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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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aber auferleget worden, auf 6 Wochen keine Opera zu besuchen
von welcher Strafe ihn doch, wie die Rede gehet, auf sein Ansuchen
der Hof wider dispensiret hat. Weil sich nun bey diesem casu über
die Beschaffenheit der hiesigen Moral und Justitz, mancherley
Reflexiones machen laßen, so hat man diese zum Journal
sonst eben nicht qualificirte Geschichte, mit beyfügen wollen.

Den 6 December

Machten wir dem König, und der Königin, unser Cour in Ver-
sailles
. Weil aber der König gestrigen Tages, des Regens ohn-
geachtet, einen Hirsch bis in die Seine forciret, und daselbst
erleget hat, folglich sehr fatiguiret war, musten wir a la
Sale des Ambassadeurs, mit denen Gesandten, bis halb 12
Uhr auf des Leve des Königs warten, musten wir da
man sich dann mit mancherley Discoursen unterhielt. Unter
andern wurde dem Holländischen Gesandten Schuld gegeben,
daß er einen gewißen verstorbenen Cure an dem Ort,
wo er eine Land-Haus gemiethet, so besonders lieb gehabt, und
ihn bekehren wollen, dergleichen denn der Cure, aus reciproquer
Liebe, von seiner Seite wider intendiret habe. Der Am-
bassadeur
läugnete diese seine Absicht, mit beigefügter
Ursache, daß dergleichen sogenannte Bekehrungen, Gottes Werck
wären, eben so, wie es Gottes-Werck sey, daß so viele
unterschiedlichee christliche Relegiones sich in der Welt befänden
denn da alle Christen einerley Vernunft und einerley Biebel
und doch differente Sentimens hätten, so könne man nicht
anders glauben, Gott müße gantz besondre Ursachen haben
den Unterschied der Einsichten auf der Welt zu dulten, worin
man ihm also auch keinen Eingriff thun müße. Indeßen
sey doch la charite, la bonte et la justice der Haupt-Fond
von allen christlichen Religionen, und könne man also einen
frembden Glaubens-Verwandten vollkommen lieb haben,
wenn man gleich von der sogenannten Bekehrung eines
solchen guten Freundes, abstrahire. Über welchen Discours
nach denen unterschiedlichen Begriffen und Einsichten, eines
ieden Anwesenden, noch mancherley disputiret wurde. Der
Introducteur des Ambassadeuts Monsieur Sainctot erzehlte, daß
die jüngste von denen Mesdames de France, Adelfri[unleserliches Material]d genannt
gantz excessiv viel Fleisch eßen könne, wie sie den Zum Exempel einmal
4 Hüner Flügel, ein andermal 2 dergleichen Flügel und 1 Rebhuhn

aber auferleget worden, auf 6 Wochen keine Opera zu besuchen
von welcher Strafe ihn doch, wie die Rede gehet, auf sein Ansuchen
der Hof wider dispensiret hat. Weil sich nun bey diesem casu über
die Beschaffenheit der hiesigen Moral und Justitz, mancherley
Reflexiones machen laßen, so hat man diese zum Journal
sonst eben nicht qualificirte Geschichte, mit beyfügen wollen.

