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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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336
Nummer 66
Vom 7-31 Mart:

Um unsern Lesern mit einem allzu großen detail nicht be-
schwerlich zu fallen, gedencken wir von der angewendeten Zeit
vor dismal nicht Tage weise, sondern untern gewißen rubriquen
Rechenschafft zu geben, dennoch aber von denen Kirchlichen Functionen
der Settimana Santa und des ersten Oster-Tags noch ein besonders
Diarium zu verfertigen.
Nach der Rückkunfft von Neapolis ist unsre erste Sorge gewesen,
uns in denen bisher frequentirten Häusern wieder darzu stellen,
und die zu Neapolis uns aufgetragene Commissiones auszurichten, unter
welchen des dortigen Frantzöl: Ambassadeurs Marquis de l'Hopital seine
die vornehmste war, da er uns nehml: eingebunden hatte, dem
Cardinal Tencin sein Compliment praecise in diesen terminis zu
machen: qu'il respectoit infiniment Mr. le Cardinal, et qu'il le
prenoit pour son maitre. Der Cardinal lächelte dazu und sagte: il a
dit cela par rapport a mon age. Wir haben hiernächst nicht
nur fortgefahren die bisherige Bekantschafften zu cultiviren und
die Conversationes unausgesetzt zu besuchen, sondern auch folgende
neue Bekanntschafften
acquiriet:

1.) Den schon ehemals erwehnten Msgr: Thun hiesigen auditorem
rotae, Ungril: und Böhmil: Ministre und nunmehrigen Bischof zu
Gurck in Cärnthen, welches Bischofthums wegen, wenn man
teutsch mit ihm redet, derselbe Hochfürstl: Gnd: tituliret wird.
Er ist allererst 27 Jahr alt, hat aber von der Kirchen- u. profan-
Historie, auch teutschen iure publico und priuato, wie nicht
weniger von der notitia litteraria eine bey cathol: Praelaten
sehr selten an zu treffende Wißenschafft. Dabey scheinet er von
einem überaus redl: Gemüte zu seyn, [unleserliches Material]auch zu uns recht
viel Vertrauen gewonnen zu haben, auch ist er in der
Religions materie weit moderater und billiger, als andre seines
gleichen. Was er von ietzigen ZeitLäufften verschiedentlich mit
uns gesprochen, das läst sich hier nicht schreiben. Eben derselbe hat

2.) Bey dem Cardinal Passionei uns introduciret, weil der an
ihn von dem Card: Polignac mitgegebene Brief, wegen des Ab-
sterbens dieses letztern nicht producible gewesen. Besagter
Passionei, der, bekanntermaßen, als Nuncius in Wien gestanden,
ist überaus lebhafft und colerisch und dabey sehr gelehrt, wird
aber hier der bizzarerie beschuldiget, sonderlich weil er sich zwey

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Nummer 66
Vom 7-31 Mart:

Um unsern Lesern mit einem allzu großen detail nicht be-
schwerlich zu fallen, gedencken wir von der angewendeten Zeit
vor dismal nicht Tage weise, sondern untern gewißen rubriquen
Rechenschafft zu geben, dennoch aber von denen Kirchlichen Functionen
der Settimana Santa und des ersten Oster-Tags noch ein besonders
Diarium zu verfertigen.
Nach der Rückkunfft von Neapolis ist unsre erste Sorge gewesen,
uns in denen bisher frequentirten Häusern wieder darzu stellen,
und die zu Neapolis uns aufgetragene Commissiones auszurichten, unter
welchen des dortigen Frantzöl: Ambassadeurs Marquis de l’Hopital seine
die vornehmste war, da er uns nehml: eingebunden hatte, dem
Cardinal Tencin sein Compliment praecise in diesen terminis zu
machen: qu’il respectoit infiniment Mr. le Cardinal, et qu’il le
prenoit pour son mâitre. Der Cardinal lächelte dazu und sagte: il a
dit cela par rapport à mon age. Wir haben hiernächst nicht
nur fortgefahren die bisherige Bekantschafften zu cultiviren und
die Conversationes unausgesetzt zu besuchen, sondern auch folgende
neue Bekanntschafften
acquiriet:

