Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].58 seine kleine Insul angeländet, sich freundlich und behülflich erwie-sen, und dabey sehr devot gelebet, dahero denn beyderley Glaubens- Verwandten ihm von Zeit zu Zeit allerhand Presente gemacht, daß er auf diese Weise ziemlich reich worden, und sein Ländgen recht artig cultiviret. Die Haabseeligkeit dieses guten Eremiten nun habe einem gottlosen Frantzosen dergestalt in die Augen gestochen, daß er denselben jämmerlich ermordet, allen Vorrath geraubet, und darauf zu Algier ein Renegade worden sey, auch von dort aus allerhand See-Räubereyen vorgenommen habe. Glück- licher Weise sey dieser Bösewicht mit seinem Raub-Schif dem Chevalier de Bouillon in die Hände gefallen, und zu Maltha aufgebracht, auch sogleich in Ketten und Banden geleget worden, um nach Marseille transportiret, und daselbst vor den an seinem Lands-Mann begangenen abscheulichen Mord recht exemplarisch abgestraft zu werden. Es habe aber dieser Mörder Gelegenheit gefunden, aus seinem Gefängniß an den Inquisitorem Ser- belloni ohngefähr in diesen terminis zu schreiben "daß er ein Algierischer See-Räuber und gefangen worden, nunmehro aber entschloßen sey, die christ=catolische Religion anzu- nehmen, den Inquisitorem also um seine Protection ersuche. Dieser letztere habe darauf die Auslieferung des Menschen begehret, auch aller Remonstration ohnerachtet, darauf beharret, und, weil der Großmeister von Maltha in dieser einen frantzösischen Delinquenten betreffend Sache, nichts decidiren wollen, den Chevalier de Bouillon mit der Excommunication bedrohet. Worüber denn die Sache nach Rom gebracht, und weil er, der Cardinal, eben damals dort gewesen, dergestalt durchgefochten worden, daß der Inquisitor dem Chevalier de Bouillon eine Abbitte thun und der Mörder zu wohl verdienter Strafe würcklich nach Franckreich abgeführet werden müßen. Des Inquisitoris Haupt-Argument sey gewe- sen, daß der See-Räuber ein Christ werden wolle, und nichts daran gelegen sey, ob er vorher schon ein Christ gewesen, oder dis und das gethan habe. Man habe aber darauf mit beßerm Grunde geantwortet: ein gebohrner Frantzösischer Unterthan könne dadurch, daß er ein Türck werde, seinem König das Recht nicht nehmen, ihn wegen eines an einem andern Frantzösischen Unterthanen begangenen delicti zu bestraffen, wenn er ihm wider in seine Hände falle. Und was die 58 seine kleine Insul angeländet, sich freundlich und behülflich erwie-sen, und dabey sehr devot gelebet, dahero denn beyderley Glaubens- Verwandten ihm von Zeit zu Zeit allerhand Presente gemacht, daß er auf diese Weise ziemlich reich worden, und sein Ländgen recht artig cultiviret. Die Haabseeligkeit dieses guten Eremiten nun habe einem gottlosen Frantzosen dergestalt in die Augen gestochen, daß er denselben jämmerlich ermordet, allen Vorrath geraubet, und darauf zu Algier ein Renegade worden sey, auch von dort aus allerhand See-Räubereyen vorgenommen habe. Glück- licher Weise sey dieser Bösewicht mit seinem Raub-Schif dem Chevalier de Bouillon in die Hände gefallen, und zu Maltha aufgebracht, auch sogleich in Ketten und Banden geleget worden, um nach Marseille transportiret, und daselbst vor den an seinem Lands-Mann begangenen abscheulichen Mord recht exemplarisch abgestraft zu werden. Es habe aber dieser Mörder Gelegenheit gefunden, aus seinem Gefängniß an den Inquisitorem Ser- belloni ohngefähr in diesen terminis zu schreiben „daß er ein Algierischer See-Räuber und gefangen worden, nunmehro aber entschloßen sey, die christ=catolische Religion anzu- nehmen, den Inquisitorem also um seine Protection ersuche. Dieser letztere habe darauf die Auslieferung des Menschen begehret, auch aller Remonstration ohnerachtet, darauf beharret, und, weil der Großmeister von