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Gizycki, Lily von: Die Bürgerpflicht der Frau. Berlin, 1895.

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auf die böse Frau von Rom, wenn er den Frauen jede
Befähigung, öffentliche Ämter zu bekleiden, abspricht.

Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts erhob sich keine
Stimme zu Gunsten der Frauen. Die Troubadoure und Minne-
sänger feierten wohl das weibliche Geschlecht, aber ihre viel-
gerühmte Ritterlichkeit reichte nicht so weit, ihre "Herrinnen"
und "Herzensköniginnen" als gleichberechtigte Menschen anzu-
erkennen.

Auch die Philosophie der Aufklärung des achtzehnten Jahr-
hunderts, welche so viel von den Rechten und Pflichten der
Menschheit spricht, schließt die Frauen in diesen Allgemeinbegriff
nicht mit ein. Wohl empfanden die Bahnbrecher der Revolution
die Ketten der physischen und geistigen Knechtschaft, unter denen
der größte Teil der Männer schmachtete; um wie viel tiefer noch
die Frauen erniedrigt waren, das fühlten sie nicht. Die Natur
habe der Frau die ihr mögliche Vollendung gegeben und be-
stimmt, daß sie nicht darüber hinaus sich entwickele, sagte
Montesquieu, und Rousseau erklärte, daß sie allein dem Mann
zu Gefallen geschaffen sei.

Aber eine Zeit, aus deren Schoß die Jdeen der Menschen-
rechte emporwuchsen, konnte nicht vorübergehen, ohne daß die
Jdee der Gleichberechtigung der Geschlechter an das Licht trat.
Condorcet, einer der besten Männer aller Zeiten, war es, der
sie zuerst in Worte faßte. Er sagt: "Wir halten es für eines
der natürlichen Rechte des Menschen, in gemeinschaftlichen An-
gelegenheiten entweder persönlich oder durch frei gewählte Re-
präsentanten zu stimmen. Jst es nicht in ihrer Eigenschaft als
fühlende, mit Vernunft begabte und sittlicher Jdeen fähige
Wesen, daß die Männer Rechte besitzen? Die Frauen sollten
folglich durchaus dieselben haben. Entweder hat kein individuelles
Glied der Menschheit irgend welches wirkliche Recht, oder Alle
haben das gleiche; und wer gegen die Rechte eines Andern
stimmt, einerlei, welches seine Religion, seine Farbe, sein Ge-
schlecht ist, der entsagt damit seinen eigenen Rechten."1)

Die Worte des großen Mannes, auf den wir als auf

1) Oeuvres completes. Paris, 1804. S. 19-21.

auf die böse Frau von Rom, wenn er den Frauen jede
Befähigung, öffentliche Ämter zu bekleiden, abspricht.

Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts erhob sich keine
Stimme zu Gunsten der Frauen. Die Troubadoure und Minne-
sänger feierten wohl das weibliche Geschlecht, aber ihre viel-
gerühmte Ritterlichkeit reichte nicht so weit, ihre „Herrinnen‟
und „Herzensköniginnen‟ als gleichberechtigte Menschen anzu-
erkennen.

Auch die Philosophie der Aufklärung des achtzehnten Jahr-
hunderts, welche so viel von den Rechten und Pflichten der
Menschheit spricht, schließt die Frauen in diesen Allgemeinbegriff
nicht mit ein. Wohl empfanden die Bahnbrecher der Revolution
die Ketten der physischen und geistigen Knechtschaft, unter denen
der größte Teil der Männer schmachtete; um wie viel tiefer noch
die Frauen erniedrigt waren, das fühlten sie nicht. Die Natur
habe der Frau die ihr mögliche Vollendung gegeben und be-
stimmt, daß sie nicht darüber hinaus sich entwickele, sagte
Montesquieu, und Rousseau erklärte, daß sie allein dem Mann
zu Gefallen geschaffen sei.

Aber eine Zeit, aus deren Schoß die Jdeen der Menschen-
rechte emporwuchsen, konnte nicht vorübergehen, ohne daß die
Jdee der Gleichberechtigung der Geschlechter an das Licht trat.
Condorcet, einer der besten Männer aller Zeiten, war es, der
sie zuerst in Worte faßte. Er sagt: „Wir halten es für eines
der natürlichen Rechte des Menschen, in gemeinschaftlichen An-
gelegenheiten entweder persönlich oder durch frei gewählte Re-
präsentanten zu stimmen. Jst es nicht in ihrer Eigenschaft als
fühlende, mit Vernunft begabte und sittlicher Jdeen fähige
Wesen, daß die Männer Rechte besitzen? Die Frauen sollten
folglich durchaus dieselben haben. Entweder hat kein individuelles
Glied der Menschheit irgend welches wirkliche Recht, oder Alle
haben das gleiche; und wer gegen die Rechte eines Andern
stimmt, einerlei, welches seine Religion, seine Farbe, sein Ge-
schlecht ist, der entsagt damit seinen eigenen Rechten.‟1)

Die Worte des großen Mannes, auf den wir als auf

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[5/0006] auf die böse Frau von Rom, wenn er den Frauen jede Befähigung, öffentliche Ämter zu bekleiden, abspricht. Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts erhob sich keine Stimme zu Gunsten der Frauen. Die Troubadoure und Minne- sänger feierten wohl das weibliche Geschlecht, aber ihre viel- gerühmte Ritterlichkeit reichte nicht so weit, ihre „Herrinnen‟ und „Herzensköniginnen‟ als gleichberechtigte Menschen anzu- erkennen. Auch die Philosophie der Aufklärung des achtzehnten Jahr- hunderts, welche so viel von den Rechten und Pflichten der Menschheit spricht, schließt die Frauen in diesen Allgemeinbegriff nicht mit ein. Wohl empfanden die Bahnbrecher der Revolution die Ketten der physischen und geistigen Knechtschaft, unter denen der größte Teil der Männer schmachtete; um wie viel tiefer noch die Frauen erniedrigt waren, das fühlten sie nicht. Die Natur habe der Frau die ihr mögliche Vollendung gegeben und be- stimmt, daß sie nicht darüber hinaus sich entwickele, sagte Montesquieu, und Rousseau erklärte, daß sie allein dem Mann zu Gefallen geschaffen sei. Aber eine Zeit, aus deren Schoß die Jdeen der Menschen- rechte emporwuchsen, konnte nicht vorübergehen, ohne daß die Jdee der Gleichberechtigung der Geschlechter an das Licht trat. Condorcet, einer der besten Männer aller Zeiten, war es, der sie zuerst in Worte faßte. Er sagt: „Wir halten es für eines der natürlichen Rechte des Menschen, in gemeinschaftlichen An- gelegenheiten entweder persönlich oder durch frei gewählte Re- präsentanten zu stimmen. Jst es nicht in ihrer Eigenschaft als fühlende, mit Vernunft begabte und sittlicher Jdeen fähige Wesen, daß die Männer Rechte besitzen? Die Frauen sollten folglich durchaus dieselben haben. Entweder hat kein individuelles Glied der Menschheit irgend welches wirkliche Recht, oder Alle haben das gleiche; und wer gegen die Rechte eines Andern stimmt, einerlei, welches seine Religion, seine Farbe, sein Ge- schlecht ist, der entsagt damit seinen eigenen Rechten.‟ 1) Die Worte des großen Mannes, auf den wir als auf 1) Oeuvres complètes. Paris, 1804. S. 19–21.

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Zitationshilfe: Gizycki, Lily von: Die Bürgerpflicht der Frau. Berlin, 1895, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gizycki_buergerpflicht_1895/6>, abgerufen am 21.11.2024.