Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].worden. Dieser Berg ist im Monath Sept: in einer Nacht anno worden. Dieser Berg ist im Monath Sept: in einer Nacht anno <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0659"/> worden. Dieser Berg ist im Monath Sept: in einer Nacht <choice><abbr>a<hi rendition="#u">o</hi></abbr><expan>anno</expan></choice><lb/> 1538 durch ein Erdbeben entstanden, wobey zugleich das<lb/> unterirdische Feuer ausgebrochen und eine <choice><abbr>erschreckl<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">e</hi></hi></abbr><expan>erschreckliche</expan></choice> ravage<lb/> angerichtet worden. Doch hat man seit der Zeit an diesem<lb/> neu entstandenen Berge weder von Rauch noch Feuer das<lb/> geringste gemercket. Wir wanderten ein Stück weiter<lb/> in das Land hinein bis zu dem <hi rendition="#u">lacu averno</hi>, welcher dem<lb/> See Agnano ohngefähr an Größe gleich, das Waßer aber<lb/> nicht mehr so beschaffen ist, wie Virgilius und andere<lb/> autores solches beschreiben, daß nehmlich wegen seiner<lb/> gifftigen Ausdünstungen kein Vogel ohne Lebens-Gefahr<lb/> darüber weg fliegen könte; denn ietzt siehet man das<lb/> Geflügel darüber schweben und darauf schwimmen. Diese<lb/> Veränderung rühret daher, weil Kayser Augustus die großen<lb/> Bäume, welche das Ufer dieses in einem engen Thal<lb/> gelegenen Lacs gantz bedecket, umhauen laßen, und<lb/> dadurch dem Waßer die frische Luft gegeben. Vielleicht<lb/> sind auch etwan in alten Zeiten schwefeligte Waßer<lb/> mit hinein gefloßen, deren Zugänge sich nachher ver-<lb/> stopft haben. Das an diesem Lac stehende alte Gemäuer<lb/> wird vor ein <hi rendition="#u">templum Apollinis</hi> ausgegeben. In eben<lb/> diesem Thal ist der Eingang zu der sogenannten <hi rendition="#u">Grotta<lb/> della Sybilla</hi> Cumana, welches in den Felsen gehauene<lb/> Souterrain, nachdem man mehr kriechend als gehend<lb/> hinein passiret, ohngefähr 10 Fuß breit und 12 hoch ist.<lb/> Man gehet mit angezündeten Fackeln fast 300 Schritte<lb/> gerade fort, und gelanget sodann rechter Hand durch schmale<lb/> Gänge in ein paar Behältniße, welche zu Bädern<lb/> scheinen aptiret gewesen zu seyn, wie sie denn<lb/> auch mit Waßer angefüllet sind, und man sich deswegen<lb/> auf dem Rücken tragen laßen muß. Noch weiter<lb/> hinein findet man eine gantz verschüttete Treppe,<lb/> vermittelst deren man oben auf den Berg wieder zu<lb/> Tage herauf kommen kan, welche aber nur von <choice><abbr>Ill<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">mo</hi></hi></abbr><expan>Illustrissimo</expan></choice> und<lb/> dem von Gellhorn, als denen Geschmeidigsten, passiret </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0659]
worden. Dieser Berg ist im Monath Sept: in einer Nacht ao
1538 durch ein Erdbeben entstanden, wobey zugleich das
unterirdische Feuer ausgebrochen und eine erschreckle ravage
angerichtet worden. Doch hat man seit der Zeit an diesem
neu entstandenen Berge weder von Rauch noch Feuer das
geringste gemercket. Wir wanderten ein Stück weiter
in das Land hinein bis zu dem lacu averno, welcher dem
See Agnano ohngefähr an Größe gleich, das Waßer aber
nicht mehr so beschaffen ist, wie Virgilius und andere
autores solches beschreiben, daß nehmlich wegen seiner
gifftigen Ausdünstungen kein Vogel ohne Lebens-Gefahr
darüber weg fliegen könte; denn ietzt siehet man das
Geflügel darüber schweben und darauf schwimmen. Diese
Veränderung rühret daher, weil Kayser Augustus die großen
Bäume, welche das Ufer dieses in einem engen Thal
gelegenen Lacs gantz bedecket, umhauen laßen, und
dadurch dem Waßer die frische Luft gegeben. Vielleicht
sind auch etwan in alten Zeiten schwefeligte Waßer
mit hinein gefloßen, deren Zugänge sich nachher ver-
stopft haben. Das an diesem Lac stehende alte Gemäuer
wird vor ein templum Apollinis ausgegeben. In eben
diesem Thal ist der Eingang zu der sogenannten Grotta
della Sybilla Cumana, welches in den Felsen gehauene
Souterrain, nachdem man mehr kriechend als gehend
hinein passiret, ohngefähr 10 Fuß breit und 12 hoch ist.
Man gehet mit angezündeten Fackeln fast 300 Schritte
gerade fort, und gelanget sodann rechter Hand durch schmale
Gänge in ein paar Behältniße, welche zu Bädern
scheinen aptiret gewesen zu seyn, wie sie denn
auch mit Waßer angefüllet sind, und man sich deswegen
auf dem Rücken tragen laßen muß. Noch weiter
hinein findet man eine gantz verschüttete Treppe,
vermittelst deren man oben auf den Berg wieder zu
Tage herauf kommen kan, welche aber nur von Illmo und
dem von Gellhorn, als denen Geschmeidigsten, passiret
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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