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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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wenn man erweget, wie es möglich gewesen, der abgeschmackten historie
von denn transport der sogenannten Casa Santa aus Nazareth nach Dal-
matien, und von da nach Italien einen solchen Credit zuwege zu bringen,
daß die gantze catholische Christenheit dadurch in eine so freywillige, als schwe-
re contribution gesetzet werden können: Zumal unstreitig ist, daß, wenn
man die ietzt bey denen Päbstlern fest gesetzte Zeit=Rechnung von diesem Wunder-
glauben soll, die H. Hütte schon viele Jahre in Italien gewesen, als catho-
lische Scribenten selbst solche noch in Nazareth gesuchet, und gefunden zu haben
sich eingebildet. Doch genug von diesem uns gewiß zu sehen recht nützlich ge-
wesenem Spectacul. Wir wurden übrigens nicht nur von den Bettlern, son-
dern auch von denen Krämern, welche mit geistl. galanterien handeln, und
den größten Theil des Städtgens ausmachen, gewaltig geplaget. Unter die-
sen galanterien waren gewiße gantz neuerlich erfundene, mit Gold und
Silber gestickte Nadel=Küßen. Deren Füllung bestund aus dem Puder und
Klayen, welche [unleserliches Material]zu accomodirung der Madonna ihrer Haar=Tour
gebrauchet, und von Zeit zu Zeit wieder heraus gekemmet werden:
Ein Fleckgen schwartzer Flohr von dem Trauer=Schleyer, welcher ihr in der Marter
Woche übergehenget wird, war auch daran geknüpft, beydes aber mit dem Sie-
gel der über die garde robe gesetzten Geistlichkeit, als veritable authentifiret.
In unserm Quartier wurden wir mit dem gleichfals da logirenden Spanischen
General-Lieutenant, Duca di Gravina bekannt, der von der Spanischen
armee, devotion halber, hieher kommen war, und zu Rimini im Haupt-
quartier uns bey dem Hertzog von Montemar zu praesentiren ver
sprach. Wir rückten heute noch fort bis Ancona. Der Weg dahin gehet et-
was von der See ab, durch ein gantz angenehmes meist ebenes Land.
Ancona lieget an und zwischen 2 Bergen, auf deren einem das Castel, und
auf dem andern der Dom stehet. Sie ist eben nicht klein, und noch passable
erbauet, auch ziemlich, iedoch bey weitem, nicht so peupliret, als es nach
Beschaffenheit des Hafens und der schönen Lage sein könnte. Die
vornehmsten Merckwürdigkeiten sind 1.) die Börse, von deren balcon
man die vortrefflichste Aussicht über den gantzen Hafen hat. 2.) Der alt
Römische Triumphs-Bogen, von weiß=blaulichten marmor, mit 4 cane-
lirten Säulen auf iedweder Seite gezieret. Er stehet an dem Hafen zu
Anfang des Molo, und hat nur einen Durchgang, ist aber, wie die daran
noch vorhandenen inscriptiones zeigen, dem Kayser Trajano, seiner
Gemahlin Plotinae und seiner Schwester Mar[unleserliches Material]cian[unleserliches Material]a deswegen ge-
setzet worden, weil ietzt benannter Kayser den hiesigen Hafen aus
seinen eigenen Mitteln erbauet. Von denen Festonen und andern
Ornamenten von bronce, welche an diesem Bogen geseßen, siehet

