Meilen lang auf andere Dörfer hin, wo sie ohne ihr Geschlecht fortpflanzen zu können, in trauriger Einsamkeit ihre Tage beschließen.
Ob Spechte und Meisen den Eyern und der Raupe nachgehen, habe ich nicht beobachtet. Allein die Sperlinge sind ein beständiger Feind dieses In- sekts. Sie fressen die Raupen, holen die Puppen von den Bäumen, und sind endlich auch geschickt genug, den fliegenden Schmetterling zu fangen. Doch werden sie in dieser Geschicklichkeit von den Schwalben noch übertroffen. Die Nachtschwalbe oder der Caprimulgus würde ihrer noch mehrere auftreiben, denn er hat einen Rachen, in welchem ein solcher Schmetterling, fast ohne anzustoßen, hineinfahren kann. Nur Schade, daß dieser Vo- gel nicht häufiger ist.
Es ist aber das Schicksal der Raupen, daß sie oft noch viel schmählichere Todesarten erfahren müssen, als diese ist, daß sie von andern gefressen werden. Ich habe mehrmahlen Raupen einge- sperrt gehabt, die sich verwandeln sollten, allein ehe ihre Verwandelungszeit kam, starb die Raupe, und Würmer krochen ihr aus allen Theilen des Leibes. Diese waren die Jungen von einer Ichnevmons-Fliege, welche sich die Freyheit ge- nommen hatte, ihre Eyer mit ihren Legestachel in die lebendige Raupe hineinzulegen, daß sie an dieser
wider-
Meilen lang auf andere Doͤrfer hin, wo ſie ohne ihr Geſchlecht fortpflanzen zu koͤnnen, in trauriger Einſamkeit ihre Tage beſchließen.
Ob Spechte und Meiſen den Eyern und der Raupe nachgehen, habe ich nicht beobachtet. Allein die Sperlinge ſind ein beſtaͤndiger Feind dieſes In- ſekts. Sie freſſen die Raupen, holen die Puppen von den Baͤumen, und ſind endlich auch geſchickt genug, den fliegenden Schmetterling zu fangen. Doch werden ſie in dieſer Geſchicklichkeit von den Schwalben noch uͤbertroffen. Die Nachtſchwalbe oder der Caprimulgus wuͤrde ihrer noch mehrere auftreiben, denn er hat einen Rachen, in welchem ein ſolcher Schmetterling, faſt ohne anzuſtoßen, hineinfahren kann. Nur Schade, daß dieſer Vo- gel nicht haͤufiger iſt.
Es iſt aber das Schickſal der Raupen, daß ſie oft noch viel ſchmaͤhlichere Todesarten erfahren muͤſſen, als dieſe iſt, daß ſie von andern gefreſſen werden. Ich habe mehrmahlen Raupen einge- ſperrt gehabt, die ſich verwandeln ſollten, allein ehe ihre Verwandelungszeit kam, ſtarb die Raupe, und Wuͤrmer krochen ihr aus allen Theilen des Leibes. Dieſe waren die Jungen von einer Ichnevmons-Fliege, welche ſich die Freyheit ge- nommen hatte, ihre Eyer mit ihren Legeſtachel in die lebendige Raupe hineinzulegen, daß ſie an dieſer
wider-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0288"n="280[278]"/>
Meilen lang auf andere Doͤrfer hin, wo ſie ohne<lb/>
ihr Geſchlecht fortpflanzen zu koͤnnen, in trauriger<lb/>
Einſamkeit ihre Tage beſchließen.</p><lb/><p>Ob Spechte und Meiſen den Eyern und der<lb/>
Raupe nachgehen, habe ich nicht beobachtet. Allein<lb/>
die Sperlinge ſind ein beſtaͤndiger Feind dieſes In-<lb/>ſekts. Sie freſſen die Raupen, holen die Puppen<lb/>
von den Baͤumen, und ſind endlich auch geſchickt<lb/>
genug, den fliegenden Schmetterling zu fangen.<lb/>
Doch werden ſie in dieſer Geſchicklichkeit von den<lb/>
Schwalben noch uͤbertroffen. Die Nachtſchwalbe<lb/>
oder der Caprimulgus wuͤrde ihrer noch mehrere<lb/>
auftreiben, denn er hat einen Rachen, in welchem<lb/>
ein ſolcher Schmetterling, faſt ohne anzuſtoßen,<lb/>
hineinfahren kann. Nur Schade, daß dieſer Vo-<lb/>
gel nicht haͤufiger iſt.</p><lb/><p>Es iſt aber das Schickſal der Raupen, daß ſie<lb/>
oft noch viel ſchmaͤhlichere Todesarten erfahren<lb/>
muͤſſen, als dieſe iſt, daß ſie von andern gefreſſen<lb/>
werden. Ich habe mehrmahlen Raupen einge-<lb/>ſperrt gehabt, die ſich verwandeln ſollten, allein<lb/>
ehe ihre Verwandelungszeit kam, ſtarb die Raupe,<lb/>
und Wuͤrmer krochen ihr aus allen Theilen des<lb/>
Leibes. Dieſe waren die Jungen von einer<lb/>
Ichnevmons-Fliege, welche ſich die Freyheit ge-<lb/>
nommen hatte, ihre Eyer mit ihren Legeſtachel in<lb/>
die lebendige Raupe hineinzulegen, daß ſie an dieſer<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wider-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[280[278]/0288]
Meilen lang auf andere Doͤrfer hin, wo ſie ohne
ihr Geſchlecht fortpflanzen zu koͤnnen, in trauriger
Einſamkeit ihre Tage beſchließen.
Ob Spechte und Meiſen den Eyern und der
Raupe nachgehen, habe ich nicht beobachtet. Allein
die Sperlinge ſind ein beſtaͤndiger Feind dieſes In-
ſekts. Sie freſſen die Raupen, holen die Puppen
von den Baͤumen, und ſind endlich auch geſchickt
genug, den fliegenden Schmetterling zu fangen.
Doch werden ſie in dieſer Geſchicklichkeit von den
Schwalben noch uͤbertroffen. Die Nachtſchwalbe
oder der Caprimulgus wuͤrde ihrer noch mehrere
auftreiben, denn er hat einen Rachen, in welchem
ein ſolcher Schmetterling, faſt ohne anzuſtoßen,
hineinfahren kann. Nur Schade, daß dieſer Vo-
gel nicht haͤufiger iſt.
Es iſt aber das Schickſal der Raupen, daß ſie
oft noch viel ſchmaͤhlichere Todesarten erfahren
muͤſſen, als dieſe iſt, daß ſie von andern gefreſſen
werden. Ich habe mehrmahlen Raupen einge-
ſperrt gehabt, die ſich verwandeln ſollten, allein
ehe ihre Verwandelungszeit kam, ſtarb die Raupe,
und Wuͤrmer krochen ihr aus allen Theilen des
Leibes. Dieſe waren die Jungen von einer
Ichnevmons-Fliege, welche ſich die Freyheit ge-
nommen hatte, ihre Eyer mit ihren Legeſtachel in
die lebendige Raupe hineinzulegen, daß ſie an dieſer
wider-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 280[278]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/288>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.