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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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und bedauert in der Jugend versäumet worden zu seyen, suchet es deswegen bey sei-
nen jungen Herr zu redsessiren und hat die 2 ältesten nach Closter Bergen geschickt

Manheim den 28 September

Auf dem Altar des neu und prächtig erbauten Churfürstlichen Schloßes übersiehet man
nicht nur die vollkommen regulair erbaute Stadt, sondern auch die gantze Gegend an
dem Rhein und Neckar, auch Heidelberg und Speier, mit dem allergrösten Vergnügen.
Der Vorrath an den Gemählden, welche gröstentheils von Düßeldorff hierher trans-
portiret worden, ist vortreflich und in dem sogenannten Schatz ein treflicher
Vorrath von mancherley Antiquitaeten des Pfaltzischen Hauses, unter andern
die Crone des unglücklichen Winter-Königs Friderici von Gold mit Steinen
gantz sparsam besetzt.

Kehl den 30 September

Der Einbruch des Rheins drohet dieser Vestung den gäntzlich Untergang und
ist die teutsche Seite des Rheins von der frantzösischen wie Tag und Nacht unterschiedlich
indem gleich zu Ende der Rhein-Brücke von dem daselbst stehenden ersten
frantzösische Corp de Guarde an, bis nach Strasburg die Passage mit Schantzen
Abschnitten und andern Wercken aufs allerbeste besetzet und versehen ist.

Strasburg vom 30 September bis den 4. October

Von dem sehenswürdigen Münster und deßen Thurm ist in dem sogenanten
Thurm-Büchlein genugsame Nachricht zu finden. Der Comte de Broglio
Marechal de France Comendant de la Province d'Alsace et Chevalier du
Saint Esprit, ist hier der vornehmste und dem Geschlecht nach, ein Piemontös-
er scheinet auch der Gestalt und Vivacite nach, mehr eine Italiänische als
frantzösl Seele zu haben. Vor der Tafel wurde en Cercle mehrentheil
sitzend mancherley indifferentes gesprochen, sodann aber an 2 Tafeln
ziemlich wohl gespeiset, wobey iedoch der Aufsatz von leeren Deckel-
Gläsern auf der mitten der Tafel kein besonders Ansehen machte.
Die Haupt-Personen bey der Tafel waren, außer dem Marechal 1) deßen
Gemahlin, 2) sein kleiner Sohn von 5 Jahren, welcher zum geistlichen Stand
destiniret ist, 3.) deßen Schwieger-Tochter, welche an einen Obristen
verheiratet, 4.) Monsieur l'Intendant de Broue. 5) Monsieur le Comte de Leon
Chanoine de Strasbourg de la maison de Rohan-Soubise, qui fait ses
etudes a Paris dans le College de la Marche. 6.) Monsieur le Comte de l'
Colonel.
7.) Madame son Eponse. 8.) Monsieur de Segure fils du Commandant
de Nancy. Auf dem Fuß-Boden des Eß-Saals war es überaus kötig
und staubigt. Die Guarnison bestehet dermalen aus 10 Regimentern und
wurde Sonntags nachmittage als den 1 October im Feld eine sogenannte
Bataille gehalten, welche darinn bestanden, daß die Miliz in 2 CamCampagnen
gegen einander gefeuret, davon das eine ein weißes und das andre ein
grünes Feld-Zeichen auf dem Hut geführet. Als etwas bizarres ist anzu-
mercken daß das Regiement de Piemont nicht nur weiß mit schwartzen
Aufschlägen gekleidet ist, sondern auch schwartze Fahnen mit einem weiß

und bedauert in der Jugend versäumet worden zu seyen, suchet es deswegen bey sei-
nen jungen Herr zu redsessiren und hat die 2 ältesten nach Closter Bergen geschickt

Manheim den 28 September

Auf dem Altar des neu und prächtig erbauten Churfürstlichen Schloßes übersiehet man
nicht nur die vollkommen regulair erbaute Stadt, sondern auch die gantze Gegend an
dem Rhein und Neckar, auch Heidelberg und Speier, mit dem allergrösten Vergnügen.
Der Vorrath an den Gemählden, welche gröstentheils von Düßeldorff hierher trans-
portiret worden, ist vortreflich und in dem sogenannten Schatz ein treflicher
Vorrath von mancherley Antiquitaeten des Pfaltzischen Hauses, unter andern
die Crone des unglücklichen Winter-Königs Friderici von Gold mit Steinen
gantz sparsam besetzt.

Kehl den 30 September

Der Einbruch des Rheins drohet dieser Vestung den gäntzlich Untergang und
ist die teutsche Seite des Rheins von der frantzösischen wie Tag und Nacht unterschiedlich
indem gleich zu Ende der Rhein-Brücke von dem daselbst stehenden ersten
frantzösische Corp de Guarde an, bis nach Strasburg die Passage mit Schantzen
Abschnitten und andern Wercken aufs allerbeste besetzet und versehen ist.

