chen Ursachen, die ich in vorhergehenden schon be- rührt habe. Es werden allerdings Erfahrungen angestellet, aber sehr selten ganz ohne Vorurtheile, daß also dasjenige gar nicht gesucht und gefunden werden kann, was wider eine eigene vorgefaßte Meynung streitet, sondern fast allezeit das, was man eben zu sehen und zu erfahren zum voraus ge- wünschet hat. Ich weiß wohl, daß etliche vorge- ben, als hätten sie in ihren Gärten von den weibli- chen Pflanzen des Spinats, Hanfs und Bingel- krautes einen fruchtbaren Saamen gezogen, ohne, daß sich zu der Zeit ihre männlichen Pflanzen dabey be- funden. Ferner sagen sie, es gäbe in einigen morgen- ländischen und abendländischen Gegenden gewisse Palmen, welche Datteln trügen, ohne, daß sie, wie sonst in der Barbarey und andern Ländern ge- wöhnlich ist, mit dem Blumenstaube auf eine künst- liche Art zuvor befruchtet oder bestreuet würden. Und hieraus, was sie als gewiß annehmen, und durch eigene Versuche angemerkt zu haben denken, glauben sie (ohne fernere Untersuchung, Auslegung und Anwendung der wahren Umstände) es sey die Lehre von der Befruchtung des Blumenstaubes ge- nugsam widerleget, und könne für weiter nichts als ein Spielwerk passiren, womit sich die Gelehr- ten belustigen. Was soll man aber davon sagen, daß etliche von denen, welche den Nutzen des Blu- menstaubes durch Erfahrungen in öffentlichen Schrif- ten widerleget zu haben glauben, die männlichen,
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chen Urſachen, die ich in vorhergehenden ſchon be- ruͤhrt habe. Es werden allerdings Erfahrungen angeſtellet, aber ſehr ſelten ganz ohne Vorurtheile, daß alſo dasjenige gar nicht geſucht und gefunden werden kann, was wider eine eigene vorgefaßte Meynung ſtreitet, ſondern faſt allezeit das, was man eben zu ſehen und zu erfahren zum voraus ge- wuͤnſchet hat. Ich weiß wohl, daß etliche vorge- ben, als haͤtten ſie in ihren Gaͤrten von den weibli- chen Pflanzen des Spinats, Hanfs und Bingel- krautes einen fruchtbaren Saamen gezogen, ohne, daß ſich zu der Zeit ihre maͤnnlichen Pflanzen dabey be- funden. Ferner ſagen ſie, es gaͤbe in einigen morgen- laͤndiſchen und abendlaͤndiſchen Gegenden gewiſſe Palmen, welche Datteln truͤgen, ohne, daß ſie, wie ſonſt in der Barbarey und andern Laͤndern ge- woͤhnlich iſt, mit dem Blumenſtaube auf eine kuͤnſt- liche Art zuvor befruchtet oder beſtreuet wuͤrden. Und hieraus, was ſie als gewiß annehmen, und durch eigene Verſuche angemerkt zu haben denken, glauben ſie (ohne fernere Unterſuchung, Auslegung und Anwendung der wahren Umſtaͤnde) es ſey die Lehre von der Befruchtung des Blumenſtaubes ge- nugſam widerleget, und koͤnne fuͤr weiter nichts als ein Spielwerk paſſiren, womit ſich die Gelehr- ten beluſtigen. Was ſoll man aber davon ſagen, daß etliche von denen, welche den Nutzen des Blu- menſtaubes durch Erfahrungen in oͤffentlichen Schrif- ten widerleget zu haben glauben, die maͤnnlichen,
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[27/0039]
chen Urſachen, die ich in vorhergehenden ſchon be-
ruͤhrt habe. Es werden allerdings Erfahrungen
angeſtellet, aber ſehr ſelten ganz ohne Vorurtheile,
daß alſo dasjenige gar nicht geſucht und gefunden
werden kann, was wider eine eigene vorgefaßte
Meynung ſtreitet, ſondern faſt allezeit das, was
man eben zu ſehen und zu erfahren zum voraus ge-
wuͤnſchet hat. Ich weiß wohl, daß etliche vorge-
ben, als haͤtten ſie in ihren Gaͤrten von den weibli-
chen Pflanzen des Spinats, Hanfs und Bingel-
krautes einen fruchtbaren Saamen gezogen, ohne,
daß ſich zu der Zeit ihre maͤnnlichen Pflanzen dabey be-
funden. Ferner ſagen ſie, es gaͤbe in einigen morgen-
laͤndiſchen und abendlaͤndiſchen Gegenden gewiſſe
Palmen, welche Datteln truͤgen, ohne, daß ſie,
wie ſonſt in der Barbarey und andern Laͤndern ge-
woͤhnlich iſt, mit dem Blumenſtaube auf eine kuͤnſt-
liche Art zuvor befruchtet oder beſtreuet wuͤrden.
Und hieraus, was ſie als gewiß annehmen, und
durch eigene Verſuche angemerkt zu haben denken,
glauben ſie (ohne fernere Unterſuchung, Auslegung
und Anwendung der wahren Umſtaͤnde) es ſey die
Lehre von der Befruchtung des Blumenſtaubes ge-
nugſam widerleget, und koͤnne fuͤr weiter nichts
als ein Spielwerk paſſiren, womit ſich die Gelehr-
ten beluſtigen. Was ſoll man aber davon ſagen,
daß etliche von denen, welche den Nutzen des Blu-
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/39>, abgerufen am 23.07.2024.
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