Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].hiesige vornehmste Fabrique von reichen Etoffes, welche dieses hiesige vornehmste Fabrique von reichen Etoffes, welche dieses <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0429"/> hiesige vornehmste Fabrique von reichen Etoffes, welche dieses<lb/> besondre hat, daß die Zeuge noch einmal so breit, als bis her<lb/> üblich gewesen, darinn fabriciret werden. Der erste Grund<lb/> von diesen Fabriquen ist, bekanntermaßen, das dessin, und<lb/> machen die desinateurs allhier ein eignes Corps aus, müßen<lb/> auch einen Eid schweren, daß sie kein dessin außer <placeName xml:id="TidB5709" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10371">Landes</placeName><lb/> schicken, vielweniger selbst sich in frembde Lande begeben<lb/> wollen. Die Ubertreter werden mit der Galeren = auch wohl<lb/> gar mit der Galgen-Strafe beleget. Die grösten Negotian-<lb/> ten besolden ihren desinatuer sehr reichlich, und wohl mit<lb/> 10/<choice><abbr>m</abbr><expan>Millionen</expan></choice> <choice><abbr>lt</abbr><expan>Livre tournois</expan></choice>, dahingegen ein solcher aber auch nur allein vor<lb/> seinen Kauffmann arbeiten muß. Die besten desina-<lb/> teurs reisen <choice><abbr>jahrl:</abbr><expan>jährlich</expan></choice> ein bis zweymal nach <placeName xml:id="TidB5708" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10004" ref="http://d-nb.info/gnd/4044660-8">Paris</placeName>, und<lb/> sehen sich am Hofe um, was etwan von denen <choice><abbr>Königl:</abbr><expan>Königlichen</expan></choice><lb/> und andren vornehmsten Personen hauptsächlich getragen<lb/> wird. Dieser gusto wird denn zwar zum Fundament<lb/> gesetzet, doch aber so viel hinzu gekünstelt daß ein neues<lb/> dessin heraus kommt. Wenn das dessin zu Papier gebracht<lb/> ist, so wird erst eine Elle oder weniger zur Probe gewür-<lb/> cket, um zu sehen, ob die Couleuren und Nuances in<lb/> der Seide sich recht zusammen schicken, und wohl in die Augen<lb/> fallen. Hat es damit seine Richtigkeit, so wird das gantze<lb/> dessin durch eine Weibs-Person mit Faden in 4 eckigte Quar-<lb/> tiere geleget, welches genennet wird: lire le dessin. Eine<lb/> andre Weibs-Person bindet die gelegten Faden zusammen,<lb/> damit auf dem Würck-Stuhl, vermittelst zweyer andern<lb/> zur Seite deßelben stehenden Weiber, dasjenige auf<lb/> und niedergezogen werden könne, was der vor dem Stuhl<lb/> sitzende Ouvrier nach Beschaffenheit des dessins auf, oder nie-<lb/> der gezogen haben will. In Summa wie es bey denen ge-<lb/> zogenen Webern beschaffen ist, so ist es auch hier, nur<lb/> aber weitläuffiger, und hat sonderlich der Würcker unzähliche<lb/> kleine Schiffe mit couleurter Seide auch Gold- und Silber-<lb/> Faden auf beyden Seiten zur Hand, welche er nach Erforderung<lb/> des dessins durchwirft und durchsteckt. Zu Verfertigung<lb/> eines Stücks wird über Jahr und Tag erfordert, und war<lb/> eben eine ungemein kostbare robe oder Hof Kleid auf dem<lb/> Würck-Stuhl, davon die Unkosten, wie der <persName xml:id="TidB5710" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10116">Kauffmann</persName> ver-<lb/> sicherte, ihn schon auf 15/<choice><abbr>m</abbr><expan>Millionen</expan></choice> <choice><abbr>lt</abbr><expan>Livre tournois</expan></choice> zu stehen kämen. Wir sahen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0429]
hiesige vornehmste Fabrique von reichen Etoffes, welche dieses
besondre hat, daß die Zeuge noch einmal so breit, als bis her
üblich gewesen, darinn fabriciret werden. Der erste Grund
von diesen Fabriquen ist, bekanntermaßen, das dessin, und
machen die desinateurs allhier ein eignes Corps aus, müßen
auch einen Eid schweren, daß sie kein dessin außer Landes
schicken, vielweniger selbst sich in frembde Lande begeben
wollen. Die Ubertreter werden mit der Galeren = auch wohl
gar mit der Galgen-Strafe beleget. Die grösten Negotian-
ten besolden ihren desinatuer sehr reichlich, und wohl mit
10/m lt, dahingegen ein solcher aber auch nur allein vor
seinen Kauffmann arbeiten muß. Die besten desina-
teurs reisen jahrl: ein bis zweymal nach Paris, und
sehen sich am Hofe um, was etwan von denen Königl:
und andren vornehmsten Personen hauptsächlich getragen
wird. Dieser gusto wird denn zwar zum Fundament
gesetzet, doch aber so viel hinzu gekünstelt daß ein neues
dessin heraus kommt. Wenn das dessin zu Papier gebracht
ist, so wird erst eine Elle oder weniger zur Probe gewür-
cket, um zu sehen, ob die Couleuren und Nuances in
der Seide sich recht zusammen schicken, und wohl in die Augen
fallen. Hat es damit seine Richtigkeit, so wird das gantze
dessin durch eine Weibs-Person mit Faden in 4 eckigte Quar-
tiere geleget, welches genennet wird: lire le dessin. Eine
andre Weibs-Person bindet die gelegten Faden zusammen,
damit auf dem Würck-Stuhl, vermittelst zweyer andern
zur Seite deßelben stehenden Weiber, dasjenige auf
und niedergezogen werden könne, was der vor dem Stuhl
sitzende Ouvrier nach Beschaffenheit des dessins auf, oder nie-
der gezogen haben will. In Summa wie es bey denen ge-
zogenen Webern beschaffen ist, so ist es auch hier, nur
aber weitläuffiger, und hat sonderlich der Würcker unzähliche
kleine Schiffe mit couleurter Seide auch Gold- und Silber-
Faden auf beyden Seiten zur Hand, welche er nach Erforderung
des dessins durchwirft und durchsteckt. Zu Verfertigung
eines Stücks wird über Jahr und Tag erfordert, und war
eben eine ungemein kostbare robe oder Hof Kleid auf dem
Würck-Stuhl, davon die Unkosten, wie der Kauffmann ver-
sicherte, ihn schon auf 15/m lt zu stehen kämen. Wir sahen
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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