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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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vor ungewiß hielte, weil gedachter Churfürst, gleich allen Schönbornen,
im höchsten Grad Oesterreichisch sey. Aus dem Accord welchen Bayern und Pfalz
des Vicariats wegen, mit einander geschloßen, wurde die Folgerung gezogen,
daß ietztgedachte beyde Häuser benebenst Cölln, sich genau vereiniget haben
müsten, die Bayerische Praetensiones gegen Oesterreich zu Sonteniren. Bey
der Tafel, an welcher der Cardinal oben an und mit seinem Hut bedeckt
sitzet, waren dismal die übrigen Gäste: Mademoiselle de Souze, welche
eine Verwandtin des Cardinals ist: le Chevalier de Polignac, des Cardinals
Neven: Monsieur de Real, ein in Staats-Sachen wohl bewanderter und sehr
gesprächiger Mann: und endlich 2 Abbes benebst einem Cavalier, welche
3 letzten in des Cardinals Diensten sind. Es wurde mancherley aus
der Historie discouriret, sonderlich von dem Project des Kaysers Maximilian
Pabst zu werden, wovon er an seine Tochter in diesen Terminis geschrieben,
daß ihm nichts angenehmer seyn würde, als wenn sie ihm künftig seine
Pantoffeln würde küßen müßen. Auch machte der Cardinal einige
moralische Reflexiones über diejenigen Menschen, welche alle ihre
Glückseeligkeit in diesem Leben suchten, und sich dennoch daßelbe durch
ihre eigne Schuld so schrecklich sauer machten. Zum Beweiß aber,
daß das zukünftige Leben erst das rechte Leben sey, worauf der Mensch
alles zu zu schneiden habe, machte er die Rechnung, daß man von
einem ziemlich langen Leben eines Menschen, kaum etliche Tage
heraus bringen würde, die den Nahmen eines Lebens verdienten,
wenn die Zeit der jugendlichen Ausschweiffungen, des Schlafens, des
Kranck seyns, des Chagrins perge von dem gantzen Lebens-Lauff abgezogen
würden. Nach der Tafel sprach man von der Zeitung, daß der
König von Preußen, zu Erlangung der Kayserlichen Crone, sich zur catholi-
schen Religion bekennen werde, welche der Cardinal an ihren Ort
gestellet seyn ließ, die gantze Gesellschaft auch der Meinung war,
daß die Brandenburgischen Lande zu weit von Italien entfernet,
auf welches Land gleichwol ein Teutscher Kayser seine attention
mit zu richten hätte. Halb 3 Uhr geschahe der Aufbruch nach der
academie des Sciences welche im Louvre ihre Sessiones hält,
und nahm der Cardinal Illustrissimum in seinen Wagen, wir übrigen
aber folgten in dem unsrigen, benebst einem Cavalier
des Cardinals immediate nach, und hatten dismal die prareogation,
daß unsre Carosse, als zur Suite des Cardinals gehörig, mit
in des Louvre hinein passirete. Illustrissimus ging neben dem Cardinal,
wir übrigen aber vor ihm her, bis in den Saal der Versammlung.
Die Tafeln, an welchen die Mitglieder der Academie sitzen,
sind nach dem hier beystehenden Schemate ranguirt:

vor ungewiß hielte, weil gedachter Churfürst, gleich allen Schönbornen,
im höchsten Grad Oesterreichisch sey. Aus dem Accord welchen Bayern und Pfalz
des Vicariats wegen, mit einander geschloßen, wurde die Folgerung gezogen,
daß ietztgedachte beyde Häuser benebenst Cölln, sich genau vereiniget haben
müsten, die Bayerische Praetensiones gegen Oesterreich zu Sonteniren. Bey
der Tafel, an welcher der Cardinal oben an und mit seinem Hut bedeckt
sitzet, waren dismal die übrigen Gäste: Mademoiselle de Souze, welche
eine Verwandtin des Cardinals ist: le Chevalier de Polignac, des Cardinals
Neven: Monsieur de Real, ein in Staats-Sachen wohl bewanderter und sehr
gesprächiger Mann: und endlich 2 Abbés benebst einem Cavalier, welche
3 letzten in des Cardinals Diensten sind. Es wurde mancherley aus
der Historie discouriret, sonderlich von dem Project des Kaysers Maximilian
Pabst zu werden, wovon er an seine Tochter in diesen Terminis geschrieben,
daß ihm nichts angenehmer seyn würde, als wenn sie ihm künftig seine
Pantoffeln würde küßen müßen. Auch machte der Cardinal einige
moralische Reflexiones über diejenigen Menschen, welche alle ihre
Glückseeligkeit in diesem Leben suchten, und sich dennoch daßelbe durch
ihre eigne Schuld so schrecklich sauer machten. Zum Beweiß aber,
daß das zukünftige Leben erst das rechte Leben sey, worauf der Mensch
alles zu zu schneiden habe, machte er die Rechnung, daß man von
einem ziemlich langen Leben eines Menschen, kaum etliche Tage
heraus bringen würde, die den Nahmen eines Lebens verdienten,
wenn die Zeit der jugendlichen Ausschweiffungen, des Schlafens, des
Kranck seyns, des Chagrins perge von dem gantzen Lebens-Lauff abgezogen
würden. Nach der Tafel sprach man von der Zeitung, daß der
König von Preußen, zu Erlangung der Kayserlichen Crone, sich zur catholi-
schen Religion bekennen werde, welche der Cardinal an ihren Ort
gestellet seyn ließ, die gantze Gesellschaft auch der Meinung war,
daß die Brandenburgischen Lande zu weit von Italien entfernet,
auf welches Land gleichwol ein Teutscher Kayser seine attention
mit zu richten hätte. Halb 3 Uhr geschahe der Aufbruch nach der
academie des Sciences welche im Louvre ihre Sessiones hält,
und nahm der Cardinal Illustrissimum in seinen Wagen, wir übrigen
aber folgten in dem unsrigen, benebst einem Cavalier
des Cardinals immediate nach, und hatten dismal die prareogation,
daß unsre Carosse, als zur Suite des Cardinals gehörig, mit
in des Louvre hinein passirete. Illustrissimus ging neben dem Cardinal,
wir übrigen aber vor ihm her, bis in den Saal der Versammlung.
Die Tafeln, an welchen die Mitglieder der Academie sitzen,
sind nach dem hier beystehenden Schemate ranguirt:

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/41>, abgerufen am 21.11.2024.