oder gar blühen. Doch habe ich zum öftern die jungen saftreichen Zweige zur Blüthezeit abgebro- chen, und wie meine Schüler nach mir noch zu thun pflegen, Stundenlang bey warmen Wetter oh- ne Furcht und Schaden in der bloßen Hand ge- tragen, bis ich Gelegenheit fand, sie in ein Buch zu legen, die Blumentheile zu untersuchen oder auf- zutrocknen, ohne zu der Zeit vernommen zu haben, daß sie andern geschadet hätten. Noch gestern, als ich dieses Gewächs verpflanzte und selbiges be- schneiden mußte, schälte ich von der Wurzel ein Stück Rinde, theilte dasselbe, und behielt jedes Stück wohl eine halbe Viertelstunde im Munde; ich fand bey dieser Herbstzeit nichts flüßiges und schar- fes darinnen, wohl aber ein erdhaftes zusammen- ziehendes Wesen, welches den Mund austrocknete, und auf der Zunge insbesondere überaus anhal- tend, beschwerlich und merklich herbe wurde, eben als wenn man von den frischen Wallnüssen das herbe Häutchen mit dem Kerne zugleich genießt. Im Frühlinge und Sommer würde ich weder die Wurzel, noch sonst einen Theil von diesem Gewächse, so frisch und lange zu kosten gewagt haben.
Etliche andere hingegen sind nach dieser Zeit nicht so glücklich gewesen, als ich, sie haben vielmehr die bösartige Wirkung dieser Pflanzen nach einer verschiedenen Heftigkeit recht stark erfahren müssen, auch solche, welche vorher davon immer verschonet geblieben waren. Es kann uns zu dem Ende noch
wohl
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oder gar bluͤhen. Doch habe ich zum oͤftern die jungen ſaftreichen Zweige zur Bluͤthezeit abgebro- chen, und wie meine Schuͤler nach mir noch zu thun pflegen, Stundenlang bey warmen Wetter oh- ne Furcht und Schaden in der bloßen Hand ge- tragen, bis ich Gelegenheit fand, ſie in ein Buch zu legen, die Blumentheile zu unterſuchen oder auf- zutrocknen, ohne zu der Zeit vernommen zu haben, daß ſie andern geſchadet haͤtten. Noch geſtern, als ich dieſes Gewaͤchs verpflanzte und ſelbiges be- ſchneiden mußte, ſchaͤlte ich von der Wurzel ein Stuͤck Rinde, theilte daſſelbe, und behielt jedes Stuͤck wohl eine halbe Viertelſtunde im Munde; ich fand bey dieſer Herbſtzeit nichts fluͤßiges und ſchar- fes darinnen, wohl aber ein erdhaftes zuſammen- ziehendes Weſen, welches den Mund austrocknete, und auf der Zunge insbeſondere uͤberaus anhal- tend, beſchwerlich und merklich herbe wurde, eben als wenn man von den friſchen Wallnuͤſſen das herbe Haͤutchen mit dem Kerne zugleich genießt. Im Fruͤhlinge und Sommer wuͤrde ich weder die Wurzel, noch ſonſt einen Theil von dieſem Gewaͤchſe, ſo friſch und lange zu koſten gewagt haben.
Etliche andere hingegen ſind nach dieſer Zeit nicht ſo gluͤcklich geweſen, als ich, ſie haben vielmehr die boͤsartige Wirkung dieſer Pflanzen nach einer verſchiedenen Heftigkeit recht ſtark erfahren muͤſſen, auch ſolche, welche vorher davon immer verſchonet geblieben waren. Es kann uns zu dem Ende noch
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oder gar bluͤhen. Doch habe ich zum oͤftern die
jungen ſaftreichen Zweige zur Bluͤthezeit abgebro-
chen, und wie meine Schuͤler nach mir noch zu thun
pflegen, Stundenlang bey warmen Wetter oh-
ne Furcht und Schaden in der bloßen Hand ge-
tragen, bis ich Gelegenheit fand, ſie in ein Buch zu
legen, die Blumentheile zu unterſuchen oder auf-
zutrocknen, ohne zu der Zeit vernommen zu haben,
daß ſie andern geſchadet haͤtten. Noch geſtern, als
ich dieſes Gewaͤchs verpflanzte und ſelbiges be-
ſchneiden mußte, ſchaͤlte ich von der Wurzel ein
Stuͤck Rinde, theilte daſſelbe, und behielt jedes
Stuͤck wohl eine halbe Viertelſtunde im Munde; ich
fand bey dieſer Herbſtzeit nichts fluͤßiges und ſchar-
fes darinnen, wohl aber ein erdhaftes zuſammen-
ziehendes Weſen, welches den Mund austrocknete,
und auf der Zunge insbeſondere uͤberaus anhal-
tend, beſchwerlich und merklich herbe wurde, eben
als wenn man von den friſchen Wallnuͤſſen das
herbe Haͤutchen mit dem Kerne zugleich genießt.
Im Fruͤhlinge und Sommer wuͤrde ich weder die
Wurzel, noch ſonſt einen Theil von dieſem Gewaͤchſe,
ſo friſch und lange zu koſten gewagt haben.
Etliche andere hingegen ſind nach dieſer Zeit
nicht ſo gluͤcklich geweſen, als ich, ſie haben vielmehr
die boͤsartige Wirkung dieſer Pflanzen nach einer
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/179>, abgerufen am 23.07.2024.
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