O Du! die du lieblicher bist, als der thauende Morgen, du mit den grossen schwarzen Augen; schön wallt dein dunkles Haar unter dem Blu- menkranz weg, und spielt mit den Winden. Lieblich ists, wenn deine rothen Lippen zum La- chen sich öfnen, lieblicher noch, wenn sie zum Singen sich öfnen. Ich habe dich behorcht, Chloe! o ich habe dich behorcht! da du an jenem Morgen beym Brunnen sangest, den die zwo Eichen beschatten; böse dass die Vögel nicht schwiegen, böse dass die Quelle rauschte hab ich dich behorcht. Izt hab ich neunzehn Ernden ge- sehen, und ich bin schön und braun von Gesicht; oft hab ichs bemerkt dass die Hirten aaufhörten zu singen und horchten, wenn mein Gesang durchs Thal hintönte, und deinen Gesang würde keine Flöte besser begleiten als meine. O schöne Chloe,
liebe
MILON.
O Du! die du lieblicher biſt, als der thauende Morgen, du mit den groſſen ſchwarzen Augen; ſchön wallt dein dunkles Haar unter dem Blu- menkranz weg, und ſpielt mit den Winden. Lieblich iſts, wenn deine rothen Lippen zum La- chen ſich öfnen, lieblicher noch, wenn ſie zum Singen ſich öfnen. Ich habe dich behorcht, Chloe! o ich habe dich behorcht! da du an jenem Morgen beym Brunnen ſangeſt, den die zwo Eichen beſchatten; böſe daſs die Vögel nicht ſchwiegen, böſe daſs die Quelle rauſchte hab ich dich behorcht. Izt hab ich neunzehn Ernden ge- ſehen, und ich bin ſchön und braun von Geſicht; oft hab ichs bemerkt daſs die Hirten aûfhörten zu ſingen und horchten, wenn mein Geſang durchs Thal hintönte, und deinen Geſang würde keine Flöte beſſer begleiten als meine. O ſchöne Chloe,
liebe
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MILON.
O Du! die du lieblicher biſt, als der thauende
Morgen, du mit den groſſen ſchwarzen Augen;
ſchön wallt dein dunkles Haar unter dem Blu-
menkranz weg, und ſpielt mit den Winden.
Lieblich iſts, wenn deine rothen Lippen zum La-
chen ſich öfnen, lieblicher noch, wenn ſie zum
Singen ſich öfnen. Ich habe dich behorcht,
Chloe! o ich habe dich behorcht! da du an
jenem Morgen beym Brunnen ſangeſt, den die
zwo Eichen beſchatten; böſe daſs die Vögel nicht
ſchwiegen, böſe daſs die Quelle rauſchte hab ich
dich behorcht. Izt hab ich neunzehn Ernden ge-
ſehen, und ich bin ſchön und braun von Geſicht;
oft hab ichs bemerkt daſs die Hirten aûfhörten
zu ſingen und horchten, wenn mein Geſang durchs
Thal hintönte, und deinen Geſang würde keine
Flöte beſſer begleiten als meine. O ſchöne Chloe,
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/21>, abgerufen am 20.02.2025.
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