Den 6 December

Machten wir dem König, und der Königin, unser Cour in Ver-
sailles
. Weil aber der König gestrigen Tages, des Regens ohn-
geachtet, einen Hirsch bis in die Seine forciret, und daselbst
erleget hat, folglich sehr fatiguiret war, musten wir à la
Sale des Ambassadeurs, mit denen Gesandten, bis halb 12
Uhr auf des Levé des Königs warten, musten wir da
man sich dann mit mancherley Discoursen unterhielt. Unter
andern wurde dem Holländischen Gesandten Schuld gegeben,
daß er einen gewißen verstorbenen Curé an dem Ort,
wo er eine Land-Haus gemiethet, so besonders lieb gehabt, und
ihn bekehren wollen, dergleichen denn der Curé, aus reciproquer
Liebe, von seiner Seite wider intendiret habe. Der Am-
bassadeur
läugnete diese seine Absicht, mit beigefügter
Ursache, daß dergleichen sogenannte Bekehrungen, Gottes Werck
wären, eben so, wie es Gottes-Werck sey, daß so viele
unterschiedlichee christliche Relègiones sich in der Welt befänden
denn da alle Christen einerley Vernunft und einerley Biebel
und doch differente Sentimens hätten, so könne man nicht
anders glauben, Gott müße gantz besondre Ursachen haben
den Unterschied der Einsichten auf der Welt zu dulten, worin
man ihm also auch keinen Eingriff thun müße. Indeßen
sey doch la charité, la bonté et la justice der Haupt-Fond
von allen christlichen Religionen, und könne man also einen
frembden Glaubens-Verwandten vollkommen lieb haben,
wenn man gleich von der sogenannten Bekehrung eines
solchen guten Freundes, abstrahire. Über welchen Discours
nach denen unterschiedlichen Begriffen und Einsichten, eines
ieden Anwesenden, noch mancherley disputiret wurde. Der
Introducteur des Ambassadeuts Monsieur Sainctot erzehlte, daß
die jüngste von denen Mesdames de France, Adelfri[unleserliches Material]d genannt
gantz excessiv viel Fleisch eßen könne, wie sie den Zum Exempel einmal
4 Hüner Flügel, ein andermal 2 dergleichen Flügel und 1 Rebhuhn

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[0069] aber auferleget worden, auf 6 Wochen keine Opera zu besuchen von welcher Strafe ihn doch, wie die Rede gehet, auf sein Ansuchen der Hof wider dispensiret hat. Weil sich nun bey diesem casu über die Beschaffenheit der hiesigen Moral und Justitz, mancherley Reflexiones machen laßen, so hat man diese zum Journal sonst eben nicht qualificirte Geschichte, mit beyfügen wollen. Den 6 Decembr: Machten wir dem König, und der Königin, unser Cour in Ver- sailles. Weil aber der König gestrigen Tages, des Regens ohn- geachtet, einen Hirsch bis in die Seine forciret, und daselbst erleget hat, folgl: sehr fatiguiret war, musten wir à la Sale des Ambassadeurs, mit denen Gesandten, bis halb 12 Uhr auf des Levé des Königs warten, da man sich dann mit mancherley Discoursen unterhielt. Unter andern wurde dem Holländl: Gesandten Schuld gegeben, daß er einen gewißen verstorbenen Curé an dem Ort, wo er eine Land-Haus gemiethet, so besonders lieb gehabt, und ihn bekehren wollen, dergleichen denn der Curé, aus reciproquer Liebe, von seiner Seite wider intendiret habe. Der Am- bassadeur läugnete diese seine Absicht, mit beigefügter Ursache, daß dergl: sogenannte Bekehrungen, Gottes Werck wären, eben so, wie es Gottes-Werck sey, daß so viele unterschiedl:e christliche Relègiones sich in der Welt befänden denn da alle Christen einerley Vernunft und einerley Bibel und doch differente Sentimens hätten, so könne man nicht anders glauben, Gott müße gantz besondre Ursachen haben den Unterschied der Einsichten auf der Welt zu dulten, worin man ihm also auch keinen Eingriff thun müße. Indeßen sey doch la charité, la bonté et la justice der Haupt-Fond von allen christlichen Religionen, und könne man also einen frembden Glaubens-Verwandten vollkommen lieb haben, wenn man gleich von der sogenannten Bekehrung eines solchen guten Freundes, abstrahire. Über welchen Discours nach denen unterschiedlichen Begriffen und Einsichten eines ieden Anwesenden, noch mancherley disputiret wurde. Der Introducteur des Ambassadeuts Mr. Sainctot erzehlte, daß die jüngste von denen Mesdames de France, Adelfrid genannt gantz excessiv viel Fleisch eßen könne, wie sie den Z.E. einmal 4 Hüner Flügel, ein andermal 2 dergleichen Flügel und 1 Rebhuhn

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/69>, abgerufen am 21.11.2024.