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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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die Mühle des Orts mit abgiebet, aus der Seine auf das
mercklich höher gelegene Schloß in bleyernen Röhren hinauf
geleitet. Als der Erbauer deßelben noch gelebet, ist
Louis XIV mit seiner gäntzen Hofstadt öfters hier gewesen,

2.) St: Germain, woselbst wir Mittags speiseten. Das
hiesige alte Schloß, so Franciscus I erbauet, und Louis XIV
erweitert, ist massiv und a l'antique schön, obzwar
nicht regulair. Die Einwohner sind lauter Englische
refugies, oder Jacobitische Martyrer, von condition,
welche vom König pensiones genießen. Auf dem
balcon welcher mit einem eisernen Geländer um
das gantze Schloß herum gehet, noch beßer aber auf
dem platten mit Quader-Stücken und Bley gedecktem
Dache, übersiehet man auf einer Seite den gantz simplen
Garten und den desto schönern Wald, auf der andern
Seite aber die vortreffliche plaine, in welcher die Seine
fließet. Die Capelle dieses Schloßes ist schön, und
das Altar-Bild, so Louis XIII durch den berühmten Poussin
verfertigen laßen, sehr zu aestimiren, auch fehlet es
nicht an kostbaren Meßgewanden und anderen orna-
menten, wie denn unter andern die Bedeckung
des Monstrantzen-Häusgens auf dem Altar, welche
Königs Jacobi II Gemahlin in ihrem hiesigen exilio
mit eigner Hand a petit point verfertiget, recht
magnifique ist. Das sogenannte neue Schloß hieselbst,
welches Henri IV dem alten gegen über, und just
auf den Rand der Höhe gebauet, und einen Garten
von 6 starck unterwölbten terrassen nach dem Thal
hinunter dabey angeleget, ist ein rechtes Bild der Vergänglig-
keit. Denn die galerien sind ietzo Korn-Böden, und die
darinn noch hengende schönen Gemählde sind vor Un-
sauberkeit kaum mehr kenntlich: die boiserie in denen
Zimmern ist aller Orten delabriret, und die alcove, darinn
Louis XIII gebohren worden, ein Staub-Winckel: Die kostbaren
Treppen im Garten sind zerfallen, und die Gewölber
derer terrassen an vielen Orten eingesuncken. In

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die Mühle des Orts mit abgiebet, aus der Seine auf das
mercklich höher gelegene Schloß in bleyernen Röhren hinauf
geleitet. Als der Erbauer deßelben noch gelebet, ist
Louis XIV mit seiner gäntzen Hofstadt öfters hier gewesen,

2.) St: Germain, woselbst wir Mittags speiseten. Das
hiesige alte Schloß, so Franciscus I erbauet, und Louis XIV
erweitert, ist massiv und à l'antique schön, obzwar
nicht regulair. Die Einwohner sind lauter Englische
refugiés, oder Jacobitische Martyrer, von condition,
welche vom König pensiones genießen. Auf dem
balcon welcher mit einem eisernen Geländer um
das gantze Schloß herum gehet, noch beßer aber auf
dem platten mit Quader-Stücken und Bley gedecktem
Dache, übersiehet man auf einer Seite den gantz simplen
Garten und den desto schönern Wald, auf der andern
Seite aber die vortreffliche plaine, in welcher die Seine
fließet. Die Capelle dieses Schloßes ist schön, und
das Altar-Bild, so Louis XIII durch den berühmten Poussin
verfertigen laßen, sehr zu aestimiren, auch fehlet es
nicht an kostbaren Meßgewanden und anderen orna-
menten, wie denn unter andern die Bedeckung
des Monstrantzen-Häusgens auf dem Altar, welche
Königs Jacobi II Gemahlin in ihrem hiesigen exilio
mit eigner Hand à petit point verfertiget, recht
magnifique ist. Das sogenannte neue Schloß hieselbst,
welches Henri IV dem alten gegen über, und just
auf den Rand der Höhe gebauet, und einen Garten
von 6 starck unterwölbten terrassen nach dem Thal
hinunter dabey angeleget, ist ein rechtes Bild der Vergänglig-
keit. Denn die galerien sind ietzo Korn-Böden, und die
darinn noch hengende schönen Gemählde sind vor Un-
sauberkeit kaum mehr kenntlich: die boiserie in denen
Zimmern ist aller Orten delabriret, und die alcove, darinn
Louis XIII gebohren worden, ein Staub-Winckel: Die kostbaren
Treppen im Garten sind zerfallen, und die Gewölber
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[0328] 157 die Mühle des Orts mit abgiebet, aus der Seine auf das mercklich höher gelegene Schloß in bleyernen Röhren hinauf geleitet. Als der Erbauer deßelben noch gelebet, ist Louis XIV mit seiner gäntzen Hofstadt öfters hier gewesen, 2.) St: Germain, woselbst wir Mittags speiseten. Das hiesige alte Schloß, so Franciscus I erbauet, und Louis XIV erweitert, ist massiv und à l'antique schön, obzwar nicht regulair. Die Einwohner sind lauter Englische refugiés, oder Jacobitische Martyrer, von condition, welche vom König pensiones genießen. Auf dem balcon welcher mit einem eisernen Geländer um das gantze Schloß herum gehet, noch beßer aber auf dem platten mit Quader-Stücken und Bley gedecktem Dache, übersiehet man auf einer Seite den gantz simplen Garten und den desto schönern Wald, auf der andern Seite aber die vortreffliche plaine, in welcher die Seine fließet. Die Capelle dieses Schloßes ist schön, und das Altar-Bild, so Louis XIII durch den berühmten Poussin verfertigen laßen, sehr zu aestimiren, auch fehlet es nicht an kostbaren Meßgewanden und anderen orna- menten, wie denn unter andern die Bedeckung des Monstrantzen-Häusgens auf dem Altar, welche Königs Jacobi II Gemahlin in ihrem hiesigen exilio mit eigner Hand à petit point verfertiget, recht magnifique ist. Das sogenannte neue Schloß hieselbst, welches Henri IV dem alten gegen über, und just auf den Rand der Höhe gebauet, und einen Garten von 6 starck unterwölbten terrassen nach dem Thal hinunter dabey angeleget, ist ein rechtes Bild der Vergänglig- keit. Denn die galerien sind ietzo Korn-Böden, und die darinn noch hengende schönen Gemählde sind vor Un- sauberkeit kaum mehr kenntlich: die boiserie in denen Zimmern ist aller Orten delabriret, und die alcove, darinn Louis XIII gebohren worden, ein Staub-Winckel: Die kostbaren Treppen im Garten sind zerfallen, und die Gewölber derer terrassen an vielen Orten eingesuncken. In

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/328>, abgerufen am 03.12.2024.