Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].241 angesprochen, und aus seiner Feld-Flasche mit getruncken, undsodann die Mahlzeit reichlich bezahlet, welcherley coups sich denn als ein Lauf-Feuer durch die armee ausgebreitet, und denen Leuten dergestalt das Hertz genommen, daß sie vor ihn mit Freuden in Feuer und Waßer gesprungen wären. Wenn aber die Generalitaet Zum Exempel im Haupt-Quartier freße, sauffe und spiele, und die Soldaten mit hungrigen Mägen solches Haupt- Quartier bedecken müsten, so mache es bey diesen allerdings einen weit andern und gantz contrairen Effect. Sonst erwehnete er, daß die Pfeiffer von seinem Regiment ihm im Felde die Lutherischen Lieder: Aus meines Hertzens-Grunde perge und Wer nur den lieben Gott läst walten perge ienes nehmlich früh, und dieses des Abends, auflasen müßen, da denn oft die Piemonteser Officiers zu ihm gesaget: ces sont des beaux airs, il y a quelque chose de grave dadans, wenn er ihnen nun gesa- get, daß es Lutherische Lieder wären, hätten sie sich darüber verwundert. Und gewiß, hieß es weiter, es sind ein paar recht schöne Lieder, die alle Religionen singen können. Wir nahmen hierbey, wie schon zu mehrenmalen geschehen Gelegenheit, ihm über die motiven oder den praetext seines Abfalls mit guter Art zu sondiren, haben aber weder ietzo, noch iemals darüber etwas positives von ihm vernehmen können, sondern sind mit allerhand vaguen Ausdrücken abgefertiget worden, Zum Exempel man muß Niemand über die Reli- gion verfolgen. Gott wird ieden nach seinem Erkäntniß richten. Ach die Lumpereyen et cetera et cetera Sonsten sahen wir heute noch den hiesigen Ertz-Bischof Catinara nach der Cathe- dral-Kirche vorbey ziehen, um auf heutiges Allerheiligen-Fest die solenne Meße daselbst zu lesen. Das Cortege bestund in zwey Wagens. Vorher ritt ein Geistlicher, welcher das große silberne Ertzbischöfliche Creutz führete, und zu solchem Ende einen runden Schuh am rechten Steig-Bügel befestiget hatte, in welchem besagtes Creutz gleich einer Standarte fest steckte. Neben diesem geistlichen Ritter gingen zu beyden Seiten 6 Ertzbischöfliche Laquaien. Ubrigens erhielten wir heute noch folgende Recommendation-Schreiben, nehmlich von dem Marquis Cassini an den Marchese [unleserliches Material]d'Doria nach Genua und von dem Marquis Bagliotti aber an den Marchese Rivarola nach Genua, an die Marquise Visconti, an den Comte Caino und an den Comte di Beglioso nach Mayland. Den 2 November Da unser längeres Hierbleiben dem Marquis de Breuil bekannt worden, ließ 241 angesprochen, und aus seiner Feld-Flasche mit getruncken, undsodann die Mahlzeit reichlich bezahlet, welcherley coups sich denn als ein Lauf-Feuer durch die armée ausgebreitet, und denen Leuten dergestalt das Hertz genommen, daß sie vor ihn mit Freuden in Feuer und Waßer gesprungen wären. Wenn aber die Generalitaet Zum Exempel im Haupt-Quartier freße, sauffe und spiele, und die Soldaten mit hungrigen Mägen solches Haupt- Quartier bedecken müsten, so mache es bey diesen allerdings einen weit andern und gantz contrairen Effect. Sonst erwehnete er, daß die Pfeiffer von seinem Regiment ihm im Felde die Lutherischen Lieder: Aus meines Hertzens-Grunde perge und Wer nur den lieben Gott läst walten perge ienes nehmlich früh, und dieses des Abends, auflasen müßen, da denn oft die Piemonteser Officiers zu ihm gesaget: ces sont des beaux airs, il y a quelque chose de grave dadans, wenn er ihnen nun gesa- get, daß es Lutherische Lieder wären, hätten sie sich darüber verwundert. Und gewiß, hieß es weiter, es sind ein paar recht schöne Lieder, die alle Religionen singen können. Wir nahmen hierbey, wie schon zu mehrenmalen geschehen Gelegenheit, ihm über die motiven oder den praetext seines Abfalls mit guter Art zu sondiren, haben aber weder ietzo, noch iemals darüber