welches in natürlichen Umständen niemahlen trügen kann, wenn man sich auch in andern Nebensachen bey einigen besondern Pflanzengeschlechtern irren sollte.
21. Ueber dasjenige, worüber im 15ten 16ten und 17ten §. die Rede gewesen ist, fand sich noch ein Umstand, welcher die Meynungen der Naturforscher theilte. Diese zweifelten nehmlich zwar nicht an der Wirklichkeit der Befruchtung des Griffels, aber dieweil ihnen die befruchtende Materie selbst noch immer verborgen blieb, und der Blumenstaub aus Kugeln und Blasen bestand, dessen wahre Beschaf- fenheit den meisten noch unbekannt war, so hielten einige unter ihnen dafür, die ganzen Staubkugeln drängen ein, und befruchteten den Saamen. Die andern aber hatten weit vernünftigere Gründe für sich, und behaupteten, daß eine subtile Materie aus den Kugein des Saamenstaubes die Befeuch- tung bewirkte. Die erstern bekümmerten sich in- dessen gar nicht eigentlich um die Wege und deren proportionirliche Weite, durch welche die ganzen Kugeln des Staubes eindringen könnten und sollten, wie sie denn auch nicht betrachteten, was die Hülse mit ihren Contentis, wenn sie auch ganz in den Saa- menstoff dringen könnte, darinnen nützen würde. Und ob schon niemand einsahe, wie eine solche gro- be Hülse oder Blase dergleichen höchst feine und sonst impenetrable Kanäle (vascula omnium minu- tissima ei plus quam capillaria halituosa) passiren
könnte,
welches in natuͤrlichen Umſtaͤnden niemahlen truͤgen kann, wenn man ſich auch in andern Nebenſachen bey einigen beſondern Pflanzengeſchlechtern irren ſollte.
21. Ueber dasjenige, woruͤber im 15ten 16ten und 17ten §. die Rede geweſen iſt, fand ſich noch ein Umſtand, welcher die Meynungen der Naturforſcher theilte. Dieſe zweifelten nehmlich zwar nicht an der Wirklichkeit der Befruchtung des Griffels, aber dieweil ihnen die befruchtende Materie ſelbſt noch immer verborgen blieb, und der Blumenſtaub aus Kugeln und Blaſen beſtand, deſſen wahre Beſchaf- fenheit den meiſten noch unbekannt war, ſo hielten einige unter ihnen dafuͤr, die ganzen Staubkugeln draͤngen ein, und befruchteten den Saamen. Die andern aber hatten weit vernuͤnftigere Gruͤnde fuͤr ſich, und behaupteten, daß eine ſubtile Materie aus den Kugein des Saamenſtaubes die Befeuch- tung bewirkte. Die erſtern bekuͤmmerten ſich in- deſſen gar nicht eigentlich um die Wege und deren proportionirliche Weite, durch welche die ganzen Kugeln des Staubes eindringen koͤnnten und ſollten, wie ſie denn auch nicht betrachteten, was die Huͤlſe mit ihren Contentis, wenn ſie auch ganz in den Saa- menſtoff dringen koͤnnte, darinnen nuͤtzen wuͤrde. Und ob ſchon niemand einſahe, wie eine ſolche gro- be Huͤlſe oder Blaſe dergleichen hoͤchſt feine und ſonſt impenetrable Kanaͤle (vaſcula omnium minu- tiſſima ei plus quam capillaria halituoſa) paſſiren
koͤnnte,
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welches in natuͤrlichen Umſtaͤnden niemahlen truͤgen
kann, wenn man ſich auch in andern Nebenſachen
bey einigen beſondern Pflanzengeſchlechtern irren
ſollte.
21. Ueber dasjenige, woruͤber im 15ten 16ten
und 17ten §. die Rede geweſen iſt, fand ſich noch ein
Umſtand, welcher die Meynungen der Naturforſcher
theilte. Dieſe zweifelten nehmlich zwar nicht an
der Wirklichkeit der Befruchtung des Griffels, aber
dieweil ihnen die befruchtende Materie ſelbſt noch
immer verborgen blieb, und der Blumenſtaub aus
Kugeln und Blaſen beſtand, deſſen wahre Beſchaf-
fenheit den meiſten noch unbekannt war, ſo hielten
einige unter ihnen dafuͤr, die ganzen Staubkugeln
draͤngen ein, und befruchteten den Saamen. Die
andern aber hatten weit vernuͤnftigere Gruͤnde fuͤr
ſich, und behaupteten, daß eine ſubtile Materie
aus den Kugein des Saamenſtaubes die Befeuch-
tung bewirkte. Die erſtern bekuͤmmerten ſich in-
deſſen gar nicht eigentlich um die Wege und deren
proportionirliche Weite, durch welche die ganzen
Kugeln des Staubes eindringen koͤnnten und ſollten,
wie ſie denn auch nicht betrachteten, was die Huͤlſe
mit ihren Contentis, wenn ſie auch ganz in den Saa-
menſtoff dringen koͤnnte, darinnen nuͤtzen wuͤrde.
Und ob ſchon niemand einſahe, wie eine ſolche gro-
be Huͤlſe oder Blaſe dergleichen hoͤchſt feine und
ſonſt impenetrable Kanaͤle (vaſcula omnium minu-
tiſſima ei plus quam capillaria halituoſa) paſſiren
koͤnnte,
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/68>, abgerufen am 23.07.2024.
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