Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].55 Praesentation bey Hofe rühmte er, daß ihm alles wiederfahren, was manpraetendiren könne. Indeßen giebt die Histoire annecdote, daß er bey dem Eintritt in das Cabinet des Königs, den premier gentil homme Duc de Ro- chechoir, vor den König angesehen, und demselben sein Compliment ge- macht, der Introducteur aber ihn doch bald zu rechte gewiesen, und es wider ins Feine gebracht habe. Weil wir weder den Duc de Bouillon, noch den Marquis de Gardouge, welchen der Uberrest des Tages destiniret war, zu Hause antrafen, so begaben wir uns nach der Gräfin von Lützelburg, die sich nunmehro nach denen principiis unsrer hiesigen Lebens-Art, vollkommen accommodiret hat, und die disfals gefaßte Resolution auf alle Weise approbirte. Beyläuffig erzehlte sie folgende vor ein paar Jahren hier passirte Geschichte: Ein gewißer hier etablirter Strasburger Jubelierer Nahmens Eibs, verkauft an einen gewißen Chevalier einen Ring. Als er nun einige Zeit darauf in der Tuilleries spatzieren gehet, begegnet ihm eben dieser Chevalier mit einer Dame und sagt zu dieser: voila l'homme, dont nous parlons, unterrichtet auch den Jubelierer, daß der bey ihm gekaufte Ring der Dame so wohl gefalle, daß sie eben dergl: vornehmlich aber Ohren-Gehänge und ein Creutz bey ihm kauffen wolle, da sich denn dieser zu solchem Handel gantz willig erkläret, der Cheva- lier aber einige Tage nachher ihn mit seinen Waaren in einer Kutsche nach dem Dorf Jalliot abgeholet unter dem Vorgeben: daß die Dame ihrer Gesundheit wegen sich daselbst auf einem Land-Hause be- finde. Als sie nun daselbst angelanget, habe die Dame die Jubelen angeleget, und den Jubelierer, nebst dem Chevalier auch noch andern 3 bis 4 Personen von eben dieser Sorte, zu Tisch behalten, und die Gesellschaft von Zeit zu Zeit gefraget: ob die Jubelen ihre Appra- bation hätten, dem Jubelierer auch Hofnung gemacht, daß man nach der Tafel des Handels eins werden würde. Nach der Tafel habe man den Jubelierer zum Spiel genötiget, und ohnerachtet er auf alle Weise darüber protestiret, ihm doch seine Portion von der Carte gegeben. Als er nun, auf inständiges Anhalten, eine [unleserliches Material]Carte umgekhret, habe die gantze Gesellschaft gesaget, daß er verlohren und also bezahlen muße, und zwar 3500 Livres. Weil nun der gute Mann Unrath vermercket, auch alle Thüren, durch welche er eine [unleserliches Material]Echapade gesuchet, verschloßen gefunden, und Lebens-Ge- fahr besorget; so habe er 1000 Livres, die er in Louisd'or bey sich gehabt, so fort ausgezahlet, wegen der 2500 Livres aber seine Jubelen in denen Händen des Chevaliers, welcher ihn abgeholet, laßen müßen, der ihm iedoch versprochen, gegen Erlegung des nur gedachten Geld=Rests, solche den folgenden Tag in einem gewißen Cabaret allhier zu Paris ihm wider zu überliefern. Der Jubelierer sey über diesen Zufall so perplex und erschrocken gewesen, daß er aus Furcht, seiner im Preiß noch weit höher steigenden 55 Praesentation bey Hofe rühmte er, daß ihm alles wiederfahren, was manpraetendiren könne. Indeßen giebt die Histoire annecdote, daß er bey dem Eintritt in das Cabinet des Königs, den premier gentil homme Duc de Ro- chechoir, vor den König angesehen, und demselben sein Compliment ge- macht, der Introducteur aber ihn doch bald zu rechte gewiesen, und es wider ins Feine gebracht habe. Weil wir weder den Duc de Bouillon, noch den Marquis de Gardouge, welchen der Uberrest des Tages destiniret war, zu Hause antrafen, so begaben wir uns nach der Gräfin von Lützelburg, die sich nunmehro nach denen principiis unsrer hiesigen Lebens-Art, vollkommen accommodiret hat, und die disfals gefaßte Resolution auf alle Weise approbirte. Beyläuffig erzehlte sie folgende vor ein paar Jahren hier passirte Geschichte: Ein gewißer hier êtablirter Strasburger Jubelierer Nahmens Eibs, verkauft an einen gewißen Chevalier einen Ring. Als er nun einige Zeit darauf in der Tuilleries spatzieren gehet, begegnet ihm eben dieser Chevalier mit einer Dame und sagt zu dieser: voila l’homme, dont nous parlons, unterrichtet auch den Jubelierer, daß der bey ihm gekaufte Ring der Dame so wohl gefalle, daß sie eben dergl: vornehmlich aber Ohren-Gehänge und ein Creutz bey ihm kauffen wolle, da sich denn dieser zu solchem Handel gantz willig erkläret, der Cheva- lier aber einige Tage nachher ihn mit seinen