In gewissen gebürgigten Gegenden befolgte man eine andere noch schädlichere Methode, da man nem- lich den ganzen Ort auf lauter so genanntes Schlag- holz einrichtete, welches bey jeder Hauung allgemein abgetrieben ward, und darauf wiederum vierzig Jahre sich selbst überlassen wurde. Dem alle Jahr einfal- lenden Glatteise und Rauhreife, den Sturmwinden und späten Frösten vermeinte man damit Einhalt zu thun, daß man diesen Ort, wie bey dem Nadelholze gewöhnlich ist, allezeit von Mitternacht gegen Mit- tag abtreiben ließ, und hierin hatte man wohl eini- ges Recht, so und nicht anders zu handeln. Man handelte richtig, weil alsdenn nicht nur der übrig ge- bliebene noch unangebrochene Platz sich selbst wider die gemeiniglich aus Südwest kommenden heftigen Stürme, wider das Glatteis und den Rauhreif schü- tzet, sondern weil derselbe auch zugleich dem jungen Holz zu einer Wand gegen die Ost- und Südseite dienet, denn deren Oefnungen sind deswegen besonders gefähr- lich, weil die Morgen- und Mittagssonne im Frühjahr die Rinde der Bäume zu zart und gegen die Nachtfröste gar zu empfindlich macht. Allein wenn wir auch auf der andern Seite wieder überlegen, wie weit der von einer solchen Wand zu erwartende Schutz auf einen Bezirk von einigen hundert Waldmorgen hinausrei- chen könne, und was sie für Wirkung thun werde, wenn die Mitternachtsseite der Gegend einen be- trächtlichen Hang nach Süden hat, und mithin die vermeinte Schutzwand niedriger, als das zurückge- bliebene Holz stehet, so können wir dieser Vorsicht keinen allgemeinen Nutzen zuschreiben. Ein gleiches gilt, wenn die Winde, wie z. E. in Gebürgen nicht ge- rade vor sich weg wehen, sondern nach den Thälern und Schlüften sich drehen und wenden, und öfters wollen die Lagen der Reviere, die Begränzungen mit zänkischen Nachbaren, die Hut- und Triftgerechtig-
keiten,
In gewiſſen gebuͤrgigten Gegenden befolgte man eine andere noch ſchaͤdlichere Methode, da man nem- lich den ganzen Ort auf lauter ſo genanntes Schlag- holz einrichtete, welches bey jeder Hauung allgemein abgetrieben ward, und darauf wiederum vierzig Jahre ſich ſelbſt uͤberlaſſen wurde. Dem alle Jahr einfal- lenden Glatteiſe und Rauhreife, den Sturmwinden und ſpaͤten Froͤſten vermeinte man damit Einhalt zu thun, daß man dieſen Ort, wie bey dem Nadelholze gewoͤhnlich iſt, allezeit von Mitternacht gegen Mit- tag abtreiben ließ, und hierin hatte man wohl eini- ges Recht, ſo und nicht anders zu handeln. Man handelte richtig, weil alsdenn nicht nur der uͤbrig ge- bliebene noch unangebrochene Platz ſich ſelbſt wider die gemeiniglich aus Suͤdweſt kommenden heftigen Stuͤrme, wider das Glatteis und den Rauhreif ſchuͤ- tzet, ſondern weil derſelbe auch zugleich dem jungen Holz zu einer Wand gegen die Oſt- und Suͤdſeite dienet, denn deren Oefnungen ſind deswegen beſonders gefaͤhr- lich, weil die Morgen- und Mittagsſonne im Fruͤhjahr die Rinde der Baͤume zu zart und gegen die Nachtfroͤſte gar zu empfindlich macht. Allein wenn wir auch auf der andern Seite wieder uͤberlegen, wie weit der von einer ſolchen Wand zu erwartende Schutz auf einen Bezirk von einigen hundert Waldmorgen hinausrei- chen koͤnne, und was ſie fuͤr Wirkung thun werde, wenn die Mitternachtsſeite der Gegend einen be- traͤchtlichen Hang nach Suͤden hat, und mithin die vermeinte Schutzwand niedriger, als das zuruͤckge- bliebene Holz ſtehet, ſo koͤnnen wir dieſer Vorſicht keinen allgemeinen Nutzen zuſchreiben. Ein gleiches gilt, wenn die Winde, wie z. E. in Gebuͤrgen nicht ge- rade vor ſich weg wehen, ſondern nach den Thaͤlern und Schluͤften ſich drehen und wenden, und oͤfters wollen die Lagen der Reviere, die Begraͤnzungen mit zaͤnkiſchen Nachbaren, die Hut- und Triftgerechtig-
keiten,
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[6/0016]
In gewiſſen gebuͤrgigten Gegenden befolgte man
eine andere noch ſchaͤdlichere Methode, da man nem-
lich den ganzen Ort auf lauter ſo genanntes Schlag-
holz einrichtete, welches bey jeder Hauung allgemein
abgetrieben ward, und darauf wiederum vierzig Jahre
ſich ſelbſt uͤberlaſſen wurde. Dem alle Jahr einfal-
lenden Glatteiſe und Rauhreife, den Sturmwinden
und ſpaͤten Froͤſten vermeinte man damit Einhalt zu
thun, daß man dieſen Ort, wie bey dem Nadelholze
gewoͤhnlich iſt, allezeit von Mitternacht gegen Mit-
tag abtreiben ließ, und hierin hatte man wohl eini-
ges Recht, ſo und nicht anders zu handeln. Man
handelte richtig, weil alsdenn nicht nur der uͤbrig ge-
bliebene noch unangebrochene Platz ſich ſelbſt wider
die gemeiniglich aus Suͤdweſt kommenden heftigen
Stuͤrme, wider das Glatteis und den Rauhreif ſchuͤ-
tzet, ſondern weil derſelbe auch zugleich dem jungen
Holz zu einer Wand gegen die Oſt- und Suͤdſeite dienet,
denn deren Oefnungen ſind deswegen beſonders gefaͤhr-
lich, weil die Morgen- und Mittagsſonne im Fruͤhjahr die
Rinde der Baͤume zu zart und gegen die Nachtfroͤſte
gar zu empfindlich macht. Allein wenn wir auch auf
der andern Seite wieder uͤberlegen, wie weit der von
einer ſolchen Wand zu erwartende Schutz auf einen
Bezirk von einigen hundert Waldmorgen hinausrei-
chen koͤnne, und was ſie fuͤr Wirkung thun werde,
wenn die Mitternachtsſeite der Gegend einen be-
traͤchtlichen Hang nach Suͤden hat, und mithin die
vermeinte Schutzwand niedriger, als das zuruͤckge-
bliebene Holz ſtehet, ſo koͤnnen wir dieſer Vorſicht
keinen allgemeinen Nutzen zuſchreiben. Ein gleiches
gilt, wenn die Winde, wie z. E. in Gebuͤrgen nicht ge-
rade vor ſich weg wehen, ſondern nach den Thaͤlern
und Schluͤften ſich drehen und wenden, und oͤfters
wollen die Lagen der Reviere, die Begraͤnzungen mit
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 3. Berlin, 1789, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen03_1789/16>, abgerufen am 16.07.2024.
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