wenn man erweget, wie es möglich gewesen, der abgeschmackten historie
von denn transport der sogenannten Casa Santa aus Nazareth nach Dal-
matien, und von da nach Italien einen solchen Credit zuwege zu bringen,
daß die gantze catholische Christenheit dadurch in eine so freywillige, als schwe-
re contribution gesetzet werden können: Zumal unstreitig ist, daß, wenn
man die ietzt bey denen Päbstlern fest gesetzte Zeit=Rechnung von diesem Wunder-
glauben soll, die H. Hütte schon viele Jahre in Italien gewesen, als catho-
lische Scribenten selbst solche noch in Nazareth gesuchet, und gefunden zu haben
sich eingebildet. Doch genug von diesem uns gewiß zu sehen recht nützlich ge-
wesenem Spectacul. Wir wurden übrigens nicht nur von den Bettlern, son-
dern auch von denen Krämern, welche mit geistl. galanterien handeln, und
den größten Theil des Städtgens ausmachen, gewaltig geplaget. Unter die-
sen galanterien waren gewiße gantz neuerlich erfundene, mit Gold und
Silber gestickte Nadel=Küßen. Deren Füllung bestund aus dem Puder und
Klayen, welche [unleserliches Material]zu accomodirung der Madonna ihrer Haar=Tour
gebrauchet, und von Zeit zu Zeit wieder heraus gekemmet werden:
Ein Fleckgen schwartzer Flohr von dem Trauer=Schleyer, welcher ihr in der Marter
Woche übergehenget wird, war auch daran geknüpft, beydes aber mit dem Sie-
gel der über die garde robe gesetzten Geistlichkeit, als veritable authentifiret.
In unserm Quartier wurden wir mit dem gleichfals da logirenden Spanischen
General-Lieutenant, Duca di Gravina bekannt, der von der Spanischen
armée, devotion halber, hieher kommen war, und zu Rimini im Haupt-
quartier uns bey dem Hertzog von Montemar zu praesentiren ver
sprach. Wir rückten heute noch fort bis Ancona. Der Weg dahin gehet et-
was von der See ab, durch ein gantz angenehmes meist ebenes Land.
Ancona lieget an und zwischen 2 Bergen, auf deren einem das Castel, und
auf dem andern der Dom stehet. Sie ist eben nicht klein, und noch passable
erbauet, auch ziemlich, iedoch bey weitem, nicht so peupliret, als es nach
Beschaffenheit des Hafens und der schönen Lage sein könnte. Die
vornehmsten Merckwürdigkeiten sind 1.) die Börse, von deren balcon
man die vortrefflichste Aussicht über den gantzen Hafen hat. 2.) Der alt
Römische Triumphs-Bogen, von weiß=blaulichten marmor, mit 4 cane-
lirten Säulen auf iedweder Seite gezieret. Er stehet an dem Hafen zu
Anfang des Molo, und hat nur einen Durchgang, ist aber, wie die daran
noch vorhandenen inscriptiones zeigen, dem Kayser Trajano, seiner
Gemahlin Plotinae und seiner Schwester Mar[unleserliches Material]cian[unleserliches Material]a deswegen ge-
setzet worden, weil ietzt benannter Kayser den hiesigen Hafen aus
seinen eigenen Mitteln erbauet. Von denen Festonen und andern
Ornamenten von bronce, welche an diesem Bogen geseßen, siehet

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[0739] wenn man erweget, wie es möglich gewesen, der abgeschmackten historie von denn transport der sogenannten Casa Santa aus Nazareth nach Dal- matien, und von da nach Italien einen solchen Credit zuwege zu bringen, daß die gantze catholische Christenheit dadurch in eine so freywillige, als schwe- re contribution gesetzet werden können: Zumal unstreitig ist, daß, wenn man die ietzt bey denen Päbstlern fest gesetzte Zeit=Rechnung von diesem Wunder- glauben soll, die H. Hütte schon viele Jahre in Italien gewesen, als catho- lische Scribenten selbst solche noch in Nazareth gesuchet, und gefunden zu haben sich eingebildet. Doch genug von diesem uns gewiß zu sehen recht nützlich ge- wesenem Spectacul. Wir wurden übrigens nicht nur von den Bettlern, son- dern auch von denen Krämern, welche mit geistl. galanterien handeln, und den größten Theil des Städtgens ausmachen, gewaltig geplaget. Unter die- sen galanterien waren gewiße gantz neuerlich erfundene, mit Gold und Silber gestickte Nadel=Küßen. Deren Füllung bestund aus dem Puder und Klayen, welche zu accomodirung der Madonna ihrer Haar=Tour gebrauchet, und von Zeit zu Zeit wieder heraus gekemmet werden: Ein Fleckgen schwartzer Flohr von dem Trauer=Schleyer, welcher ihr in der Marter Woche übergehenget wird, war auch daran geknüpft, beydes aber mit dem Sie- gel der über die garde robe gesetzten Geistlichkeit, als veritable authentifiret. In unserm Quartier wurden wir mit dem gleichfals da logirenden Spanischen General-Lieutenant, Duca di Gravina bekannt, der von der Spanischen armée, devotion halber, hieher kommen war, und zu Rimini im Haupt- quartier uns bey dem Hertzog von Montemar zu praesentiren ver sprach. Wir rückten heute noch fort bis Ancona. Der Weg dahin gehet et- was von der See ab, durch ein gantz angenehmes meist ebenes Land. Ancona lieget an und zwischen 2 Bergen, auf deren einem das Castel, und auf dem andern der Dom stehet. Sie ist eben nicht klein, und noch passable erbauet, auch ziemlich, iedoch bey weitem, nicht so peupliret, als es nach Beschaffenheit des Hafens und der schönen Lage sein könnte. Die vornehmsten Merckwürdigkeiten sind 1.) die Börse, von deren balcon man die vortrefflichste Aussicht über den gantzen Hafen hat. 2.) Der alt Römische Triumphs-Bogen, von weiß=blaulichten marmor, mit 4 cane- lirten Säulen auf iedweder Seite gezieret. Er stehet an dem Hafen zu Anfang des Molo, und hat nur einen Durchgang, ist aber, wie die daran noch vorhandenen inscriptiones zeigen, dem Kayser Trajano, seiner Gemahlin Plotinae und seiner Schwester Marciana deswegen ge- setzet worden, weil ietzt benannter Kayser den hiesigen Hafen aus seinen eigenen Mitteln erbauet. Von denen Festonen und andern Ornamenten von bronce, welche an diesem Bogen geseßen, siehet

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/739>, abgerufen am 25.11.2024.