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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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eine Schrifft auf schwartzen Marmor, rechter Hand nicht allzu weit
von der Kirch-Thüre, in welcher dieser Bajazeth Turcarum Tyrannus
genennet wird, man siehet aber gar eigentlich, daß es vorher
Imperator geheißen. Ob aber das teutsche Reich, catholischen
Theils, sich gegen diesen Speer nicht moviren solte, da durch
denselben die Hauptreliquie derer Crönungs-Insignien gleich-
sam abgesetzet worden, solches wäre allenfals, und wenn
es der Mühe verlohnte, eine quaestio iuris publici.

Char-Freytag.

Gleichwie die Römer ihren Christum gestern begraben; also
begruben die Päbstl: gesinnten Grichen den ihrigen allererst
heute. Es war in ihrer Kirchen eine Art des parade Bettes,
iedoch nicht splendide aufgerichtet. Auf dieser machine lag
eine Statue, welche den Leichnam unsers Heylandes in Le-
bens Größe vorstellete. Zu denen Füßen der Statue saß
der Grichische Bischof mit einem rothen Meß-Gewand
und einer runden hohen Mütze, den Bischofs-Stab in der
Hand haltend, welcher iedoch oben nicht gekrümmet, sondern
en bequille zu gerichtet war. Neben dem Bischof saßen
etliche ihm assistirende Priester, und zu beyden Seiten
des parade Bettes die jungen Grichen, welche in dem
Collegio dieser Kirche erzogen werden. Oben zu Ende
der beyden langen Seiten waren Pulpete gesetzet, vor
Liturgie Trauer-und Klage-Lieder absungen. Die Haupt-
Ceremonie aber bestund darinn, daß der Bischof die obgedachte
Statue etlichemal umräucherte, endlich aber, nach vorher
an seine Stirn und Brust gemachten sehr vielen + ,
denselben die Füße küßete, worinn alle übrigen Geistln u. jungen
Leute ihm mit gleicher Ceremonie nachfolgeten. Die in
ziemlicher Anzahl zuschauenden Römer waren dabey
gar nicht devot, sondern lacheten über die gantze Anstalt
nicht wenig, ohne zu bedencken, daß ein Theil dem andern
disfals gewiß nichts vorzuwerffen habe.

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eine Schrifft auf schwartzen Marmor, rechter Hand nicht allzu weit
von der Kirch-Thüre, in welcher dieser Bajazeth Turcarum Tyrannus
genennet wird, man siehet aber gar eigentlich, daß es vorher
Imperator geheißen. Ob aber das teutsche Reich, catholischen
Theils, sich gegen diesen Speer nicht moviren solte, da durch
denselben die Hauptreliquie derer Crönungs-Insignien gleich-
sam abgesetzet worden, solches wäre allenfals, und wenn
es der Mühe verlohnte, eine quaestio iuris publici.

Char-Freytag.

Gleichwie die Römer ihren Christum gestern begraben; also
begruben die Päbstl: gesinnten Grichen den ihrigen allererst
heute. Es war in ihrer Kirchen eine Art des parade Bettes,
iedoch nicht splendide aufgerichtet. Auf dieser machine lag
eine Statue, welche den Leichnam unsers Heylandes in Le-
bens Größe vorstellete. Zu denen Füßen der Statue saß
der Grichische Bischof mit einem rothen Meß-Gewand
und einer runden hohen Mütze, den Bischofs-Stab in der
Hand haltend, welcher iedoch oben nicht gekrümmet, sondern
en bequille zu gerichtet war. Neben dem Bischof saßen
etliche ihm assistirende Priester, und zu beyden Seiten
des parade Bettes die jungen Grichen, welche in dem
Collegio dieser Kirche erzogen werden. Oben zu Ende
der beyden langen Seiten waren Pulpete gesetzet, vor
Liturgie Trauer-und Klage-Lieder absungen. Die Haupt-
Ceremonie aber bestund darinn, daß der Bischof die obgedachte
Statue etlichemal umräucherte, endlich aber, nach vorher
an seine Stirn und Brust gemachten sehr vielen † ,
denselben die Füße küßete, worinn alle übrigen Geistln u. jungen
Leute ihm mit gleicher Ceremonie nachfolgeten. Die in
ziemlicher Anzahl zuschauenden Römer waren dabey
gar nicht devot, sondern lacheten über die gantze Anstalt
nicht wenig, ohne zu bedencken, daß ein Theil dem andern
disfals gewiß nichts vorzuwerffen habe.

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[0716] 351 eine Schrifft auf schwartzen Marmor, rechter Hand nicht allzu weit von der Kirch-Thüre, in welcher dieser Bajazeth Turcarum Tyrannus genennet wird, man siehet aber gar eigentlich, daß es vorher Imperator geheißen. Ob aber das teutsche Reich, catholischen Theils, sich gegen diesen Speer nicht moviren solte, da durch denselben die Hauptreliquie derer Crönungs-Insignien gleich- sam abgesetzet worden, solches wäre allenfals, und wenn es der Mühe verlohnte, eine quaestio iuris publici. Char-Freytag. Gleichwie die Römer ihren Christum gestern begraben; also begruben die Päbstl: gesinnten Grichen den ihrigen allererst heute. Es war in ihrer Kirchen eine Art des parade Bettes, iedoch nicht splendide aufgerichtet. Auf dieser machine lag eine Statue, welche den Leichnam unsers Heylandes in Le- bens Größe vorstellete. Zu denen Füßen der Statue saß der Grichische Bischof mit einem rothen Meß-Gewand und einer runden hohen Mütze, den Bischofs-Stab in der Hand haltend, welcher iedoch oben nicht gekrümmet, sondern en bequille zu gerichtet war. Neben dem Bischof saßen etliche ihm assistirende Priester, und zu beyden Seiten des parade Bettes die jungen Grichen, welche in dem Collegio dieser Kirche erzogen werden. Oben zu Ende der beyden langen Seiten waren Pulpete gesetzet, vor Liturgie Trauer-und Klage-Lieder absungen. Die Haupt- Ceremonie aber bestund darinn, daß der Bischof die obgedachte Statue etlichemal umräucherte, endlich aber, nach vorher an seine Stirn und Brust gemachten sehr vielen † , denselben die Füße küßete, worinn alle übrigen Geistln u. jungen Leute ihm mit gleicher Ceremonie nachfolgeten. Die in ziemlicher Anzahl zuschauenden Römer waren dabey gar nicht devot, sondern lacheten über die gantze Anstalt nicht wenig, ohne zu bedencken, daß ein Theil dem andern disfals gewiß nichts vorzuwerffen habe.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/716>, abgerufen am 17.09.2024.