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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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und gedruckten Beschreibungen, gantz überflüßig wäre. Weil es
helle und warm war, bestiegen wir auch einen von denen 2 Hohen
Thürmen dieser Kirche. Sie sind, bekantermaßen, oben platt, und
mit einer Brust-Lehne von Werck-Stücken versehen, von welchem
bequemen Ort wir also die großmächtige Stadt Paris, welche
ohngefähr 2 starcke frantzösische Meilen im Durchschnitt, und
6 dergleichen Meilen im Umfang hat, und darinn man mehr,
als sieben mal hundert tausend Einwohner rechnet, gantz über-
sehen konten. Wie lebhaft es auf diesem Platz der Erden bey
der Auferstehung seyn werde, das kan man sich kaum vorstellen.
Unter denen Begräbniß-Capellen in der Kirche sind die von dem
berühmten Cardinal de Rez, und die vom Cardinal de Noailles
die merckwürdigsten. Nach überstandener Thurm-Fatique, ruheten
wir bey der Marquise de Montbrun wieder aus, trafen auch da-
selbst den Comte de Lutzelbourg und Monsieur d'Artanac an. Madame
de Montbrun
reprochirte dem erstern, daß er seine Heirath
Illustrissimo nicht en forme notificiret, welches hier vermittelst gewißer
gedruckten Zettel geschiehet, die zu denen Verwandten und Be-
kanten in die Häuser geschicket werden. Da er denn hoch und
theuer versicherte, daß er persönlich nicht nur vor unserm Quar-
tier
gewesen und Illustrissimum nicht zu Hause gefunden, sondern
auch dem Zettel-Träger Illustrissimi Nahmen und Qurtier eigenhändig
auf die Liste geschrieben habe, worüber von beyden Theilen
vergebliche Complimente gemacht wurden. Zum völligen
Beschluß dieses Abends wurde noch beym Duc de Gesvres der
Abtritt genommen, woselbst, außer etlichen Dames, der Comte de
Beaune
Lieutenant General und Chevalier du Saint Esprit, Baron
Montmorency
, Marquise de Montbrun und viele andre gegen-
wärtig waren. Es war hier unter der Hand zu vernehmen,
daß die ehemals erwehnte Aufhebung des Geverischen Spiel-Hau-
ses nicht aus freyer Bewegniß, sondern deswegen geschehen,
weil der König, oder vielmehr der Cardinal zu erkennen gegeben,
wie solches dem Hofe angenehm seyn würde, item, daß der
Duc de Gesvres dadurch nicht 40tausend Livres, sondern 40tausend Ecus, oder
120tausend Livres jährliche Einkünfte einbüße, und deswegen um
so mehr embarrassiret sey, da sein vor wenig Tagen verstor-
bener Oncle, le Chevalier de Gesvres, ihm seine gantze Erbschaft
entzogen, und solche gantz fremden Leuten zugewendet. Dieser
Chevalier de Gesvres hat seit geraumen Jahren in einer Abso-
luten retraite gelebet, und Niemand, als eine alte Köchin und
einen alten domestiquen um sich gehabt, mit denen er nothdürftig
sich beholffen, alle übrige Revenuen aber denen um des Jansenismi

