Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].346 der Capelle selbst, als auch sonst gelegentlich, und zwar beylauter Geistlichen, nach der Bedeutung dieser Lichter- und Klopf-ceremonien erkundiget, und wollen den empfangenen Unterricht hieher setzen. Der besondere Leuchter mit 15 Kertzen bedeutet die H. Dreyfaltigkeit. Das Auslöschen bedeutet, daß die Juden durch die Creutzigung Christi diesen Haupt ar- ticul des christl:n Glaubens verworffen. Nach der wenigstens etwas schicklichern Meinung eines andern, bedeuten die 15 Kertzen die Jünger Christi, das allmählige Auslöschen der- selben aber stellet vor, wie sie ihren Meister in seinem Leiden immer einer nach dem andern verlaßen. Als wir auch bey dieser Deutung wegen der Zahl 15 Zweifel mercken ließen, meinte der Ausleger, die 3 Marien wür- den mit unter der Zahl begriffen seyn, und bey noch andern ihm gemachten Einwürffen, hieß es endlich, es sey nicht nötig, daß eine solche ceremonie in allen Umständen, mit dem, was sie vorstellen solle, so gar genau überein komme. Noch ein andrer Praelat gestund offenhertzig, daß ihm die Ursache der Zahl 15 nicht bekannt sey, das Auslöschen aber bedeute, seines Erachtens, die geistl:e Finsterniß, welche durch Verwerffung des Welt-Heylandes über die Juden gekommen. Das Auslöschen der Lichter auf dem Altar u. auf dem Gitter, und das Geklapper wolte uns Niemand erklären, und als wir selbst an die Hand gaben, ob nicht dadurch die bey dem Leiden Christi eingefallene Finsterniß und das Erd- beben angezeiget w[unleserliches Material]erden könte, wurde solches zwar appro- biret, ein Praelat aber meinte doch, das Geklapper zeige vielmehr ein Erstaunen und gleichsam eine Confusion an, welche bey Betrachtung des Leidens Christi in dem menschlichen Gemüte entstehen müße. Wüste man es nicht ohnedem, so könten diese angeführten Deutungen einen vollkommenen Beweiß geben, was dergl: Symbolische Dinge zur Lehre und zum Unterricht eines Menschen auch nur in bloß Historischen Warheiten vor einen schlechten Nutzen geben. 346 der Capelle selbst, als auch sonst gelegentlich, und zwar beylauter Geistlichen, nach der Bedeutung dieser Lichter- und Klopf-ceremonien erkundiget, und wollen den empfangenen Unterricht hieher setzen. Der besondere Leuchter mit 15 Kertzen bedeutet die H. Dreyfaltigkeit. Das Auslöschen bedeutet, daß die Juden durch die Creutzigung Christi diesen Haupt ar- ticul des christl:n Glaubens verworffen. Nach der wenigstens etwas schicklichern Meinung eines andern, bedeuten die 15 Kertzen die Jünger Christi, das allmählige Auslöschen der- selben aber stellet vor, wie sie ihren Meister in seinem Leiden immer einer nach dem andern verlaßen. Als wir auch bey dieser Deutung wegen der Zahl 15 Zweifel mercken ließen, meinte der Ausleger, die 3 Marien wür- den mit unter der Zahl begriffen seyn, und bey noch andern ihm gemachten Einwürffen, hieß es endlich, es sey nicht nötig, daß eine solche ceremonie in allen Umständen, mit dem, was sie vorstellen solle, so gar genau überein komme. Noch ein andrer Praelat gestund offenhertzig, daß ihm die Ursache der Zahl 15 nicht bekannt sey, das Auslöschen aber bedeute, seines Erachtens, die geistl:e Finsterniß, welche durch Verwerffung des Welt-Heylandes über die Juden gekommen. Das Auslöschen der Lichter auf dem Altar u. auf dem Gitter, und das Geklapper wolte uns Niemand erklären, und als wir selbst an die Hand gaben, ob nicht dadurch die bey dem Leiden Christi eingefallene Finsterniß und das Erd- beben angezeiget w[unleserliches Material]erden könte, wurde solches zwar appro- biret, ein Praelat aber meinte doch, das Geklapper zeige vielmehr ein Erstaunen und gleichsam eine Confusion an, welche bey Betrachtung des Leidens Christi in dem menschlichen Gemüte entstehen müße. Wüste man es nicht ohnedem, so könten diese angeführten Deutungen einen vollkommenen Beweiß geben, was dergl: Symbolische Dinge zur Lehre und zum Unterricht eines Menschen auch nur in bloß Historischen Warheiten vor einen schlechten Nutzen geben. <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0706"/><fw type="folNum" place="top">346</fw><lb/> der Capelle selbst, als auch sonst gelegentlich, und zwar bey<lb/> lauter Geistlichen, nach der Bedeutung dieser Lichter- und<lb/> Klopf-ceremonien erkundiget, und wollen den empfangenen<lb/> Unterricht hieher setzen. <hi rendition="#u">Der besondere Leuchter mit<lb/> 15 Kertzen</hi> bedeutet die H. Dreyfaltigkeit. Das Auslöschen bedeutet,<lb/> daß die Juden durch die Creutzigung Christi diesen Haupt ar-<lb/> ticul des christl:<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">n</hi></hi> Glaubens verworffen. 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der Capelle selbst, als auch sonst gelegentlich, und zwar bey
lauter Geistlichen, nach der Bedeutung dieser Lichter- und
Klopf-ceremonien erkundiget, und wollen den empfangenen
Unterricht hieher setzen. Der besondere Leuchter mit
15 Kertzen bedeutet die H. Dreyfaltigkeit. Das Auslöschen bedeutet,
daß die Juden durch die Creutzigung Christi diesen Haupt ar-
ticul des christl:n Glaubens verworffen. Nach der wenigstens
etwas schicklichern Meinung eines andern, bedeuten die
15 Kertzen die Jünger Christi, das allmählige Auslöschen der-
selben aber stellet vor, wie sie ihren Meister in seinem
Leiden immer einer nach dem andern verlaßen. Als wir
auch bey dieser Deutung wegen der Zahl 15 Zweifel
mercken ließen, meinte der Ausleger, die 3 Marien wür-
den mit unter der Zahl begriffen seyn, und bey noch andern
ihm gemachten Einwürffen, hieß es endlich, es sey nicht
nötig, daß eine solche ceremonie in allen Umständen, mit
dem, was sie vorstellen solle, so gar genau überein komme.
Noch ein andrer Praelat gestund offenhertzig, daß ihm die
Ursache der Zahl 15 nicht bekannt sey, das Auslöschen aber
bedeute, seines Erachtens, die geistl:e Finsterniß, welche durch
Verwerffung des Welt-Heylandes über die Juden gekommen.
Das Auslöschen der Lichter auf dem Altar u. auf dem Gitter,
und das Geklapper wolte uns Niemand erklären, und
als wir selbst an die Hand gaben, ob nicht dadurch die bey
dem Leiden Christi eingefallene Finsterniß und das Erd-
beben angezeiget werden könte, wurde solches zwar appro-
biret, ein Praelat aber meinte doch, das Geklapper zeige
vielmehr ein Erstaunen und gleichsam eine Confusion
an, welche bey Betrachtung des Leidens Christi in dem
menschlichen Gemüte entstehen müße. Wüste man
es nicht ohnedem, so könten diese angeführten Deutungen
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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