Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].367 Bingen wachsen. Diese weiße Kerngen stecken in denen Aepfelndieser Bäume, welche Aepfel denen Tann=Zapfen gleich, nur aber mercklich dicker, und die Blätter oder Schuppen breiter sind. Man leget einen solchen Apfel oder Zapfen auf Kohlen, oder sonst in die Wärme, da denn die Schuppen sich von einander ge- ben, und die Kerne heraus fallen. Auf der dritten Post hinter Ravenna wurden wir inne, daß der dortige Weg Post=Mei- ster uns hintergangen, und, zu Vermeidung des schlimmen Weges uns gantz von der Ferrarischen route ab= und auf dem Wege des Venetianischen Couriers immerfort geführet. Weil wir indeßen auf diese Weise von dem Kriegs Theatro, von dem wir seit Rimini nichts mehr gesehen, desto weiter entfernet wurden, und die Ruhe desto näher vor uns fahren; So ließen wir uns diese Hintergehung gefallen, konnten aber doch wegen Mangels an Pferden heute nicht weiter kommen, als nach Fornaci, welches die erste Post auf Venetianischem Grund und Boden ist, da das Nacht=quartier schlecht, und dennoch gar theuer war. Den 19ten April. Legten wir die eine Post bis Chioza früh bey guter Zeit zurück: 367 Bingen wachsen. Diese weiße Kerngen stecken in denen Aepfelndieser Bäume, welche Aepfel denen Tann=Zapfen gleich, nur aber mercklich dicker, und die Blätter oder Schuppen breiter sind. Man leget einen solchen Apfel oder Zapfen auf Kohlen, oder sonst in die Wärme, da denn die Schuppen sich von einander ge- ben, und die Kerne heraus fallen. Auf der dritten Post hinter Ravenna wurden wir inne, daß der dortige Weg Post=Mei- ster uns hintergangen, und, zu Vermeidung des schlimmen Weges uns gantz von der Ferrarischen route ab= und auf dem Wege des Venetianischen Couriers immerfort geführet. Weil wir indeßen auf diese Weise von dem Kriegs Theatro, von dem wir seit Rimini nichts mehr gesehen, desto weiter entfernet wurden, und die Ruhe desto näher vor uns fahren; So ließen wir uns diese Hintergehung gefallen, konnten aber doch wegen Mangels an Pferden heute nicht weiter kommen, als nach Fornaci, welches die erste Post auf Venetianischem Grund und Boden ist, da das Nacht=quartier schlecht, und dennoch gar theuer war. Den 19ten April. Legten wir die eine Post bis Chioza früh bey guter Zeit zurück: <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0748"/><fw type="folNum" place="top">367</fw><lb/> Bingen wachsen. Diese weiße Kerngen stecken in denen Aepfeln<lb/> dieser Bäume, welche Aepfel denen Tann=Zapfen gleich, nur aber<lb/> mercklich dicker, und die Blätter oder Schuppen breiter sind.<lb/> Man leget einen solchen Apfel oder Zapfen auf Kohlen, oder<lb/> sonst in die Wärme, da denn die Schuppen sich von einander ge-<lb/> ben, und die Kerne heraus fallen. Auf der dritten Post hinter<lb/> Ravenna wurden wir inne, daß der dortige <del rendition="#s">Weg</del> Post=Mei-<lb/> ster uns hintergangen, und, zu Vermeidung des schlimmen Weges<lb/> uns gantz von der Ferrarischen route ab= und auf dem Wege<lb/> des Venetianischen Couriers immerfort geführet. Weil wir<lb/> indeßen auf diese Weise von dem Kriegs Theatro, von dem<lb/> wir seit Rimini nichts mehr gesehen, desto weiter entfernet<lb/> wurden, und die Ruhe desto näher vor uns fahren; So ließen<lb/> wir uns diese Hintergehung gefallen, konnten aber doch<lb/> wegen Mangels an Pferden heute nicht weiter kommen, als<lb/> nach <hi rendition="#u">Fornaci</hi>, welches die erste Post auf Venetianischem<lb/> Grund und Boden ist, da das Nacht=quartier schlecht,<lb/> und dennoch gar theuer war.</p><lb/> </div> <div type="diaryEntry"> <head rendition="#c"> Den 19<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">ten</hi></hi> April.</head><lb/> <p> Legten wir die eine Post bis <hi rendition="#u">Chioza</hi> früh bey guter Zeit zurück:<lb/> Der Weg von Ravenna bis Chioza gehet gröstenteils durch einem<lb/> gantz seichten mit Buschwerck und Binsen bewachsenen, auch mit<lb/> großen stehenden Lagunen angefülleten Land=Strich, und ist<lb/> bey Regen=Wetter schwer zu passiren. Wo aber die Veneti-<lb/> anische Gräntze angehet, da ist alles beßer nutzbar gemacht,<lb/> und das Land mit canaelen zum Anbau durchschnitten, auch<lb/> an Wein und Garten=Gewächs kein Mangel. Sonst sind auf<lb/> eben dieser route die Ausgüße verschiedener Aerme vom<lb/> Po und andern Flüßen in die See, dermaaßen häufig, daß<lb/> man auf iedweder Post wenigstens einmal mit barquen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0748]
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Bingen wachsen. Diese weiße Kerngen stecken in denen Aepfeln
dieser Bäume, welche Aepfel denen Tann=Zapfen gleich, nur aber
mercklich dicker, und die Blätter oder Schuppen breiter sind.
Man leget einen solchen Apfel oder Zapfen auf Kohlen, oder
sonst in die Wärme, da denn die Schuppen sich von einander ge-
ben, und die Kerne heraus fallen. Auf der dritten Post hinter
Ravenna wurden wir inne, daß der dortige Post=Mei-
ster uns hintergangen, und, zu Vermeidung des schlimmen Weges
uns gantz von der Ferrarischen route ab= und auf dem Wege
des Venetianischen Couriers immerfort geführet. Weil wir
indeßen auf diese Weise von dem Kriegs Theatro, von dem
wir seit Rimini nichts mehr gesehen, desto weiter entfernet
wurden, und die Ruhe desto näher vor uns fahren; So ließen
wir uns diese Hintergehung gefallen, konnten aber doch
wegen Mangels an Pferden heute nicht weiter kommen, als
nach Fornaci, welches die erste Post auf Venetianischem
Grund und Boden ist, da das Nacht=quartier schlecht,
und dennoch gar theuer war.
Den 19ten April.
Legten wir die eine Post bis Chioza früh bey guter Zeit zurück:
Der Weg von Ravenna bis Chioza gehet gröstenteils durch einem
gantz seichten mit Buschwerck und Binsen bewachsenen, auch mit
großen stehenden Lagunen angefülleten Land=Strich, und ist
bey Regen=Wetter schwer zu passiren. Wo aber die Veneti-
anische Gräntze angehet, da ist alles beßer nutzbar gemacht,
und das Land mit canaelen zum Anbau durchschnitten, auch
an Wein und Garten=Gewächs kein Mangel. Sonst sind auf
eben dieser route die Ausgüße verschiedener Aerme vom
Po und andern Flüßen in die See, dermaaßen häufig, daß
man auf iedweder Post wenigstens einmal mit barquen
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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