Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].316 versichert, daß dieselbe in facto richtig sey, doch aber auch hin zugethan, daß unter ietziger Regierung die principi sich nicht mehr dergeichen airs geben dürffen. Mittags hatte uns der frantzösische Ambassadeur abermal zu Gaste, und waren die vornehmsten Mit Speisenden der Marchese die Cartigliac Ritter des Januarii Ordens und königlicher Cammer Herr, ein Catalonier von Geburt, der Comte Trivulzio und der general Major von hiesiger königlicher Garde. Man examinirete das model, welches der frantzösiche Am- bassadeur von dem Berg Vesuvio, und besonders von der bocca deßel- ben sich vor 2 Jahren machen laßen. Gedachter Marchese Cartigliac ist der erste gewesen, der es gewaget, in die bocca hinein zu steigen, da vor ihm iedermann sich begnüget, nur auf dem Rande derselben herum zu gehen. Weil in- deßen seit der Zeit sich manches schon wiederum an dieser bocca geändert, so wollen wir die Communication aller bey dieser Gelegenheit eingezogenen Nachrichten so lange aussetzen, bis wir die ietzige Beschaffenheit selbst werden in Augenschein genommen haben. Von deren Kirchen al Giesu und der cathedrale, welche wir Nachmittags besichtiget, ist weiter nichts zu melden, als daß iene mit marmor inwendig durchaus sehr schön incrustiret, diese aber ziemlich a la Gothique gebauet, und nur wegen der Comss gleichfals mit marmor aufs beste gezierten capelle des hiesigen Schutz-Patrons Januarii merckwürdig sey. Die famose Blut- reliquie dieses Heiligen wird indeßen, außer solennen Ge- legenheiten, Niemanden gezeiget. Gegen Abend introducirete uns der Comte Trivulzio bey der principessa di Monte Mileto, welche seit etlichen Jahren in einem hiesigen Nonnen-Closter lebet, weil sie sich mit ihrem Herrn verzweyet, und bis zu Austrag der Sache, nach Catholischer Gewohnheit, in diese Clausur begeben hat. So viel s wir sie in dem parloir durch das doppelte eiserne Gitter erkennen konten, ist sie eine schöne Dame und ietzt in den sogenannten besten Jahren. Sie lobte die Reise Gewohnheit der Teutschen, und mißbilligte hingegen die methode der Engelländer, welche nichts thäten, als raritaeten sehen, ohne die Leute in frembden Landen zu frequentiren. Einen Duca dal Vito, einen Machese Doria, desgleichen den auditorem des hiesigen Päbstlichen Nuncii lernten wir bey dieser Gelegenheit auch kennen, als welche sich 316 versichert, daß dieselbe in facto richtig sey, doch aber auch hin zugethan, daß unter ietziger Regierung die principi sich nicht mehr dergeichen airs geben dürffen. Mittags hatte uns der frantzösische Ambassadeur abermal zu Gaste, und waren die vornehmsten Mit Speisenden der Marchese die Cartigliac Ritter des Januarii Ordens und königlicher Cammer Herr, ein Catalonier von Geburt, der Comte Trivulzio und der general Major von hiesiger königlicher Garde. Man examinirete das model, welches der frantzösiche Am- bassadeur von dem Berg Vesuvio, und besonders von der bocca deßel- ben sich vor 2 Jahren machen laßen. Gedachter Marchese Cartigliac ist der erste gewesen, der es gewaget, in die bocca hinein zu steigen, da vor ihm iedermann sich begnüget, nur auf dem Rande derselben herum zu gehen. Weil in- deßen seit der Zeit sich manches schon wiederum an dieser bocca geändert, so wollen wir die Communication aller bey dieser Gelegenheit eingezogenen Nachrichten so lange aussetzen, bis wir die ietzige Beschaffenheit selbst werden in Augenschein genommen haben. Von deren Kirchen al Giesu und der cathedrale, welche wir Nachmittags besichtiget, ist weiter nichts zu melden, als daß iene mit marmor inwendig durchaus sehr schön incrustiret, diese aber ziemlich a la Gothique gebauet, und