weiblichen und Zwitterpflanzen offenbar miteinander verwechselt, folglich weder recht gekannt, noch mit Aufmerksamkeit untersuchet, als durch welches Versehen nothwendig der Lehre von der Befruch- tung der Blumen, wider die Absichten der Gegner, mehr Vortheil als Schaden zugewachsen ist.
Ich kann also gar leicht zugeben, daß es wahr sey, daß die weiblichen Pflanzen des Spinats, Hopfens, und des Bingelkrautes in einem Garten Saamen tragen, ja fruchtbare Saamen getragen haben, und immer tragen können, ohne daß männ- liche Pflanzen in diesem Garten zugegen sind, oder, wie es weit wahrscheinlicher ist, gefunden worden sind; allein, da ich mich über Umstände und Ursa- chen erklären will, so wird man sehen, daß das oft- genannte Systema der Saamenbefruchtung im Pflanzenreiche, demohngeachtet bestehe und beste- hen könne. Denn, nicht zu gedenken, daß sich ohn- geachtet aller Sorgfältigkeit dennoch Pflanzen in ei- nen Garten, oder dessen Nachbarschaft und Ge- gend, so verstecken können, daß sie nicht leicht ge- funden werden, und daß sich der Zufälle halber nie- mand im Ernste anheischig machen kann, vor das Daseyn oder Wegseyn von etlichen Pflanzen auf 1 bis 2 Stunden weit zu stehen, so dienet außerdem fol- gendes, als eine gewisse Nachricht: nehmlich, daß man bey den männlichen Pflanzen sehr ofte einzeln oder auch häufiger gleichsam mit eingestreute weib- liche Blumen, und in den weiblichen Pflanzen ver-
steckte
weiblichen und Zwitterpflanzen offenbar miteinander verwechſelt, folglich weder recht gekannt, noch mit Aufmerkſamkeit unterſuchet, als durch welches Verſehen nothwendig der Lehre von der Befruch- tung der Blumen, wider die Abſichten der Gegner, mehr Vortheil als Schaden zugewachſen iſt.
Ich kann alſo gar leicht zugeben, daß es wahr ſey, daß die weiblichen Pflanzen des Spinats, Hopfens, und des Bingelkrautes in einem Garten Saamen tragen, ja fruchtbare Saamen getragen haben, und immer tragen koͤnnen, ohne daß maͤnn- liche Pflanzen in dieſem Garten zugegen ſind, oder, wie es weit wahrſcheinlicher iſt, gefunden worden ſind; allein, da ich mich uͤber Umſtaͤnde und Urſa- chen erklaͤren will, ſo wird man ſehen, daß das oft- genannte Syſtema der Saamenbefruchtung im Pflanzenreiche, demohngeachtet beſtehe und beſte- hen koͤnne. Denn, nicht zu gedenken, daß ſich ohn- geachtet aller Sorgfaͤltigkeit dennoch Pflanzen in ei- nen Garten, oder deſſen Nachbarſchaft und Ge- gend, ſo verſtecken koͤnnen, daß ſie nicht leicht ge- funden werden, und daß ſich der Zufaͤlle halber nie- mand im Ernſte anheiſchig machen kann, vor das Daſeyn oder Wegſeyn von etlichen Pflanzen auf 1 bis 2 Stunden weit zu ſtehen, ſo dienet außerdem fol- gendes, als eine gewiſſe Nachricht: nehmlich, daß man bey den maͤnnlichen Pflanzen ſehr ofte einzeln oder auch haͤufiger gleichſam mit eingeſtreute weib- liche Blumen, und in den weiblichen Pflanzen ver-
ſteckte
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[28/0040]
weiblichen und Zwitterpflanzen offenbar miteinander
verwechſelt, folglich weder recht gekannt, noch mit
Aufmerkſamkeit unterſuchet, als durch welches
Verſehen nothwendig der Lehre von der Befruch-
tung der Blumen, wider die Abſichten der Gegner,
mehr Vortheil als Schaden zugewachſen iſt.
Ich kann alſo gar leicht zugeben, daß es wahr
ſey, daß die weiblichen Pflanzen des Spinats,
Hopfens, und des Bingelkrautes in einem Garten
Saamen tragen, ja fruchtbare Saamen getragen
haben, und immer tragen koͤnnen, ohne daß maͤnn-
liche Pflanzen in dieſem Garten zugegen ſind, oder,
wie es weit wahrſcheinlicher iſt, gefunden worden
ſind; allein, da ich mich uͤber Umſtaͤnde und Urſa-
chen erklaͤren will, ſo wird man ſehen, daß das oft-
genannte Syſtema der Saamenbefruchtung im
Pflanzenreiche, demohngeachtet beſtehe und beſte-
hen koͤnne. Denn, nicht zu gedenken, daß ſich ohn-
geachtet aller Sorgfaͤltigkeit dennoch Pflanzen in ei-
nen Garten, oder deſſen Nachbarſchaft und Ge-
gend, ſo verſtecken koͤnnen, daß ſie nicht leicht ge-
funden werden, und daß ſich der Zufaͤlle halber nie-
mand im Ernſte anheiſchig machen kann, vor das
Daſeyn oder Wegſeyn von etlichen Pflanzen auf 1 bis
2 Stunden weit zu ſtehen, ſo dienet außerdem fol-
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man bey den maͤnnlichen Pflanzen ſehr ofte einzeln
oder auch haͤufiger gleichſam mit eingeſtreute weib-
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/40>, abgerufen am 23.07.2024.
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