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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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324
stehen die rudera von dem Tempel Herculis, in
welchem Nero gedachte seine Mutter umbringen laßen.
Denn daß das Meer in dieser Gegend viel vom Lande
verschlungen, oder wenigstens überdecket, giebt der
Augenschein, und haben wir selbst einen ordentlichen ge-
pflasterten Stein-Weg in dieser Gegend unter dem
Waßer gesehen. Man heißet die Gegend ienseit des
Castels, Baula, und findet, wenn man nur etwas
landwärts hinein gehet, lauter eintzeln gebauete Höfe.
Die vornehmsten antiquitaeten dieser Land-Gegend sind
eine Anhöhe, wo zu beyden Seiten ruinirte und zum
Theil noch inwendig mit Farbe bemahlte Gräber stehen,
durch welche zweifelsohne ehemals die Straße nach
einer hier gelegen gewesenen Stadt hindurch gegangen.
Ein unterirdisches ungemein hoch und prächtig gewölbtes
Gebäude mit 48 starcken Pilastres, auf welchen die Bogen-
Schlüße des Gewölbes ruhen. Es wird insgemein piscina
mirabilis
genennet und deßen Erbauung von einigen
dem Agrippa, von andern aber dem Lucullo zu geschrieben.
Ob es ein Fischhälter gewesen, oder ein reservoir zu
süßen Waßer vor die Römischische Flotte, welche in diesem
Meer-Busen einen Haupt-Haven gehabt, läßet man
dahin gestellet seyn. Ein Waßer-Behältniß ist es wohl
unstreitig gewesen, und zeiget davon unter andern
der Eisen feste Überzug, womit die Mauern inwendig
fast 3 Finger hoch bedeckt sind. Wir haben mit der
grösten Gewalt ein Stück davon abgeschlagen, und
befunden, daß derselbe aus 3 unterschiedenen Stratis
bestehe. Das unterste siehet einem ordinairen groben
Kalck gleich, das andre scheinet von weißern Kalck dels
oder Gipß zu seyn, und ist mit kleinen Stückgen von
Ziegel-Steinen untermischt, das 3te und oberste siehet
einem etwas transparenten Hartz oder Kitt ähnlich, und
ist ohngefähr eines Strohhalmen dicke aufgetragen.

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stehen die rudera von dem Tempel Herculis, in
welchem Nero gedachte seine Mutter umbringen laßen.
Denn daß das Meer in dieser Gegend viel vom Lande
verschlungen, oder wenigstens überdecket, giebt der
Augenschein, und haben wir selbst einen ordentlichen ge-
pflasterten Stein-Weg in dieser Gegend unter dem
Waßer gesehen. Man heißet die Gegend ienseit des
Castels, Baula, und findet, wenn man nur etwas
landwärts hinein gehet, lauter eintzeln gebauete Höfe.
Die vornehmsten antiquitaeten dieser Land-Gegend sind
eine Anhöhe, wo zu beyden Seiten ruinirte und zum
Theil noch inwendig mit Farbe bemahlte Gräber stehen,
durch welche zweifelsohne ehemals die Straße nach
einer hier gelegen gewesenen Stadt hindurch gegangen.
Ein unterirdisches ungemein hoch und prächtig gewölbtes
Gebäude mit 48 starcken Pilastres, auf welchen die Bogen-
Schlüße des Gewölbes ruhen. Es wird insgemein piscina
mirabilis
genennet und deßen Erbauung von einigen
dem Agrippa, von andern aber dem Lucullo zu geschrieben.
Ob es ein Fischhälter gewesen, oder ein reservoir zu
süßen Waßer vor die Römischische Flotte, welche in diesem
Meer-Busen einen Haupt-Haven gehabt, läßet man
dahin gestellet seyn. Ein Waßer-Behältniß ist es wohl
unstreitig gewesen, und zeiget davon unter andern
der Eisen feste Überzug, womit die Mauern inwendig
fast 3 Finger hoch bedeckt sind. Wir haben mit der
grösten Gewalt ein Stück davon abgeschlagen, und
befunden, daß derselbe aus 3 unterschiedenen Stratis
bestehe. Das unterste siehet einem ordinairen groben
Kalck gleich, das andre scheinet von weißern Kalck dels
oder Gipß zu seyn, und ist mit kleinen Stückgen von
Ziegel-Steinen untermischt, das 3te und oberste siehet
einem etwas transparenten Hartz oder Kitt ähnlich, und
ist ohngefähr eines Strohhalmen dicke aufgetragen.

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[0662] 324 stehen die rudera von dem Tempel Herculis, in welchem Nero gedachte seine Mutter umbringen laßen. Denn daß das Meer in dieser Gegend viel vom Lande verschlungen, oder wenigstens überdecket, giebt der Augenschein, und haben wir selbst einen ordentl. ge- pflasterten Stein-Weg in dieser Gegend unter dem Waßer gesehen. Man heißet die Gegend ienseit des Castels, Baula, und findet, wenn man nur etwas landwärts hinein gehet, lauter eintzeln gebauete Höfe. Die vornehmsten antiquitaeten dieser Land-Gegend sind eine Anhöhe, wo zu beyden Seiten ruinirte und zum Theil noch inwendig mit Farbe bemahlte Gräber stehen, durch welche zweifelsohne ehemals die Straße nach einer hier gelegen gewesenen Stadt hindurch gegangen. Ein unterirdisches ungemein hoch und prächtig gewölbtes Gebäude mit 48 starcken Pilastres, auf welchen die Bogen- Schlüße des Gewölbes ruhen. Es wird insgemein piscina mirabilis genennet und deßen Erbauung von einigen dem Agrippa, von andern aber dem Lucullo zu geschrieben. Ob es ein Fischhälter gewesen, oder ein reservoir zu süßen Waßer vor die Röml: Flotte, welche in diesem Meer-Busen einen Haupt-Haven gehabt, läßet man dahin gestellet seyn. Ein Waßer-Behältniß ist es wohl unstreitig gewesen, und zeiget davon unter andern der Eisen feste Überzug, womit die Mauern inwendig fast 3 Finger hoch bedeckt sind. Wir haben mit der grösten Gewalt ein Stück davon abgeschlagen, und befunden, daß derselbe aus 3 unterschiedenen Stratis bestehe. Das unterste siehet einem ordinairen groben Kalck gleich, das andre scheinet von weißern Kalck oder Gipß zu seyn, und ist mit kleinen Stückgen von Ziegel-Steinen untermischt, das 3te und oberste siehet einem etwas transparenten Hartz oder Kitt ähnlich, und ist ohngefähr eines Strohhalmen dicke aufgetragen.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/662>, abgerufen am 17.09.2024.