Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].Geschrey: Viva San Marco eben so durch die Kirche nachliefen, als die Geschrey: Viva San Marco eben so durch die Kirche nachliefen, als die <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0763"/> Geschrey: Viva San Marco eben so durch die Kirche nachliefen, als die<lb/> übrigen Gesellschafften mit ihrem Spiel Werck hindurch gezogen wa-<lb/> ren. Nach Endigung dieses leidigen Gottesdiensts besahen wir die<lb/> auf dem Pallast des Doye zu dem heutigen gewöhnlichen tracta-<lb/> ment zugerichtete Tafel, wobey der Thron des Doye von rothen<lb/> Sammt sich von denen übrigen Seßeln distinguiret. Die auf<lb/> der Tafel stehende Trionfi, oder große Figuren von Zucker=Werck<lb/> stelleten allerhand Arbeiter und Bau=Leute vor, und war die<lb/> gantze invention dergestalt zusammen h<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">a</add></subst>ngend, daß alles die<lb/> Erbauung eine<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">r</add></subst> neuen Stadt vorstellen sollte. Das von Sil-<lb/> ber Werck bis an die Decke aufgeputzte bufet so wohl, als die auf<lb/> der Tafel stehenden silbernen Kühl=Keßel zu denen Wein bouteillen<lb/> waren grund altväterisch, und übel gescheuert. Ein gantzes Neben<lb/> Zimmer war mit großen Confect-Schüßeln angefüllet, deren<lb/> iedwedem Gast eine nach Hause geschicket wird. So viel Unkosten<lb/> bey solchen Gelegenheiten darauff gehen mögen, so wenig grace<lb/> und propreté ist dabey wahr zunehmen. 2.) Den 1. May<lb/> war ein <hi rendition="#u">Kirchen=Fest in der Kirche Maria dei Vergini</hi>, welche<lb/> mit dem dazu gehörigen Adelichen Nonnen=Kloster Kaysers Fri-<lb/> derici I. Tochter gestifftet hat. Der Doye, nebst der Signoria,<lb/> dem päbstl. Nuncio und dem französischen Ambassadeur ver-<lb/> fügte sich dahin zu Waßer in 2 Schiffen, welche einigermaaßen<lb/> dem bu<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">c</add></subst>entoro gleichsehen, aber keine Ruder haben, sondern<lb/> von etlichen voranrudernden peotten gezogen werden.<lb/> Die vortrefflich geschnitzt und verguldeten Gondoln gedachter beyder<lb/> ministres, deren jedweder 3 hatte, kamen etwas voraus, und<lb/> waren mit ihren respective cavaliers und abbaten besetzt. Ohn-<lb/> weit der Kirche stiege alles aus, und gieng der Zug auf eben die<lb/> Art, wie oben beym Marcus-Fest beschrieben worden, in die<lb/> Kirche hinein. Der päbstl. nuncius ging rechter, und der fran<lb/> zösische Ambassadeur lincker Hand des Do<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">g</add></subst>e. Der letzte war,<lb/> wie bey allen solchen Solennitaeten, mit einem Spanischen<lb/> Mantel-Kleide angethan, und mit einem großen runden<lb/> Feder-Huth bedecket. Der Doye saß rechter Hand des altar<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">s</add></subst><lb/> unter einem rothsammeten dais, dichte neben ihm rechter Hand<lb/> der Nuncius, und neben diesem schon bemeldeter Ambassa-<lb/> deur, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0763]
Geschrey: Viva San Marco eben so durch die Kirche nachliefen, als die
übrigen Gesellschafften mit ihrem Spiel Werck hindurch gezogen wa-
ren. Nach Endigung dieses leidigen Gottesdiensts besahen wir die
auf dem Pallast des Doye zu dem heutigen gewöhnlichen tracta-
ment zugerichtete Tafel, wobey der Thron des Doye von rothen
Sammt sich von denen übrigen Seßeln distinguiret. Die auf
der Tafel stehende Trionfi, oder große Figuren von Zucker=Werck
stelleten allerhand Arbeiter und Bau=Leute vor, und war die
gantze invention dergestalt zusammen hangend, daß alles die
Erbauung einer neuen Stadt vorstellen sollte. Das von Sil-
ber Werck bis an die Decke aufgeputzte bufet so wohl, als die auf
der Tafel stehenden silbernen Kühl=Keßel zu denen Wein bouteillen
waren grund altväterisch, und übel gescheuert. Ein gantzes Neben
Zimmer war mit großen Confect-Schüßeln angefüllet, deren
iedwedem Gast eine nach Hause geschicket wird. So viel Unkosten
bey solchen Gelegenheiten darauff gehen mögen, so wenig grace
und propreté ist dabey wahr zunehmen. 2.) Den 1. May
war ein Kirchen=Fest in der Kirche Maria dei Vergini, welche
mit dem dazu gehörigen Adelichen Nonnen=Kloster Kaysers Fri-
derici I. Tochter gestifftet hat. Der Doye, nebst der Signoria,
dem päbstl. Nuncio und dem französischen Ambassadeur ver-
fügte sich dahin zu Waßer in 2 Schiffen, welche einigermaaßen
dem bucentoro gleichsehen, aber keine Ruder haben, sondern
von etlichen voranrudernden peotten gezogen werden.
Die vortrefflich geschnitzt und verguldeten Gondoln gedachter beyder
ministres, deren jedweder 3 hatte, kamen etwas voraus, und
waren mit ihren respective cavaliers und abbaten besetzt. Ohn-
weit der Kirche stiege alles aus, und gieng der Zug auf eben die
Art, wie oben beym Marcus-Fest beschrieben worden, in die
Kirche hinein. Der päbstl. nuncius ging rechter, und der fran
zösische Ambassadeur lincker Hand des Doge. Der letzte war,
wie bey allen solchen Solennitaeten, mit einem Spanischen
Mantel-Kleide angethan, und mit einem großen runden
Feder-Huth bedecket. Der Doye saß rechter Hand des altars
unter einem rothsammeten dais, dichte neben ihm rechter Hand
der Nuncius, und neben diesem schon bemeldeter Ambassa-
deur,
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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