etwas positives von ihm vernehmen können, sondern sind mit allerhand vaguen Ausdrücken abgefertiget worden, Zum Exempel man muß Niemand über die Reli- gion verfolgen. Gott wird ieden nach seinem Erkäntniß richten. Ach die Lumpereyen et cetera et cetera Sonsten sahen wir heute noch den hiesigen Ertz-Bischof Catinara nach der Cathe- dral-Kirche vorbey ziehen, um auf heutiges Allerheiligen-Fest die solenne Meße daselbst zu lesen. Das Cortége bestund in zwey Wagens. Vorher ritt ein Geistlicher, welcher das große silberne Ertzbischöfliche Creutz führete, und zu solchem Ende einen runden Schuh am rechten Steig-Bügel befestiget hatte, in welchem besagtes Creutz gleich einer Standarte fest steckte. Neben diesem geistlichen Ritter gingen zu beyden Seiten 6 Ertzbischöfliche Laquaien. Ubrigens erhielten wir heute noch folgende Recommendation-Schreiben, nehmlich von dem Marquis Cassini an den Marchese [unleserliches Material]d'Doria nach Genua und von dem Marquis Bagliotti aber an den Marchese Rivarola nach Genua, an die Marquise Visconti, an den Comte Caino und an den Comte di Beglioso nach Mayland. 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angesprochen, und aus seiner Feld-Flasche mit getruncken, und
sodann die Mahlzeit reichlich bezahlet, welcherley coups sich denn
als ein Lauf-Feuer durch die armée ausgebreitet, und denen
Leuten dergestalt das Hertz genommen, daß sie vor ihn mit
Freuden in Feuer und Waßer gesprungen wären. Wenn
aber die Generalitaet Z.E. im Haupt-Quartier freße, sauffe und
spiele, und die Soldaten mit hungrigen Mägen solches Haupt-
Quartier bedecken müsten, so mache es bey diesen allerdings
einen weit andern und gantz contrairen Effect. Sonst erwehnete
er, daß die Pfeiffer von seinem Regiment ihm im Felde
die Lutherischen Lieder: Aus meines Hertzens-Grunde p und
Wer nur den lieben Gott läst walten p ienes nehmlich früh,
und dieses des Abends, auflasen müßen, da denn oft die
Piemonteser Officiers zu ihm gesaget: ces sont des beaux airs,
il y a quelque chose de grave dadans, wenn er ihnen nun gesa-
get, daß es Lutheril: Lieder wären, hätten sie sich darüber
verwundert. Und gewiß, hieß es weiter, es sind ein paar
recht schöne Lieder, die alle Religionen singen können. Wir
nahmen hierbey, wie schon zu mehrenmalen geschehen
Gelegenheit, ihm über die motiven oder den praetext seines
Abfalls mit guter Art zu sondiren, haben aber weder ietzo,
noch iemals darüber etwas positives von ihm vernehmen
können, sondern sind mit allerhand vaguen Ausdrücken
abgefertiget worden, Z.E. man muß Niemand über die Reli-
gion verfolgen. Gott wird ieden nach seinem Erkäntniß
richten. Ach die Lumpereyen etc. etc. Sonsten sahen wir
heute noch den hiesigen Ertz-Bischof Catinara nach der Cathe-
dral-Kirche vorbey ziehen, um auf heutiges Allerheiligen-Fest
die solenne Meße daselbst zu lesen. Das Cortége bestund
in zwey Wagens. Vorher ritt ein Geistlicher, welcher das
große silberne Ertzbischöfliche Creutz führete, und zu solchem
Ende einen runden Schuh am rechten Steig-Bügel befestiget
hatte, in welchem besagtes Creutz gleich einer Standarte fest
steckte. Neben diesem geistln. Ritter gingen zu beyden Seiten
6 Ertzbischofl: Laquaien. Ubrigens erhielten wir heute noch
folgende Recommendation-Schreiben, nehml: von dem Marquis
Cassini an den Marchese d'Doria nach Genua von dem Marquis
Bagliotti aber an den Marchese Rivarola nach Genua, an die
Marquise Visconti, an den Comte Caino und an den Comte di Beglioso
nach Mayland.
Den 2 Nov:
Da unser längeres Hierbleiben dem Marquis de Breuil bekannt worden, ließ
derselbe uns zum Mittags-Eßen einladen. Die übrigen Miteßenden waren
seine Gemahlin, seine Schwieger-Tochter Comt: de Favria, sein Bruder der Abbé
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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