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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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In dem einen Refectorio, wo gras gegoßen wird, ist
ein theatrum angeleget, worauf die Mönche zur Carna-
vals-Zeit Commedien spielen. Das heist wohl recht Mücken
säugen, und Cameele verschlucken, weil sie über
dem Kirchen=Gebot so strenge halten, daß die Schwachen
oder sonst mit permission versehenen, zu Abwendung
des Aergernißes, in einem besondern Behältniß speisen
müßen; da hingegen über dem unclösterlichen Comme-
dianten Wesen sie sich keinen Scrupel machen.
Nachmittags begaben wir uns, der geschehenen Einladung
zu Folge, zur Duchessa Matalone, woselbst auch die
Ambassadeurs von Franckreich und Sardinien und viele
andere Standes-Personen gegenwärtig waren, um
dem Cortege der königl: Herrschaft nach der Dom-Kirche
zu zu sehen, als woselbst in der Januarii Capelle
die Königin ihre Dancksagung wegen glückl: überstande-
ner Wochen ablegen, und den Seegen empfangen solte.
Der Aufzug geschahe in folgender Ordnung 1) die
GnadTrabanten zu Fuß mit Hellebarden, welche denen cent suisses
in Franckreich gleich kommen, aber nicht Schweitzerisch,
sondern a la francoise blaut und roth gekleidet, und
mit Silber reich chamariret sind. 2) Die königl: Staats-
Kutsche oder Carosse de respect mit 8 Schimmeln bespannet
gantz leer. Der Himmel war auswendig mit gelben
Sammet überzogen, und stund auf der Mitte deßelben
eine wohlgeschnitzte und verguldete königl: Crone
wie denn überhaupt an Verguldung und Schnitz-Werck
kein Mangel war. Der Kutscher saß nicht a l' Espagnolo
auf dem Pferde, sondern auf dem Bock, iedoch, gleich dem
Vorreuter, mit entblößtem Haupt. 3) Viele 6 spännige
Wagen mit königl:n Cammer Hn und denen großen Hof=
Officianten besetzt, welche alle ihre Hof uniforme, nehml:
blaue Kleider und rothe Westen starck mit Gold chamariret,
anhatten, auch mit dem Januarii Orden in ziemler Anzahl

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In dem einen Refectorio, wo gras gegoßen wird, ist
ein theatrum angeleget, worauf die Mönche zur Carna-
vals-Zeit Commedien spielen. Das heist wohl recht Mücken
säugen, und Cameele verschlucken, weil sie über
dem Kirchen=Gebot so strenge halten, daß die Schwachen
oder sonst mit permission versehenen, zu Abwendung
des Aergernißes, in einem besondern Behältniß speisen
müßen; da hingegen über dem unclösterlichen Comme-
dianten Wesen sie sich keinen Scrupel machen.
Nachmittags begaben wir uns, der geschehenen Einladung
zu Folge, zur Duchessa Matalone, woselbst auch die
Ambassadeurs von Franckreich und Sardinien und viele
andere Standes-Personen gegenwärtig waren, um
dem Cortege der königl: Herrschaft nach der Dom-Kirche
zu zu sehen, als woselbst in der Januarii Capelle
die Königin ihre Dancksagung wegen glückl: überstande-
ner Wochen ablegen, und den Seegen empfangen solte.
Der Aufzug geschahe in folgender Ordnung 1) die
GnadTrabanten zu Fuß mit Hellebarden, welche denen cent suisses
in Franckreich gleich kommen, aber nicht Schweitzerisch,
sondern à la francoise blaut und roth gekleidet, und
mit Silber reich chamariret sind. 2) Die königl: Staats-
Kutsche oder Carosse de respect mit 8 Schimmeln bespannet
gantz leer. Der Himmel war auswendig mit gelben
Sammet überzogen, und stund auf der Mitte deßelben
eine wohlgeschnitzte und verguldete königl: Crone
wie denn überhaupt an Verguldung und Schnitz-Werck
kein Mangel war. Der Kutscher saß nicht à l' Espagnolo
auf dem Pferde, sondern auf dem Bock, iedoch, gleich dem
Vorreuter, mit entblößtem Haupt. 3) Viele 6 spännige
Wagen mit königl:n Cammer Hn und denen großen Hof=
Officianten besetzt, welche alle ihre Hof uniforme, nehml:
blaue Kleider und rothe Westen starck mit Gold chamariret,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/674>, abgerufen am 14.08.2024.