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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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großen Saal geführet, woselbst, weil es erst halb 8 Uhr war,
uns durch einen Frater ein Frühstück von Brodt, Butter, Käse
und Wein, welches alles von der besten Sorte war, aufgetragen
wurde. Nach dieser eingenommenen Labung, machten wir
zuvörderst dem Prieur dieses Closters, welcher, wie bekannt,
iedesmal zugleich General des gantzen Ördens ist, unsre
cour. Er heißet Dom de l'Arnage, ist von naissance, und
sein Bruder Lieutenant-General auch Grand d'Espagne.
Man hat ihn im 50sten Jahr seines Alters erst vor 3 Jahren
zu dieser Charge erwählet. Er weiß wohl zu leben, und
bezeigete sich ungemein obligeant bedanckte sich auch, daß
man dem Hause die Ehre des Besuchs gönnen wollen,
redete übrigens von unsern Reisen, und wiese uns endlich
allerley in seinem mit sauberer boiserie ausgesetzten
Zimmer, desgleichen in der großen antichambre deßelben
hangende geistliche Bilder, gröstentheils von der Facon eines
in diesem Closter lebenden Mönchs. Eben diesen besuchten
wir hierauf in seiner Zelle. Er heißet Dom de Butet,
und ist Major unter denen Frantzösischen trouppen gewesen,
vor 6 Jahren aber erst in diesen Orden getreten, und
occupiret sich in denen Neben-Stunden mit Opticis und
mechanicis. Wir sahen bey ihm unter andern in sei-
nem Vor-Zimmer ein gantz deformes Gemählde mit
Waßer-Farben an die Wand geklecket, welches, wenn
es seitwärts durch ein klein in die Thüre gemachtes
Loch betrachtet wurde, den Heiligen Franciscum liegend vor-
stellet. Item eine ordentliche Wand-Uhr mit einem
Ziefer-Blat und accurat gehenden Stunden-Weiser,
deren inwendiges Triebewerck bloß aus klarem gelben
Sande bestehet. Es ist nehmlich hinter dem Ziefer-Blat
ein auf der Kante ohngefähr 3 Finger breites Rad vom
Pappe in der Größe einer kleinen Schüßel befestiget,
und auf denen zwey flachen Seiten, gleich einem
Lotterie-Rade, mit Glaß-Tafeln verschloßen, daß also
nichts herausfallen, und man gleichwol die innere
Beschaffenheit auf das genaueste sehen kan. Inwendig
an der Kante dieses holen Rades sind rund herum gewiße

großen Saal geführet, woselbst, weil es erst halb 8 Uhr war,
uns durch einen Frater ein Frühstück von Brodt, Butter, Käse
und Wein, welches alles von der besten Sorte war, aufgetragen
wurde. Nach dieser eingenommenen Labung, machten wir
zuvörderst dem Prieur dieses Closters, welcher, wie bekannt,
iedesmal zugleich General des gantzen Ørdens ist, unsre
cour. Er heißet Dom de l'Arnage, ist von naissance, und
sein Bruder Lieutenant-General auch Grand d'Espagne.
Man hat ihn im 50sten Jahr seines Alters erst vor 3 Jahren
zu dieser Charge erwählet. Er weiß wohl zu leben, und
bezeigete sich ungemein obligeant bedanckte sich auch, daß
man dem Hause die Ehre des Besuchs gönnen wollen,
redete übrigens von unsern Reisen, und wiese uns endlich
allerley in seinem mit sauberer boiserie ausgesetzten
Zimmer, desgleichen in der großen antichambre deßelben
hangende geistliche Bilder, gröstentheils von der Façon eines
in diesem Closter lebenden Mönchs. Eben diesen besuchten
wir hierauf in seiner Zelle. Er heißet Dom de Butet,
und ist Major unter denen Frantzösischen trouppen gewesen,
vor 6 Jahren aber erst in diesen Orden getreten, und
occupiret sich in denen Neben-Stunden mit Opticis und
mechanicis. Wir sahen bey ihm unter andern in sei-
nem Vor-Zimmer ein gantz deformes Gemählde mit
Waßer-Farben an die Wand geklecket, welches, wenn
es seitwärts durch ein klein in die Thüre gemachtes
Loch betrachtet wurde, den Heiligen Franciscum liegend vor-
stellet. Item eine ordentliche Wand-Uhr mit einem
Ziefer-Blat und accurat gehenden Stunden-Weiser,
deren inwendiges Triebewerck bloß aus klarem gelben
Sande bestehet. Es ist nehmlich hinter dem Ziefer-Blat
ein auf der Kante ohngefähr 3 Finger breites Rad vom
Pappe in der Größe einer kleinen Schüßel befestiget,
und auf denen zwey flachen Seiten, gleich einem
Lotterie-Rade, mit Glaß-Tafeln verschloßen, daß also
nichts herausfallen, und man gleichwol die innere
Beschaffenheit auf das genaueste sehen kan. Inwendig
an der Kante dieses holen Rades sind rund herum gewiße

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[0443] großen Saal geführet, woselbst, weil es erst halb 8 Uhr war, uns durch einen Frater ein Frühstück von Brodt, Butter, Käse und Wein, welches alles von der besten Sorte war, aufgetragen wurde. Nach dieser eingenommenen Labung, machten wir zuvörderst dem Prieur dieses Closters, welcher, wie bekannt, iedesmal zugleich General des gantzen Ørdens ist, unsre cour. Er heißet Dom de l'Arnage, ist von naissance, und sein Bruder Lieutenant-General auch Grand d'Espagne. Man hat ihn im 50sten Jahr seines Alters erst vor 3 Jahren zu dieser Charge erwählet. Er weiß wohl zu leben, und bezeigete sich ungemein obligeant bedanckte sich auch, daß man dem Hause die Ehre des Besuchs gönnen wollen, redete übrigens von unsern Reisen, und wiese uns endlich allerley in seinem mit sauberer boiserie ausgesetzten Zimmer, desgleichen in der großen antichambre deßelben hangende geistliche Bilder, gröstentheils von der Façon eines in diesem Closter lebenden Mönchs. Eben diesen besuchten wir hierauf in seiner Zelle. Er heißet Dom de Butet, und ist Major unter denen Frantzösischen trouppen gewesen, vor 6 Jahren aber erst in diesen Orden getreten, und occupiret sich in denen Neben-Stunden mit Opticis und mechanicis. Wir sahen bey ihm unter andern in sei- nem Vor-Zimmer ein gantz deformes Gemählde mit Waßer-Farben an die Wand geklecket, welches, wenn es seitwärts durch ein klein in die Thüre gemachtes Loch betrachtet wurde, den H. Franciscum liegend vor- stellet. Item eine ordentliche Wand-Uhr mit einem Ziefer-Blat und accurat gehenden Stunden-Weiser, deren inwendiges Triebewerck bloß aus klarem gelben Sande bestehet. Es ist nehmlich hinter dem Ziefer-Blat ein auf der Kante ohngefähr 3 Finger breites Rad vom Pappe in der Größe einer kleinen Schüßel befestiget, und auf denen zwey flachen Seiten, gleich einem Lotterie-Rade, mit Glaß-Tafeln verschloßen, daß also nichts herausfallen, und man gleichwol die innere Beschaffenheit auf das genaueste sehen kan. Inwendig an der Kante dieses holen Rades sind rund herum gewiße

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/443>, abgerufen am 17.09.2024.