BEy frühem Morgen kam der arme Amyntas aus dem dichten Hain, das Beil in seiner Rech- ten. Er hatte sich Stäbe geschnitten zu einem Zaun, und trug ihre Last gekrümmt auf der Schul- ter. Da sah er einen jungen Eichbaum neben einem hinrauschenden Bach, und der Bach hatte wild seine Wurzeln von der Erd' entblösset, und der Baum stund da traurig, und drohte zu sinken. Schade, sprach er, soltest du Baum in diss wilde Wasser sturzen; nein, dein Wipfel soll nicht zum Spiel seiner Wellen hingeworfen seyn. Izt nahm er die schweren Stäbe von der Schulter; ich kan mir andre Stäbe holen, sprach er, und hub an, einen starken Damm vor den Baum hinzubauen und grub frische Erde; Izt war der Damm ge- baut, und die entblössten Wurzeln mit frischer Erde bedekt, und izt nahm er sein Beil auf die
AMYNTAS.
BEy frühem Morgen kam der arme Amyntas aus dem dichten Hain, das Beil in ſeiner Rech- ten. Er hatte ſich Stäbe geſchnitten zu einem Zaun, und trug ihre Laſt gekrümmt auf der Schul- ter. Da ſah er einen jungen Eichbaum neben einem hinrauſchenden Bach, und der Bach hatte wild ſeine Wurzeln von der Erd’ entblöſſet, und der Baum ſtund da traurig, und drohte zu ſinken. Schade, ſprach er, ſolteſt du Baum in diſs wilde Waſſer ſturzen; nein, dein Wipfel ſoll nicht zum Spiel ſeiner Wellen hingeworfen ſeyn. Izt nahm er die ſchweren Stäbe von der Schulter; ich kan mir andre Stäbe holen, ſprach er, und hub an, einen ſtarken Damm vor den Baum hinzubauen und grub friſche Erde; Izt war der Damm ge- baut, und die entblöſsten Wurzeln mit friſcher Erde bedekt, und izt nahm er ſein Beil auf die
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AMYNTAS.
BEy frühem Morgen kam der arme Amyntas
aus dem dichten Hain, das Beil in ſeiner Rech-
ten. Er hatte ſich Stäbe geſchnitten zu einem
Zaun, und trug ihre Laſt gekrümmt auf der Schul-
ter. Da ſah er einen jungen Eichbaum neben
einem hinrauſchenden Bach, und der Bach hatte
wild ſeine Wurzeln von der Erd’ entblöſſet, und
der Baum ſtund da traurig, und drohte zu ſinken.
Schade, ſprach er, ſolteſt du Baum in diſs wilde
Waſſer ſturzen; nein, dein Wipfel ſoll nicht zum
Spiel ſeiner Wellen hingeworfen ſeyn. Izt nahm
er die ſchweren Stäbe von der Schulter; ich kan
mir andre Stäbe holen, ſprach er, und hub an,
einen ſtarken Damm vor den Baum hinzubauen
und grub friſche Erde; Izt war der Damm ge-
baut, und die entblöſsten Wurzeln mit friſcher
Erde bedekt, und izt nahm er ſein Beil auf die
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/43>, abgerufen am 03.03.2025.
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