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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Nummer 57.
Vom 12-16 Januar

In der Conversation bey dem Cardinal Acquaviva machte sich iedermann
Hoffnung den Chef der Spanischen Truppen in der Lombardie Duc de Monte-
mar
zu sehen, als welcher hier angelanget ist und bey dem Cardinal logiret.
Es kam aber derselbe nicht zum Vorschein, ist auch dem Verlaut nach
nur eine Nacht hier geblieben. In der Gesellschafft der Marchese Piccolo-
mini
waren d[unleserliches Material]ismals unsre neuen Connoissancen : die Marchese Massimi,
Donna Olympia der Piccolomini Schwester, Monsieur Gulielmi und noch
ein ander Praelat aus Flandern, welcher des ietzigen Pabsts Nepote
ist, noch zur Zeit aber von dieser Verwandschafft nichts profitiret
hat. Bey dem Cardinal Tencin sind wir abermal zum dine gewesen,
und haben mit ihm in seiner Retirade an einer kleinen particular-
Tafel gespeiset. Eine Pech schwartze Krähe, mit rothen Füßen und
dergleichen Schnabel aus denen Alpen-Gebürgen, ist des Cardinals-Haus-Thier
und bereits 14 Jahr um ihn gewesen, dahero sie auf seiner Schulter
und auf der Tafel herum zu wandern und von denen Tellern
mit zu eßen privilegiret ist. Die bekannte Nachricht von der Revolu-
tion in Moscau wurde über der Tafel discursive bestätiget, mit
diesem neuen Zusatz, daß 1) die Princessin Elisabeth der Königin
in Ungarn den Vergleich mit denen Competenten zu der Oesterreichischen
Verlaßenschafft angerathen, und daneben eventualiter declariret
habe, daß sie widrigenfals die Parthey derer Bayerischen Alliirte nehmen
würde, 2) daß dem jungen Czaar sein Successions-Recht nach der
Princessin Elisabeth vorbehalten sey. Bey Gelegenheit des auf dem
Tische liegenden breviarii Romani, in welchem man das officium
Pabsts Gregorii VII, worüber in Franckreich und Teutschland vor
etlichen Jahren so viele Bewegung entstund, aufgeschlagen hatte,
erzehlte uns Monsieur Bouchet, daß der ietzige Pabst, als damaliger
Cardinal und Beysitzer der Congregation, solches officium durchaus
nicht dem breviaro einverleibet wißen wollen, die übrigen
aber von dem tempo profitiret hätten, da er verreiset gewesen.
Er bedaurete hiernächst, daß so viele Historien aus der legenda
Sanctorum
in gedachtes breviarium gesetzet worden, und gestund
offenhertzig , daß, wenn er solche passagen, seiner geistlichen Schuldigkeit
nach, lesen müße, er vorher zu Gott ohngefähr also seufftze:
Mon Dieu, je ne crois rien de ce que je lirai acelt' heure, mais
vous savez bien, que je dois etre soumis a l'Eglise, et que je le
fais par humilite et soumission. Er versicherte dabey, daß der
Pabst a peu prer hierinn gleiche Sentimens habe, auch zu Ver-
beßerung des oft gedachten Breviarii in diesem Punct alle mögliche
Anstalt machen werde, wie er denn kürtzlich nur noch mit ihm
von dieser materie gesprochen. Sonst machte er des Pabsts Portrait