nur wegen der Comss gleichfals mit marmor aufs beste gezierten capelle des hiesigen Schutz-Patrons Januarii merckwürdig sey. Die famose Blut- reliquie dieses Heiligen wird indeßen, außer solennen Ge- legenheiten, Niemanden gezeiget. Gegen Abend introducirete uns der Comte Trivulzio bey der principessa di Monte Mileto, welche seit etlichen Jahren in einem hiesigen Nonnen-Closter lebet, weil sie sich mit ihrem Herrn verzweyet, und bis zu Austrag der Sache, nach Catholischer Gewohnheit, in diese Clausur begeben hat. So viel s wir sie in dem parloir durch das doppelte eiserne Gitter erkennen konten, ist sie eine schöne Dame und ietzt in den sogenannten besten Jahren. Sie lobte die Reise Gewohnheit der Teutschen, und mißbilligte hingegen die methode der Engelländer, welche nichts thäten, als raritaeten sehen, ohne die Leute in frembden Landen zu frequentiren. Einen Duca dal Vito, einen Machese Doria, desgleichen den auditorem des hiesigen Päbstlichen Nuncii lernten wir bey dieser Gelegenheit auch kennen, als welche sich <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0646"/><fw type="folNum" place="top">316</fw><lb/> versichert, daß dieselbe in facto richtig sey, doch aber auch hin zu<lb/> gethan, daß unter ietziger Regierung die principi sich nicht<lb/> mehr <choice><abbr>dergl<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">en</hi></hi></abbr><expan>dergeichen</expan></choice> airs geben dürffen. 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Ambassadeur abermal zu Gaste, und waren die vornehmsten
Mit Speisenden der Marchese die Cartigliac Ritter des Januarii Ordens
und königl Cammer Herr, ein Catalonier von Geburt, der
Comte Trivulzio und der general Major von hiesiger königl:
Garde. Man examinirete das model, welches der frantzösiche Am-
bassadeur von dem Berg Vesuvio, und besonders von der bocca deßel-
ben sich vor 2 Jahren machen laßen. Gedachter Marchese
Cartigliac ist der erste gewesen, der es gewaget, in die bocca
hinein zu steigen, da vor ihm iedermann sich begnüget,
nur auf dem Rande derselben herum zu gehen. Weil in-
deßen seit der Zeit sich manches schon wiederum an dieser
bocca geändert, so wollen wir die Communication aller
bey dieser Gelegenheit eingezogenen Nachrichten so lange
aussetzen, bis wir die ietzige Beschaffenheit selbst werden
in Augenschein genommen haben. Von deren Kirchen al
Giesu und der cathedrale, welche wir Nachmittags besichtiget,
ist weiter nichts zu melden, als daß iene mit marmor
inwendig durchaus sehr schön incrustiret, diese aber ziemlich
a la Gothique gebauet, und nur wegen der gleichfals
mit marmor aufs beste gezierten capelle des hiesigen
Schutz-Patrons Januarii merckwürdig sey. Die famose Blut-
reliquie dieses Heiligen wird indeßen, außer solennen Ge-
legenheiten, Niemanden gezeiget. Gegen Abend introducirete
uns der Comte Trivulzio bey der principessa di Monte Mileto,
welche seit etln Jahren in einem hiesigen Nonnen-Closter
lebet, weil sie sich mit ihrem Herrn verzweyet, und bis
zu Austrag der Sache, nach Catholischer Gewohnheit, in
diese Clausur begeben hat. So viel wir sie in dem parloir
durch das doppelte eiserne Gitter erkennen konten, ist
sie eine schöne Dame und ietzt in den sogenannten besten
Jahren. Sie lobte die Reise Gewohnheit der Teutschen, und
mißbilligte hingegen die methode der Engelländer, welche
nichts thäten, als raritaeten sehen, ohne die Leute in frembden
Landen zu frequentiren. Einen Duca dal Vito, einen
Machese Doria, desgl: den auditorem des hiesigen Päbstl: Nuncii
lernten wir bey dieser Gelegenheit auch kennen, als welche sich
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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