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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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der untern Etage siehet man auf einer Seite einen
Waßer-Lauf von quader-Stücken, und auf der andern Seite
vor denen Gewölbern, in welchen vermuthlich die wilden
Thiere auf behalten worden, eben dergleichen steinerne Tröge,
daraus sie wahrscheinlich den Durst löschen, das Volck selbst
auch durch diese Waßer-Anstalt erfrischet werden können.
Eine in diesem Gemäuer aptirte Capelle soll das Ge-
fängniß seyn, in welchen der Heilige Januarius aufbehalten
worden, um mit noch andern Christen den wilden Thieren
vorgeworffen zu werden. Weil aber die Thiere nicht an-
packen wollen, so ist, der Erzehlung nach, die Enthauptung
an oberwehntem Ort erfolget. Ein altes Gemäuer am
Berge gelegen wird vor ein Land-Haus Ciceronis aus-
gegeben, ohne daß man davon einigen Grund hätte.
Die Stadt Puzzuolo selbst, so magnifique und berühmt sie
bey denen Römern gewesen, ist ietzt ein kleines schlechtes
Städtgen und die Einwohner sind denenjenigen Brüdern,
welche Paulus auf seiner Reise nach Rom Act. 28 4.13,14.
hier gefunden, sehr ungleich, daß es einen sehr sauer
ankommen würde, 7 Tage, wie Paulus gethan, bey ihnen
zu bleiben. Als wir mit unserm Antiquario, der
dort wohnhaft ist, in die barque traten, um über
den Meer-Busen hinüber zu schiffen, entstund unter
denen Ruder-Knechten, deren einer wieder Willen des
Patrons sich par force aufdringen wolte, ein solcher
Hader, continuirete auch, weil er mit Gewalt in die
barque sprang, noch auf dem Waßer, daß unser Anti-
quarius endlich den Stab Weh ergreiffen und mit ge-
waffneter Hand Friede machen muste. Unsre erste
Anfurth war bey dem Lacu Lucrino, welcher wegen
seiner delicaten austern bey denen Römern berühmt,
auch an andern Fischen sehr reich war. Es liegt derselbe
gantz nahe bey dem See-Ufer, ist aber ietzo gar klein
und fast einem Teich oder Tümpel gleich, weil er durch
den sogenannten monte nuovo gröstentheils verschüttet

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der untern Etage siehet man auf einer Seite einen
Waßer-Lauf von quader-Stücken, und auf der andern Seite
vor denen Gewölbern, in welchen vermuthlich die wilden
Thiere auf behalten worden, eben dergleichen steinerne Tröge,
daraus sie wahrscheinlich den Durst löschen, das Volck selbst
auch durch diese Waßer-Anstalt erfrischet werden können.
Eine in diesem Gemäuer aptirte Capelle soll das Ge-
fängniß seyn, in welchen der Heilige Januarius aufbehalten
worden, um mit noch andern Christen den wilden Thieren
vorgeworffen zu werden. Weil aber die Thiere nicht an-
packen wollen, so ist, der Erzehlung nach, die Enthauptung
an oberwehntem Ort erfolget. Ein altes Gemäuer am
Berge gelegen wird vor ein Land-Haus Ciceronis aus-
gegeben, ohne daß man davon einigen Grund hätte.
Die Stadt Puzzuolo selbst, so magnifique und berühmt sie
bey denen Römern gewesen, ist ietzt ein kleines schlechtes
Städtgen und die Einwohner sind denenjenigen Brüdern,
welche Paulus auf seiner Reise nach Rom Act. 28 4.13,14.
hier gefunden, sehr ungleich, daß es einen sehr sauer
ankommen würde, 7 Tage, wie Paulus gethan, bey ihnen
zu bleiben. Als wir mit unserm Antiquario, der
dort wohnhaft ist, in die barque traten, um über
den Meer-Busen hinüber zu schiffen, entstund unter
denen Ruder-Knechten, deren einer wieder Willen des
Patrons sich par force aufdringen wolte, ein solcher
Hader, continuirete auch, weil er mit Gewalt in die
barque sprang, noch auf dem Waßer, daß unser Anti-
quarius endlich den Stab Weh ergreiffen und mit ge-
waffneter Hand Friede machen muste. Unsre erste
Anfurth war bey dem Lacu Lucrino, welcher wegen
seiner delicaten austern bey denen Römern berühmt,
auch an andern Fischen sehr reich war. Es liegt derselbe
gantz nahe bey dem See-Ufer, ist aber ietzo gar klein
und fast einem Teich oder Tümpel gleich, weil er durch
den sogenannten monte nuovo gröstentheils verschüttet

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/658>, abgerufen am 17.09.2024.