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Nummer 57.
Vom 12-16 Januar

In der Conversation bey dem Cardinal Acquaviva machte sich iedermann
Hoffnung den Chef der Spanischen Truppen in der Lombardie Duc de Monte-
mar
zu sehen, als welcher hier angelanget ist und bey dem Cardinal logiret.
Es kam aber derselbe nicht zum Vorschein, ist auch dem Verlaut nach
nur eine Nacht hier geblieben. In der Gesellschafft der Marchese Piccolo-
mini
waren d[unleserliches Material]ismals unsre neuen Connoissancen : die Marchese Massimi,
Donna Olympia der Piccolomini Schwester, Monsieur Gulielmi und noch
ein ander Praelat aus Flandern, welcher des ietzigen Pabsts Nepote
ist, noch zur Zeit aber von dieser Verwandschafft nichts profitiret
hat. Bey dem Cardinal Tencin sind wir abermal zum diné gewesen,
und haben mit ihm in seiner Retirade an einer kleinen particular-
Tafel gespeiset. Eine Pech schwartze Krähe, mit rothen Füßen und
dergleichen Schnabel aus denen Alpen-Gebürgen, ist des Cardinals-Haus-Thier
und bereits 14 Jahr um ihn gewesen, dahero sie auf seiner Schulter
und auf der Tafel herum zu wandern und von denen Tellern
mit zu eßen privilegiret ist. Die bekannte Nachricht von der Revolu-
tion in Moscau wurde über der Tafel discursive bestätiget, mit
diesem neuen Zusatz, daß 1) die Princessin Elisabeth der Königin
in Ungarn den Vergleich mit denen Competenten zu der Oesterreichischen
Verlaßenschafft angerathen, und daneben eventualiter declariret
habe, daß sie widrigenfals die Parthey derer Bayerischen Alliirte nehmen
würde, 2) daß dem jungen Czaar sein Successions-Recht nach der
Princessin Elisabeth vorbehalten sey. Bey Gelegenheit des auf dem
Tische liegenden breviarii Romani, in welchem man das officium
Pabsts Gregorii VII, worüber in Franckreich und Teutschland vor
etlichen Jahren so viele Bewegung entstund, aufgeschlagen hatte,
erzehlte uns Monsieur Bouchet, daß der ietzige Pabst, als damaliger
Cardinal und Beysitzer der Congregation, solches officium durchaus
nicht dem breviaro einverleibet wißen wollen, die übrigen
aber von dem tempo profitiret hätten, da er verreiset gewesen.
Er bedaurete hiernächst, daß so viele Historien aus der legenda
Sanctorum
in gedachtes breviarium gesetzet worden, und gestund
offenhertzig , daß, wenn er solche passagen, seiner geistlichen Schuldigkeit
nach, lesen müße, er vorher zu Gott ohngefähr also seufftze:
Mon Dieu, je ne crois rien de ce que je lirai acelt' heure, mais
vous savez bien, que je dois etre soumis á l'Eglise, et que je le
fais par humilité et soumission. Er versicherte dabey, daß der
Pabst a peu prer hierinn gleiche Sentimens habe, auch zu Ver-
beßerung des oft gedachten Breviarii in diesem Punct alle mögliche
Anstalt machen werde, wie er denn kürtzlich nur noch mit ihm
von dieser materie gesprochen. Sonst machte er des Pabsts Portrait

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[0596] 291 No 57. Vom 12-16 Jan: In der Conversation bey dem Cardinal Acquaviva machte sich iedermann Hoffnung den Chef der Spanil: Truppen in der Lombardie Duc de Monte- mar zu sehen, als welcher hier angelanget ist und bey dem Card. logiret. Es kam aber derselbe nicht zum Vorschein, ist auch dem Verlaut nach nur eine Nacht hier geblieben. In der Gesellschafft der Marchese Piccolo- mini waren dismal unsre neuen Connoissancen : die Marchese Massimi, Donna Olympia der Piccolomini Schwester, Mr. Gulielmi und noch ein ander Praelat aus Flandern, welcher des ietzigen Pabsts Nepote ist, noch zur Zeit aber von dieser Verwandschafft nichts profitiret hat. Bey dem Cardinal Tencin sind wir abermal zum diné gewesen, und haben mit ihm in seiner Retirade an einer kleinen particular- Tafel gespeiset. Eine Pech schwartze Krähe, mit rothen Füßen und dergl: Schnabel aus denen Alpen-Gebürgen, ist des Cardinals-Haus-Thier und bereits 14 Jahr um ihn gewesen, dahero sie auf seiner Schulter und auf der Tafel herum zu wandern und von denen Tellern mit zu eßen privilegiret ist. Die bekannte Nachricht von der Revolu- tion in Moscau wurde über der Tafel discursive bestätiget, mit diesem neuen Zusatz, daß 1) die Princessin Elisabeth der Königin in Ungarn den Vergleich mit denen Competenten zu der Oesterreichl: Verlaßenschafft angerathen, und daneben eventualiter declariret habe, daß sie widrigenfals die Parthey derer Bayerl: Alliirte nehmen würde, 2) daß dem jungen Czaar sein Successions-Recht nach der Princessin Elisabeth vorbehalten sey. Bey Gelegenheit des auf dem Tische liegenden breviarii Romani, in welchem man das officium Pabsts Gregorii VII, worüber in Franckreich und Teutschland vor etlichen Jahren so viele Bewegung entstund, aufgeschlagen hatte, erzehlte uns Mr: Bouchet, daß der ietzige Pabst, als damaliger Cardinal und Beysitzer der Congregation, solches officium durchaus nicht dem breviaro einverleibet wißen wollen, die übrigen aber von dem tempo profitiret hätten, da er verreiset gewesen. Er bedaurete hiernächst, daß so viele Historien aus der legenda Sanctorum in gedachtes breviarium gesetzet worden, und gestund offenhertzig , daß, wenn er solche passagen, seiner geistl: Schuldigkeit nach, lesen müße, er vorher zu Gott ohngefähr also seufftze: Mon Dieu, je ne crois rien de ce que je lirai acelt' heure, mais vous savez bien, que je dois etre soumis á l'Eglise, et que je le fais par humilité et soumission. Er versicherte dabey, daß der Pabst a peu prer hierinn gleiche Sentimens habe, auch zu Ver- beßerung des oft gedachten Breviarii in diesem Punct alle mögliche Anstalt machen werde, wie er denn kürtzlich nur noch mit ihm von dieser materie gesprochen. Sonst machte er des Pabsts Portrait

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/596>, abgerufen am 23.11.2024.