Geschäften widmen kann, als einer fabelhaften zu weit ausgedehnten Alraunengeschichte. Da aber bey aller der Dunkelheit und der abergläubischen Nachrichten in denselben doch einzelne Spuren von Wahrheit zur Anwendung gefunden werden, und man die eigentliche Beschaffenheit der Schrift- steller aus den ersten und ältesten Zeitaltern unter den nach und nach bekannt gewordenen Völkerschaf- ten gleichsam aus dem rechten Gesichtspunkte be- trachten soll, so wird man von ihnen wegen ihres damahligen Zustandes kaum etwas beßeres verlan- gen. Die Abendländer, in welchen Künste und Wissenschaften viel später aufzukeimen angefangen, haben auf die Ruinen der erstern gebauet, und ih- ren Grundstoff daher erhalten, und bald recht, bald schlechter angewendet. Da also Künste und Wis- senschaften bey beyden sich noch sehr lange in ihrer Kindheit befunden, so wird wohl die Strenge der Beurtheilung hierüber von selbst wegfallen. Was man dabey so, wie in ähnlichen Fällen, thun kann, ist dieses, daß man vor allen Dingen die so sehr ein- zelnen und einzeln eingestreuten Wahrheitsspuren aus einem weit überwiegenden Gemenge von Un- wissenheit und Dunkelheit vorsichtig abzusondern, und das Wesentliche der Sachen aus dem verwor- renen Gewebe der vielen Ausleger und deren Mit- genossen zu entwickeln versuche. Es müssen sich alsdenn die so tief versteckten und zum Theil ganz verstellten Wahrheiten in ihrer wahren Gestalt von
selbst
Geſchaͤften widmen kann, als einer fabelhaften zu weit ausgedehnten Alraunengeſchichte. Da aber bey aller der Dunkelheit und der aberglaͤubiſchen Nachrichten in denſelben doch einzelne Spuren von Wahrheit zur Anwendung gefunden werden, und man die eigentliche Beſchaffenheit der Schrift- ſteller aus den erſten und aͤlteſten Zeitaltern unter den nach und nach bekannt gewordenen Voͤlkerſchaf- ten gleichſam aus dem rechten Geſichtspunkte be- trachten ſoll, ſo wird man von ihnen wegen ihres damahligen Zuſtandes kaum etwas beßeres verlan- gen. Die Abendlaͤnder, in welchen Kuͤnſte und Wiſſenſchaften viel ſpaͤter aufzukeimen angefangen, haben auf die Ruinen der erſtern gebauet, und ih- ren Grundſtoff daher erhalten, und bald recht, bald ſchlechter angewendet. Da alſo Kuͤnſte und Wiſ- ſenſchaften bey beyden ſich noch ſehr lange in ihrer Kindheit befunden, ſo wird wohl die Strenge der Beurtheilung hieruͤber von ſelbſt wegfallen. Was man dabey ſo, wie in aͤhnlichen Faͤllen, thun kann, iſt dieſes, daß man vor allen Dingen die ſo ſehr ein- zelnen und einzeln eingeſtreuten Wahrheitsſpuren aus einem weit uͤberwiegenden Gemenge von Un- wiſſenheit und Dunkelheit vorſichtig abzuſondern, und das Weſentliche der Sachen aus dem verwor- renen Gewebe der vielen Ausleger und deren Mit- genoſſen zu entwickeln verſuche. Es muͤſſen ſich alsdenn die ſo tief verſteckten und zum Theil ganz verſtellten Wahrheiten in ihrer wahren Geſtalt von
ſelbſt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0016"n="6"/>
Geſchaͤften widmen kann, als einer fabelhaften zu<lb/>
weit ausgedehnten <hirendition="#fr">Alraunengeſchichte</hi>. Da aber<lb/>
bey aller der Dunkelheit und der aberglaͤubiſchen<lb/>
