Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Berlin, [1744].Hätte sie so stark getroffen, Daß sie hurtig sterben würde. Denn sie seufzte: Welche Wunde! Seht nur her! ich bin verwundet! Aber Amor lachte frölich, Und besichtigte die Wunde, Und wies mit dem kleinen Finger Knosp und Pfeil und Wund am Busen. Siehst du, sprach er, deine Knospe Muste diesen Pfeil verwahren, Denn du soltest diese Lose, Die mich oft, wie dich, verspottet, Für die Spötterei bestrafen. Laß sie noch ein bisgen quälen, Und dann nimm den Liebesbalsam, Das Geschenk von meiner Mutter, Und bestreich damit die Wunde. Küsse sie, nun wird sie küssen; Laß dir den Gewinst bezalen, Und bezale du sie wieder, Wenn
Haͤtte ſie ſo ſtark getroffen, Daß ſie hurtig ſterben wuͤrde. Denn ſie ſeufzte: Welche Wunde! Seht nur her! ich bin verwundet! Aber Amor lachte froͤlich, Und beſichtigte die Wunde, Und wies mit dem kleinen Finger Knoſp und Pfeil und Wund am Buſen. Siehſt du, ſprach er, deine Knoſpe Muſte dieſen Pfeil verwahren, Denn du ſolteſt dieſe Loſe, Die mich oft, wie dich, verſpottet, Fuͤr die Spoͤtterei beſtrafen. Laß ſie noch ein bisgen quaͤlen, Und dann nimm den Liebesbalſam, Das Geſchenk von meiner Mutter, Und beſtreich damit die Wunde. Kuͤſſe ſie, nun wird ſie kuͤſſen; Laß dir den Gewinſt bezalen, Und bezale du ſie wieder, Wenn
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0022" n="10"/> <l>Haͤtte ſie ſo ſtark getroffen,</l><lb/> <l>Daß ſie hurtig ſterben wuͤrde.</l><lb/> <l>Denn ſie ſeufzte: Welche Wunde!</l><lb/> <l>Seht nur her! ich bin verwundet!</l><lb/> <l>Aber Amor lachte froͤlich,</l><lb/> <l>Und beſichtigte die Wunde,</l><lb/> <l>Und wies mit dem kleinen Finger</l><lb/> <l>Knoſp und Pfeil und Wund am Buſen.</l><lb/> <l>Siehſt du, ſprach er, deine Knoſpe</l><lb/> <l>Muſte dieſen Pfeil verwahren,</l><lb/> <l>Denn du ſolteſt dieſe Loſe,</l><lb/> <l>Die mich oft, wie dich, verſpottet,</l><lb/> <l>Fuͤr die Spoͤtterei beſtrafen.</l><lb/> <l>Laß ſie noch ein bisgen quaͤlen,</l><lb/> <l>Und dann nimm den Liebesbalſam,</l><lb/> <l>Das Geſchenk von meiner Mutter,</l><lb/> <l>Und beſtreich damit die Wunde.</l><lb/> <l>Kuͤſſe ſie, nun wird ſie kuͤſſen;</l><lb/> <l>Laß dir den Gewinſt bezalen,</l><lb/> <l>Und bezale du ſie wieder,</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [10/0022]
Haͤtte ſie ſo ſtark getroffen,
Daß ſie hurtig ſterben wuͤrde.
Denn ſie ſeufzte: Welche Wunde!
Seht nur her! ich bin verwundet!
Aber Amor lachte froͤlich,
Und beſichtigte die Wunde,
Und wies mit dem kleinen Finger
Knoſp und Pfeil und Wund am Buſen.
Siehſt du, ſprach er, deine Knoſpe
Muſte dieſen Pfeil verwahren,
Denn du ſolteſt dieſe Loſe,
Die mich oft, wie dich, verſpottet,
Fuͤr die Spoͤtterei beſtrafen.
Laß ſie noch ein bisgen quaͤlen,
Und dann nimm den Liebesbalſam,
Das Geſchenk von meiner Mutter,
Und beſtreich damit die Wunde.
Kuͤſſe ſie, nun wird ſie kuͤſſen;
Laß dir den Gewinſt bezalen,
Und bezale du ſie wieder,
Wenn
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch01_1744 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch01_1744/22 |
Zitationshilfe: | Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Berlin, [1744], S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch01_1744/22>, abgerufen am 16.07.2024. |