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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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vorbey passiret, sey der Esel, seiner Gewohnheit nach,
unter die Waßer-Röhre stehen blieben, in Meinung
er habe sein ordentliches Waßer-Gefäß auf dem
Rücken, wodurch denn der praelat um so vielmehr gantz
und gar übergoßen und durchfeuchtet worden; weil
das capricieuse Thier nicht eher aus der Stelle zu
bringen gewesen, bis es seine völlige Waßer-Ladung
zu haben sich eingebildet. Diesmal kam also der Pabst
in der porte-chaise mit der ordinairen Suite, und
iedweder Cardinal mit seinen Wägen besonders. Nach
geendeter Meße, welcher der Pabst, auf seinem Thron
gewöhnlicher maßen beywohnete, wurden die in ei-
nem besondern mit Tapeten verhengten quartier
der Kirche bereits versamlete Mägdgens paar bey paar
in den Schrancken, wo der Pabst mit denen Cardinälen
saß, hinein geführet. 12 bis 16 paar hatten iedesmal
2 Marschälle in schwartzen Mänteln, iedoch ohne
Stäbe, vor sich her gehen. Sie sind alle in einen
weißen wollenen Zeug uniform gekleidet, und haben
darüber einen weißen Schleyer, der von unten
den Hals und Mund, von oben aber die Stirn be-
decket, welche Kleidung ihnen aus dieser Stifftung
selbst mit verehret wird. Die Nonnen werden wollen,
distinguiren sich darinn von denen übrigen, daß
sie Cronen von bunten Wachs-Blumen u. anderm
Flitter-Werck auf dem Kopf, u. ein braunes höltzernes
Creutz vor die Brust stecken. Dieser letztern, welche
den gantzen Zug beschloßen, waren dismal nur
27. Ein paar Mägdgens nach dem andern fielen vor
dem Päbstln Thron auf die Knie, küßeten die unterste
Stufe de[unleserliches Material]sselben, und empfing iedwede einen weißen
Beutel mit dem darinn steckenden Banco-Zettel von
50, die Nonnen aber von 80 Scudi. Es geschiehet diese

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vorbey passiret, sey der Esel, seiner Gewohnheit nach,
unter die Waßer-Röhre stehen blieben, in Meinung
er habe sein ordentliches Waßer-Gefäß auf dem
Rücken, wodurch denn der praelat um so vielmehr gantz
und gar übergoßen und durchfeuchtet worden; weil
das capricieuse Thier nicht eher aus der Stelle zu
bringen gewesen, bis es seine völlige Waßer-Ladung
zu haben sich eingebildet. Diesmal kam also der Pabst
in der porte-chaise mit der ordinairen Suite, und
iedweder Cardinal mit seinen Wägen besonders. Nach
geendeter Meße, welcher der Pabst, auf seinem Thron
gewöhnlicher maßen beywohnete, wurden die in ei-
nem besondern mit Tapeten verhengten quartier
der Kirche bereits versamlete Mägdgens paar bey paar
in den Schrancken, wo der Pabst mit denen Cardinälen
saß, hinein geführet. 12 bis 16 paar hatten iedesmal
2 Marschälle in schwartzen Mänteln, iedoch ohne
Stäbe, vor sich her gehen. Sie sind alle in einen
weißen wollenen Zeug uniform gekleidet, und haben
darüber einen weißen Schleyer, der von unten
den Hals und Mund, von oben aber die Stirn be-
decket, welche Kleidung ihnen aus dieser Stifftung
selbst mit verehret wird. Die Nonnen werden wollen,
distinguiren sich darinn von denen übrigen, daß
sie Cronen von bunten Wachs-Blumen u. anderm
Flitter-Werck auf dem Kopf, u. ein braunes höltzernes
Creutz vor die Brust stecken. Dieser letztern, welche
den gantzen Zug beschloßen, waren dismal nur
27. Ein paar Mägdgens nach dem andern fielen vor
dem Päbstln Thron auf die Knie, küßeten die unterste
Stufe de[unleserliches Material]sselben, und empfing iedwede einen weißen
Beutel mit dem darinn steckenden Banco-Zettel von
50, die Nonnen aber von 80 Scudi. Es geschiehet diese

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[0724] 355 vorbey passiret, sey der Esel, seiner Gewohnheit nach, unter die Waßer-Röhre stehen blieben, in Meinung er habe sein ordentliches Waßer-Gefäß auf dem Rücken, wodurch denn der praelat um so vielmehr gantz und gar übergoßen und durchfeuchtet worden; weil das capricieuse Thier nicht eher aus der Stelle zu bringen gewesen, bis es seine völlige Waßer-Ladung zu haben sich eingebildet. Diesmal kam also der Pabst in der porte-chaise mit der ordinairen Suite, und iedweder Cardinal mit seinen Wägen besonders. Nach geendeter Meße, welcher der Pabst, auf seinem Thron gewöhnlicher maßen beywohnete, wurden die in ei- nem besondern mit Tapeten verhengten quartier der Kirche bereits versamlete Mägdgens paar bey paar in den Schrancken, wo der Pabst mit denen Cardinälen saß, hinein geführet. 12 bis 16 paar hatten iedesmal 2 Marschälle in schwartzen Mänteln, iedoch ohne Stäbe, vor sich her gehen. Sie sind alle in einen weißen wollenen Zeug uniform gekleidet, und haben darüber einen weißen Schleyer, der von unten den Hals und Mund, von oben aber die Stirn be- decket, welche Kleidung ihnen aus dieser Stifftung selbst mit verehret wird. Die Nonnen werden wollen, distinguiren sich darinn von denen übrigen, daß sie Cronen von bunten Wachs-Blumen u. anderm Flitter-Werck auf dem Kopf, u. ein braunes höltzernes Creutz vor die Brust stecken. Dieser letztern, welche den gantzen Zug beschloßen, waren dismal nur 27. Ein paar Mägdgens nach dem andern fielen vor dem Päbstln Thron auf die Knie, küßeten die unterste Stufe desselben, und empfing iedwede einen weißen Beutel mit dem darinn steckenden Banco-Zettel von 50, die Nonnen aber von 80 Scudi. Es geschiehet diese

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/724>, abgerufen am 17.09.2024.