und ich liebte ihn ſchon, ehe mich das zärt- lichſte von ſeinen Gedichten, und ſein Kuß, be- wegte, mein Herze zu verrathen. Hier iſt das Gedicht. Es nöthigt mich ein gnädiger Befehl es nicht zurükk zu behalten: An

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745/10
Zitationshilfe: Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Bd. 2. Berlin, 1745, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745/10>, abgerufen am 27.11.2024.