und gedruckten Beschreibungen, gantz überflüßig wäre. Weil es
helle und warm war, bestiegen wir auch einen von denen 2 Hohen
Thürmen dieser Kirche. Sie sind, bekantermaßen, oben platt, und
mit einer Brust-Lehne von Werck-Stücken versehen, von welchem
bequemen Ort wir also die großmächtige Stadt Paris, welche
ohngefähr 2 starcke frantzösische Meilen im Durchschnitt, und
6 dergleichen Meilen im Umfang hat, und darinn man mehr,
als sieben mal hundert tausend Einwohner rechnet, gantz über-
sehen konten. Wie lebhaft es auf diesem Platz der Erden bey
der Auferstehung seyn werde, das kan man sich kaum vorstellen.
Unter denen Begräbniß-Capellen in der Kirche sind die von dem
berühmten Cardinal de Rez, und die vom Cardinal de Noailles
die merckwürdigsten. Nach überstandener Thurm-Fatique, ruheten
wir bey der Marquise de Montbrun wieder aus, trafen auch da-
selbst den Comte de Lutzelbourg und Monsieur d’Artanac an. Madame
de Montbrun
reprochirte dem erstern, daß er seine Heirath
Illustrissimo nicht en forme notificiret, welches hier vermittelst gewißer
gedruckten Zettel geschiehet, die zu denen Verwandten und Be-
kanten in die Häuser geschicket werden. Da er denn hoch und
theuer versicherte, daß er persönlich nicht nur vor unserm Quar-
tier
gewesen und Illustrissimum nicht zu Hause gefunden, sondern
auch dem Zettel-Träger Illustrissimi Nahmen und Qurtier eigenhändig
auf die Liste geschrieben habe, worüber von beyden Theilen
vergebliche Complimente gemacht wurden. Zum völligen
Beschluß dieses Abends wurde noch beym Duc de Gesvres der
Abtritt genommen, woselbst, außer etlichen Dames, der Comte de
Beaune
Lieutenant General und Chevalier du Saint Esprit, Baron
Montmorency
, Marquise de Montbrun und viele andre gegen-
wärtig waren. Es war hier unter der Hand zu vernehmen,
daß die ehemals erwehnte Aufhebung des Geverischen Spiel-Hau-
ses nicht aus freyer Bewegniß, sondern deswegen geschehen,
weil der König, oder vielmehr der Cardinal zu erkennen gegeben,
wie solches dem Hofe angenehm seyn würde, item, daß der
Duc de Gesvres dadurch nicht 40tausend Livres, sondern 40tausend Ecus, oder
120tausend Livres jährliche Einkünfte einbüße, und deswegen um
so mehr embarrassiret sey, da sein vor wenig Tagen verstor-
bener Oncle, le Chevalier de Gesvres, ihm seine gantze Erbschaft
entzogen, und solche gantz fremden Leuten zugewendet. Dieser
Chevalier de Gesvres hat seit geraumen Jahren in einer Abso-
luten retraite gelebet, und Niemand, als eine alte Köchin und
einen alten domestiquen um sich gehabt, mit denen er nothdürftig
sich beholffen, alle übrige Revenuen aber denen um des Jansenismi

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[0261] und gedruckten Beschreibungen, gantz überflüßig wäre. Weil es helle und warm war, bestiegen wir auch einen von denen 2 Hohen Thürmen dieser Kirche. Sie sind, bekantermaßen, oben platt, und mit einer Brust-Lehne von Werck-Stücken versehen, von welchem bequemen Ort wir also die großmächtige Stadt Paris, welche ohngefähr 2 starcke frantzösische Meilen im Durchschnitt, und 6 dergl: Meilen im Umfang hat, und darinn man mehr, als sieben mal hundert tausend Einwohner rechnet, gantz über- sehen konten. Wie lebhaft es auf diesem Platz der Erden bey der Auferstehung seyn werde, das kan man sich kaum vorstellen. Unter denen Begräbniß-Capellen in der Kirche sind die von dem berühmten Cardinal de Rez, und die vom Cardinal de Noailles die merckwürdigsten. Nach überstandener Thurm-Fatique, ruheten wir bey der Marquise de Montbrun wieder aus, trafen auch da- selbst den Comte de Lutzelbourg und Mr. d’Artanac an. Madame de Montbrun reprochirte dem erstern, daß er seine Heirath Illmo nicht en forme notificiret, welches hier vermittelst gewißer gedruckten Zettel geschiehet, die zu denen Verwandten und Be- kanten in die Häuser geschicket werden. Da er denn hoch und theuer versicherte, daß er persönlich nicht nur vor unserm Quar- tier gewesen und Illmum nicht zu Hause gefunden, sondern auch dem Zettel-Träger Illmi Nahmen und Qurtier eigenhändig auf die Liste geschrieben habe, worüber von beyden Theilen vergebliche Complimente gemacht wurden. Zum völligen Beschluß dieses Abends wurde noch beym Duc de Gesvres der Abtritt genommen, woselbst, außer etlichen Dames, der Comte de Beaune Lieutenant General und Chevalier du St: Esprit, Baron Montmorency, Marquise de Montbrun und viele andre gegen- wärtig waren. Es war hier unter der Hand zu vernehmen, daß die ehemals erwehnte Aufhebung des Geverischen Spiel-Hau- ses nicht aus freyer Bewegniß, sondern deswegen geschehen, weil der König, oder vielmehr der Cardinal zu erkennen gegeben, wie solches dem Hofe angenehm seyn würde, item, daß der Duc de Gesvres dadurch nicht 40/m Livres, sondern 40/m Ecus, oder 120/m Livres jährliche Einkünfte einbüße, und deswegen um so mehr embarrassiret sey, da sein vor wenig Tagen verstor- bener Oncle, le Chevalier de Gesvres, ihm seine gantze Erbschaft entzogen, und solche gantz fremden Leuten zugewendet. Dieser Chevalier de Gesvres hat seit geraumen Jahren in einer Abso- luten retraite gelebet, und Niemand, als eine alte Köchin und einen alten domestiquen um sich gehabt, mit denen er nothdürftig sich beholffen, alle übrige Revenuen aber denen um des Jansenismi

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/261>, abgerufen am 27.11.2024.