Nachrichten in denſelben doch einzelne Spuren<lb/>
von Wahrheit zur Anwendung gefunden werden,<lb/>
und man die eigentliche Beſchaffenheit der Schrift-<lb/>ſteller aus den erſten und aͤlteſten Zeitaltern unter<lb/>
den nach und nach bekannt gewordenen Voͤlkerſchaf-<lb/>
ten gleichſam aus dem rechten Geſichtspunkte be-<lb/>
trachten ſoll, ſo wird man von ihnen wegen ihres<lb/>
damahligen Zuſtandes kaum etwas beßeres verlan-<lb/>
gen. Die Abendlaͤnder, in welchen Kuͤnſte und<lb/>
Wiſſenſchaften viel ſpaͤter aufzukeimen angefangen,<lb/>
haben auf die Ruinen der erſtern gebauet, und ih-<lb/>
ren Grundſtoff daher erhalten, und bald recht, bald<lb/>ſchlechter angewendet. Da alſo Kuͤnſte und Wiſ-<lb/>ſenſchaften bey beyden ſich noch ſehr lange in ihrer<lb/>
Kindheit befunden, ſo wird wohl die Strenge der<lb/>
Beurtheilung hieruͤber von ſelbſt wegfallen. Was<lb/>
man dabey ſo, wie in aͤhnlichen Faͤllen, thun kann,<lb/>
iſt dieſes, daß man vor allen Dingen die ſo ſehr ein-<lb/>
zelnen und einzeln eingeſtreuten Wahrheitsſpuren<lb/>
aus einem weit uͤberwiegenden Gemenge von Un-<lb/>
wiſſenheit und Dunkelheit vorſichtig abzuſondern,<lb/>
und das Weſentliche der Sachen aus dem verwor-<lb/>
renen Gewebe der vielen Ausleger und deren Mit-<lb/>
genoſſen zu entwickeln verſuche. Es muͤſſen ſich<lb/>
alsdenn die ſo tief verſteckten und zum Theil ganz<lb/>
verſtellten Wahrheiten in ihrer wahren Geſtalt von<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſelbſt</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[6/0016]
Geſchaͤften widmen kann, als einer fabelhaften zu
weit ausgedehnten Alraunengeſchichte. Da aber
bey aller der Dunkelheit und der aberglaͤubiſchen
Nachrichten in denſelben doch einzelne Spuren
von Wahrheit zur Anwendung gefunden werden,
und man die eigentliche Beſchaffenheit der Schrift-
ſteller aus den erſten und aͤlteſten Zeitaltern unter
den nach und nach bekannt gewordenen Voͤlkerſchaf-
ten gleichſam aus dem rechten Geſichtspunkte be-
trachten ſoll, ſo wird man von ihnen wegen ihres
damahligen Zuſtandes kaum etwas beßeres verlan-
gen. Die Abendlaͤnder, in welchen Kuͤnſte und
Wiſſenſchaften viel ſpaͤter aufzukeimen angefangen,
haben auf die Ruinen der erſtern gebauet, und ih-
ren Grundſtoff daher erhalten, und bald recht, bald
ſchlechter angewendet. Da alſo Kuͤnſte und Wiſ-
ſenſchaften bey beyden ſich noch ſehr lange in ihrer
Kindheit befunden, ſo wird wohl die Strenge der
Beurtheilung hieruͤber von ſelbſt wegfallen. Was
man dabey ſo, wie in aͤhnlichen Faͤllen, thun kann,
iſt dieſes, daß man vor allen Dingen die ſo ſehr ein-
zelnen und einzeln eingeſtreuten Wahrheitsſpuren
aus einem weit uͤberwiegenden Gemenge von Un-
wiſſenheit und Dunkelheit vorſichtig abzuſondern,
und das Weſentliche der Sachen aus dem verwor-
renen Gewebe der vielen Ausleger und deren Mit-
genoſſen zu entwickeln verſuche. Es muͤſſen ſich
alsdenn die ſo tief verſteckten und zum Theil ganz
verſtellten Wahrheiten in ihrer wahren Geſtalt von
ſelbſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/16>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.