Strasburg vom 30 September bis den 4. October

Von dem sehenswürdigen Münster und deßen Thurm ist in dem sogenanten
Thurm-Büchlein genugsame Nachricht zu finden. Der Comte de Broglio
Marechal de France Comendant de la Province d’Alsace et Chevalier du
Saint Esprit, ist hier der vornehmste und dem Geschlecht nach, ein Piemontös-
er scheinet auch der Gestalt und Vivacité nach, mehr eine Italiänische als
frantzösl Seele zu haben. Vor der Tafel wurde en Cercle mehrentheil
sitzend mancherley indifferentes gesprochen, sodann aber an 2 Tafeln
ziemlich wohl gespeiset, wobey iedoch der Aufsatz von leeren Deckel-
Gläsern auf der mitten der Tafel kein besonders Ansehen machte.
Die Haupt-Personen bey der Tafel waren, außer dem Marechal 1) deßen
Gemahlin, 2) sein kleiner Sohn von 5 Jahren, welcher zum geistlichen Stand
destiniret ist, 3.) deßen Schwieger-Tochter, welche an einen Obristen
verheiratet, 4.) Monsieur l’Intendant de Broue. 5) Monsieur le Comte de Leon
Chanoine de Strasbourg de la maison de Rohan-Soubise, qui fait ses
etudes à Paris dans le College de la Marche. 6.) Monsieur le Comte de l‘
Colonel.
7.) Madame son Eponse. 8.) Monsieur de Segure fils du Commandant
de Nancy. Auf dem Fuß-Boden des Eß-Saals war es überaus kötig
und staubigt. Die Guarnison bestehet dermalen aus 10 Regimentern und
wurde Sonntags nachmittage als den 1 October im Feld eine sogenannte
Bataille gehalten, welche darinn bestanden, daß die Miliz in 2 CamCampagnen
gegen einander gefeuret, davon das eine ein weißes und das andre ein
grünes Feld-Zeichen auf dem Hut geführet. Als etwas bizarres ist anzu-
mercken daß das Regiement de Piemont nicht nur weiß mit schwartzen
Aufschlägen gekleidet ist, sondern auch schwartze Fahnen mit einem weiß

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[0015] u bedauert in der Jugend versäumet worden zu seyen, suchet es deswegen bey sei- nen jungen Herr zu redsessiren u. hat die 2 ältesten nach Closter Bergen geschickt Manheim d. 28 Sept: Auf dem Altar des neu u. prächtig erbauten Churfürstl. Schloßes übersiehet man nicht nur die vollkommen regulair erbaute Stadt, sondern auch die gantze Gegend an dem Rhein u. Neckar, auch Heidelberg u. Speier, mit dem allergrösten Vergnügen. Der Vorrath an den Gemählden, welche gröstentheils von Düßeldorff hierher trans- portiret worden, ist vortreflich u. in dem sogenannten Schatz ein treflicher Vorrath von mancherley Antiquitaeten des Pfaltzischen Hauses, unter andern die Crone des unglückl: Winter-Königs Friderici von Gold mit Steinen gantz sparsam besetzt. Kehl d: 30 Sept. Der Einbruch des Rheins drohet dieser Vestung den gäntzlich Untergang und ist die teutsche Seite des Rheins von der frantzöl: wie Tag u. Nacht unterschiedlich indem gleich zu Ende der Rhein-Brücke von dem daselbst stehenden ersten frantzöl: Corp de Guarde an, bis nach Strasburg die Passage mit Schantzen Abschnitten und andern Wercken aufs allerbeste besetzet u. versehen ist. Strasburg vom 30 Sept. bis d 4. Octobr. Von dem sehenswürdigen Münster u. deßen Thurm ist in dem sogenanten Thurm-Büchlein genugsame Nachricht zu finden. Der Comte de Broglio Marechal de France Comendant de la Province d’Alsace et Chevalier du St. Esprit, ist hier der vornehmste u. dem Geschlecht nach, ein Piemontös- er scheinet auch der Gestalt u. Vivacité nach, mehr eine Italiänische als frantzösl Seele zu haben. Vor der Tafel wurde en Cercle mehrentheil sitzend mancherley indifferentes gesprochen, sodann aber an 2 Tafeln ziemlich wohl gespeiset, wobey iedoch der Aufsatz von leeren Deckel- Gläsern auf der mitten der Tafel kein besonders Ansehen machte. Die Haupt-Personen bey der Tafel waren, außer dem Marechal 1) deßen Gemahlin, 2) sein kleiner Sohn von 5 Jahren, welcher zum geistl. Stand destiniret ist, 3.) deßen Schwieger-Tochter, welche an einen Obristen verheiratet, 4.) Mons. l’Intendant de Broue. 5) Mons. le Comte de Leon Chanoine de Strasbourg de la maison de Rohan-Soubise, qui fait ses etudes à Paris dans le College de la Marche. 6.) Mons. le Comte de l‘ Colonel. 7.) Madame son Eponse. 8.) Mons. de Segure fils du Commandant de Nancy. Auf dem Fuß-Boden des Eß-Saals war es überaus kötig u. staubigt. Die Guarnison bestehet dermalen aus 10 Regimentern u. wurde Sonntags nachmittage als d 1 Octobr. im Feld eine sogenannte Bataille gehalten, welche darinn bestanden, daß die Miliz in 2 Campagnen gegen einander gefeuret, davon das eine ein weißes u. das andre ein grünes Feld-Zeichen auf dem Hut geführet. Als etwas bizarres ist anzu- mercken daß das Regiement de Piemont nicht nur weiß mit schwartzen Aufschlägen gekleidet ist, sondern auch schwartze Fahnen mit einem weiß

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/15>, abgerufen am 23.11.2024.