du! Aber, nicht nur deine Schönheit hat mich zur Liebe gereizt; O wie liebt ich dich da! als dem jungen Alexis zwo Ziegen von der Felsen- Wand stürzten; er weinte, der junge Hirt, ich bin arm, sprach er, und habe zwo Ziegen ver- lohren, die eine war trächtig; ach! ich darf nicht zu meinem armen Vater in die Hütte zurük kehren. So sprach er weinend, du sahest ihn wei- nen, Phillis, und wischtest die mitleidigen Thrä- nen vom Aug, und nahmest aus deiner kleinen Herde zwo der besten Ziegen; da Alexis, sprachst du, nimm diese Ziegen, die eine ist trächtig, und wie er vor Freude weinte, da weintest du auch vor Freude, weil du ihm geholfen hattest. O! sey immer unfreundlich Winter; meine Flöte soll doch nicht bestaubt in der Hütte hangen, ich will dan- noch von meiner Phillis ein frohes Lied singen; zwar hast du alles entlaubt, zwar hast du die Blumen von den Wiesen genommen, aber du solt es nicht hindern, dass ich nicht einen Kranz
du! Aber, nicht nur deine Schönheit hat mich zur Liebe gereizt; O wie liebt ich dich da! als dem jungen Alexis zwo Ziegen von der Felſen- Wand ſtürzten; er weinte, der junge Hirt, ich bin arm, ſprach er, und habe zwo Ziegen ver- lohren, die eine war trächtig; ach! ich darf nicht zu meinem armen Vater in die Hütte zurük kehren. So ſprach er weinend, du ſaheſt ihn wei- nen, Phillis, und wiſchteſt die mitleidigen Thrä- nen vom Aug, und nahmeſt aus deiner kleinen Herde zwo der beſten Ziegen; da Alexis, ſprachſt du, nimm dieſe Ziegen, die eine iſt trächtig, und wie er vor Freude weinte, da weinteſt du auch vor Freude, weil du ihm geholfen hatteſt. O! ſey immer unfreundlich Winter; meine Flöte ſoll doch nicht beſtaubt in der Hütte hangen, ich will dan- noch von meiner Phillis ein frohes Lied ſingen; zwar haſt du alles entlaubt, zwar haſt du die Blumen von den Wieſen genommen, aber du ſolt es nicht hindern, daſs ich nicht einen Kranz
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du! Aber, nicht nur deine Schönheit hat mich
zur Liebe gereizt; O wie liebt ich dich da! als
dem jungen Alexis zwo Ziegen von der Felſen-
Wand ſtürzten; er weinte, der junge Hirt, ich
bin arm, ſprach er, und habe zwo Ziegen ver-
lohren, die eine war trächtig; ach! ich darf
nicht zu meinem armen Vater in die Hütte zurük
kehren. So ſprach er weinend, du ſaheſt ihn wei-
nen, Phillis, und wiſchteſt die mitleidigen Thrä-
nen vom Aug, und nahmeſt aus deiner kleinen
Herde zwo der beſten Ziegen; da Alexis, ſprachſt
du, nimm dieſe Ziegen, die eine iſt trächtig, und
wie er vor Freude weinte, da weinteſt du auch
vor Freude, weil du ihm geholfen hatteſt. O! ſey
immer unfreundlich Winter; meine Flöte ſoll doch
nicht beſtaubt in der Hütte hangen, ich will dan-
noch von meiner Phillis ein frohes Lied ſingen;
zwar haſt du alles entlaubt, zwar haſt du die
Blumen von den Wieſen genommen, aber du
ſolt es nicht hindern, daſs ich nicht einen Kranz
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/31>, abgerufen am 17.02.2025.
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