1.) Den schon ehemals erwehnten Msgr: Thun hiesigen auditorem
rotae, Ungril: und Böhmil: Ministre und nunmehrigen Bischof zu
Gurck in Cärnthen, welches Bischofthums wegen, wenn man
teutsch mit ihm redet, derselbe Hochfürstl: Gnd: tituliret wird.
Er ist allererst 27 Jahr alt, hat aber von der Kirchen- u. profan-
Historie, auch teutschen iure publico und priuato, wie nicht
weniger von der notitia litteraria eine bey cathol: Praelaten
sehr selten an zu treffende Wißenschafft. Dabey scheinet er von
einem überaus redl: Gemüte zu seyn, [unleserliches Material]auch zu uns recht
viel Vertrauen gewonnen zu haben, auch ist er in der
Religions materie weit moderater und billiger, als andre seines
gleichen. Was er von ietzigen ZeitLäufften verschiedentlich mit
uns gesprochen, das läst sich hier nicht schreiben. Eben derselbe hat

2.) Bey dem Cardinal Passionei uns introduciret, weil der an
ihn von dem Card: Polignac mitgegebene Brief, wegen des Ab-
sterbens dieses letztern nicht producible gewesen. Besagter
Passionei, der, bekanntermaßen, als Nuncius in Wien gestanden,
ist überaus lebhafft und colerisch und dabey sehr gelehrt, wird
aber hier der bizzarerie beschuldiget, sonderlich weil er sich zwey

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[0686] 336 No 66 Vom 7-31 Mart: Um unsern Lesern mit einem allzu großen detail nicht be- schwerlich zu fallen, gedencken wir von der angewendeten Zeit vor dismal nicht Tage weise, sondern untern gewißen rubriquen Rechenschafft zu geben, dennoch aber von denen Kirchlichen Functionen der Settimana Santa und des ersten Oster-Tags noch ein besonders Diarium zu verfertigen. Nach der Rückkunfft von Neapolis ist unsre erste Sorge gewesen, uns in denen bisher frequentirten Häusern wieder darzu stellen, und die zu Neapolis uns aufgetragene Commissiones auszurichten, unter welchen des dortigen Frantzöl: Ambassadeurs Marquis de l’Hopital seine die vornehmste war, da er uns nehml: eingebunden hatte, dem Cardinal Tencin sein Compliment praecise in diesen terminis zu machen: qu’il respectoit infiniment Mr. le Cardinal, et qu’il le prenoit pour son mâitre. Der Cardinal lächelte dazu und sagte: il a dit cela par rapport à mon age. Wir haben hiernächst nicht nur fortgefahren die bisherige Bekantschafften zu cultiviren und die Conversationes unausgesetzt zu besuchen, sondern auch folgende neue Bekanntschafften acquiriet: 1.) Den schon ehemals erwehnten Msgr: Thun hiesigen auditorem rotae, Ungril: und Böhmil: Ministre und nunmehrigen Bischof zu Gurck in Cärnthen, welches Bischofthums wegen, wenn man teutsch mit ihm redet, derselbe Hochfürstl: Gnd: tituliret wird. Er ist allererst 27 Jahr alt, hat aber von der Kirchen- u. profan- Historie, auch teutschen iure publico und priuato, wie nicht weniger von der notitia litteraria eine bey cathol: Praelaten sehr selten an zu treffende Wißenschafft. Dabey scheinet er von einem überaus redl: Gemüte zu seyn, auch zu uns recht viel Vertrauen gewonnen zu haben, auch ist er in der Religions materie weit moderater und billiger, als andre seines gleichen. Was er von ietzigen ZeitLäufften verschiedentlich mit uns gesprochen, das läst sich hier nicht schreiben. Eben derselbe hat 2.) Bey dem Cardinal Passionei uns introduciret, weil der an ihn von dem Card: Polignac mitgegebene Brief, wegen des Ab- sterbens dieses letztern nicht producible gewesen. Besagter Passionei, der, bekanntermaßen, als Nuncius in Wien gestanden, ist überaus lebhafft und colerisch und dabey sehr gelehrt, wird aber hier der bizzarerie beschuldiget, sonderlich weil er sich zwey

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/686>, abgerufen am 21.11.2024.