Waaren in einer Kutsche nach dem Dorf Jalliot abgeholet unter dem Vorgeben: daß die Dame ihrer Gesundheit wegen sich daselbst auf einem Land-Hause be- finde. Als sie nun daselbst angelanget, habe die Dame die Jubelen angeleget, und den Jubelierer, nebst dem Chevalier auch noch andern 3 bis 4 Personen von eben dieser Sorte, zu Tisch behalten, und die Gesellschaft von Zeit zu Zeit gefraget: ob die Jubelen ihre Appra- bation hätten, dem Jubelierer auch Hofnung gemacht, daß man nach der Tafel des Handels eins werden würde. Nach der Tafel habe man den Jubelierer zum Spiel genötiget, und ohnerachtet er auf alle Weise darüber protestiret, ihm doch seine Portion von der Carte gegeben. Als er nun, auf inständiges Anhalten, eine [unleserliches Material]Carte umgekhret, habe die gantze Gesellschaft gesaget, daß er verlohren und also bezahlen muße, und zwar 3500 Livres. Weil nun der gute Mann Unrath vermercket, auch alle Thüren, durch welche er eine [unleserliches Material]Echapade gesuchet, verschloßen gefunden, und Lebens-Ge- fahr besorget; so habe er 1000 Livres, die er in Louisd’or bey sich gehabt, so fort ausgezahlet, wegen der 2500 Livres aber seine Jubelen in denen Händen des Chevaliers, welcher ihn abgeholet, laßen müßen, der ihm iedoch versprochen, gegen Erlegung des nur gedachten Geld=Rests, solche den folgenden Tag in einem gewißen Cabaret allhier zu Paris ihm wider zu überliefern. 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Praesentation bey Hofe rühmte er, daß ihm alles wiederfahren, was man
praetendiren könne. Indeßen giebt die Histoire annecdote, daß er bey dem
Eintritt in das Cabinet des Königs, den premier gentil homme Duc de Ro-
chechoir, vor den König angesehen, und demselben sein Compliment ge-
macht, der Introducteur aber ihn doch bald zu rechte gewiesen, und es
wider ins Feine gebracht habe. Weil wir weder den Duc de Bouillon, noch
den Marquis de Gardouge, welchen der Uberrest des Tages destiniret war,
zu Hause antrafen, so begaben wir uns nach der Gräfin von Lützelburg,
die sich nunmehro nach denen principiis unsrer hiesigen Lebens-Art,
vollkommen accommodiret hat, und die disfals gefaßte Resolution auf
alle Weise approbirte. Beyläuffig erzehlte sie folgende vor ein paar
Jahren hier passirte Geschichte: Ein gewißer hier êtablirter Strasburger
Jubelierer Nahmens Eibs, verkauft an einen gewißen Chevalier
einen Ring. Als er nun einige Zeit darauf in der Tuilleries spatzieren
gehet, begegnet ihm eben dieser Chevalier mit einer Dame und sagt
zu dieser: voila l’homme, dont nous parlons, unterrichtet auch den Jubelierer,
daß der bey ihm gekaufte Ring der Dame so wohl gefalle, daß sie eben dergl:
vornehmlich aber Ohren-Gehänge und ein Creutz bey ihm kauffen wolle,
da sich denn dieser zu solchem Handel gantz willig erkläret, der Cheva-
lier aber einige Tage nachher ihn mit seinen Waaren in einer
Kutsche nach dem Dorf Jalliot abgeholet unter dem Vorgeben: daß die
Dame ihrer Gesundheit wegen sich daselbst auf einem Land-Hause be-
finde. Als sie nun daselbst angelanget, habe die Dame die Jubelen
angeleget, und den Jubelierer, nebst dem Chevalier auch noch andern
3 bis 4 Personen von eben dieser Sorte, zu Tisch behalten, und die
Gesellschaft von Zeit zu Zeit gefraget: ob die Jubelen ihre Appra-
bation hätten, dem Jubelierer auch Hofnung gemacht, daß man nach
der Tafel des Handels eins werden würde. Nach der Tafel habe
man den Jubelierer zum Spiel genötiget, und ohnerachtet er
auf alle Weise darüber protestiret, ihm doch seine Portion von der
Carte gegeben. Als er nun, auf inständiges Anhalten, eine Carte
umgekhret, habe die gantze Gesellschaft gesaget, daß er verlohren
und also bezahlen muße, und zwar 3500 Livres. Weil nun der
gute Mann Unrath vermercket, auch alle Thüren, durch welche
er eine Echapade gesuchet, verschloßen gefunden, und Lebens-Ge-
fahr besorget; so habe er 1000 Livres, die er in Louisd’or bey sich
gehabt, so fort ausgezahlet, wegen der 2500 Liv: aber seine Jubelen
in denen Händen des Chevaliers, welcher ihn abgeholet, laßen müßen,
der ihm iedoch versprochen, gegen Erlegung des nur gedachten
Geld=Rests, solche den folgenden Tag in einem gewißen Cabaret
allhier zu Paris ihm wider zu überliefern. Der Jubelierer
sey über diesen Zufall so perplex und erschrocken gewesen,
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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