Maltha in dieser einen frantzösischen Delinquenten betreffend Sache, nichts decidiren wollen, den Chevalier de Bouillon mit der Excommunication bedrohet. Worüber denn die Sache nach Rom gebracht, und weil er, der Cardinal, eben damals dort gewesen, dergestalt durchgefochten worden, daß der Inquisitor dem Chevalier de Bouillon eine Abbitte thun und der Mörder zu wohl verdienter Strafe würcklich nach Franckreich abgeführet werden müßen. Des Inquisitoris Haupt-Argument sey gewe- sen, daß der See-Räuber ein Christ werden wolle, und nichts daran gelegen sey, ob er vorher schon ein Christ gewesen, oder dis und das gethan habe. Man habe aber darauf mit beßerm Grunde geantwortet: ein gebohrner Frantzösischer Unterthan könne dadurch, daß er ein Türck werde, seinem König das Recht nicht nehmen, ihn wegen eines an einem andern Frantzösischen Unterthanen begangenen delicti zu bestraffen, wenn er ihm wider in seine Hände falle. Und was die <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0126"/><fw type="folNum" place="top">58</fw><lb/> seine kleine Insul angeländet, sich <choice><abbr>freundl:</abbr><expan>freundlich</expan></choice> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> behülflich erwie-<lb/> sen, und dabey sehr devot gelebet, dahero denn beyderley Glaubens-<lb/> Verwandten ihm von Zeit zu Zeit allerhand Presente gemacht, daß<lb/> er auf diese Weise ziemlich reich worden, und sein Ländgen recht<lb/> artig cultiviret. 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Verwandten ihm von Zeit zu Zeit allerhand Presente gemacht, daß
er auf diese Weise ziemlich reich worden, und sein Ländgen recht
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nun habe einem gottlosen Frantzosen dergestalt in die Augen
gestochen, daß er denselben jämmerlich ermordet, allen Vorrath
geraubet, und darauf zu Algier ein Renegade worden sey, auch
von dort aus allerhand See-Räubereyen vorgenommen habe. Glück-
licher Weise sey dieser Bösewicht mit seinem Raub-Schif dem
Chevalier de Bouillon in die Hände gefallen, und zu Maltha
aufgebracht, auch sogleich in Ketten und Banden geleget worden, um
nach Marseille transportiret, und daselbst vor den an seinem
Lands-Mann begangenen abscheulichen Mord recht exemplarisch
abgestraft zu werden. Es habe aber dieser Mörder Gelegenheit
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belloni ohngefähr in diesen terminis zu schreiben „daß er ein
Algierischer See-Räuber und gefangen worden, nunmehro
aber entschloßen sey, die christ=catolische Religion anzu-
nehmen, den Inquisitorem also um seine Protection ersuche.
Dieser letztere habe darauf die Auslieferung des Menschen
begehret, auch aller Remonstration ohnerachtet, darauf beharret,
und, weil der Großmeister von Maltha in dieser einen
frantzöl. Delinquenten betreffend Sache, nichts decidiren
wollen, den Chevalier de Bouillon mit der Excommunication
bedrohet. Worüber denn die Sache nach Rom gebracht, und
weil er, der Cardinal, eben damals dort gewesen, dergestalt
durchgefochten worden, daß der Inquisitor dem Chevalier
de Bouillon eine Abbitte thun und der Mörder zu wohl
verdienter Strafe würckl: nach Franckreich abgeführet
werden müßen. Des Inquisitoris Haupt-Argument sey gewe-
sen, daß der See-Räuber ein Christ werden wolle, und nichts
daran gelegen sey, ob er vorher schon ein Christ gewesen,
oder dis und das gethan habe. Man habe aber darauf mit
beßerm Grunde geantwortet: ein gebohrner Frantzöl:
Unterthan könne dadurch, daß er ein Türck werde, seinem
König das Recht nicht nehmen, ihn wegen eines an einem
andern Frantzöl: Unterthanen begangenen delicti zu bestraffen,
wenn er ihm wider in seine Hände falle. Und was die
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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