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[Gessner, Christian Friedrich]: Der so nöthig als nützlichen Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 2. Leipzig, 1740.

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heit der Europäischen Provinzen beruffen will, allwo es einem
jeden frey stünde eine Druckerey anzulegen, wo er will; So
mögten wir doch gerne wissen, in welcher Provinz von Europa
diese schöne Gewohnheit üblich wäre? Vermuthlich in Utopia.
Außerdem nirgends. Und gesetzt, es wäre auch eine Provinz
zu finden; so weiß man ja wohl, tausend Jahr Unrecht, ist nicht
eine Stunde Recht. Was vor Unordnungen und Mißbräuche
sollten nicht hieraus entstehen? Wie viel gottlose und lästerliche
Bücher würden nicht ans Licht treten, wenn es einem jeden frey
stünde eine Druckerey anzulegen, wo er wollte! Und wo blieben
die heylsamen und weisen Gesetze hoher Häupter, welche aus-
drücklich befehlen, daß man nicht an jedem Ort, ohne Unterscheid,
einem jeden erlauben soll eine Druckerey anzulegen, sondern der-
jenige, welcher seine Kunst rechtmäßig erlernet, und getrieben
hat, kan sich an einem solchen Ort, wo es die Gesetze der Obrig-
keit erlauben, niederlaßen, und nach Kunstmäßigen Ge-
brauch
eine Druckerey anlegen. S. oben N. V. Was also die Ge-
setze verbiethen, kan nicht erlaubt seyn, wenn es auch durch eine
üble Gewohnheit eingerißen wäre. Folglich würde es kein Beweiß
seyn, wenn man auch darthun könnte, daß in dieser oder jener Pro-
vinz Winckeldruckereyen oder Hudeleyen von langen Jah-
ren her gebräuchlich gewesen wären. Es kömmt uns eben so vor,
als wenn jemand behaupten wollte, man kan erweisen, daß von
Anbeginn der Welt her ein Mensch dem andern seinen Bißen
Brodt heimlich abgestohlen habe, folglich ist es erlaubt. Das
sey ferne! Jedoch genug hiervon. Ein Verständiger mag wei-
ter schlüßen. Der andere Grund hält so wenig Stich als dieser.
Wir wollen zugeben, daß eine wohleingerichtete Druckerey ei-
ner Stadt Zierde und Nutzen gebe, alleine hieraus folgt noch
lange nicht, deswegen darf man an allen Orten eine Druckerey
anlegen. Denn es ist nicht alles erlaubt, was zur Zierde und
Nutzen gereicht. Sonder allen Zweifel gereicht es einer Stadt
zur Zierde und Nutzen, wo eine Hohe Schule ist. Jst es aber
deswegen erlaubt, daß in allen Städten Hohe Schulen angele-
get werden? Gesetzt, es wäre erlaubt an allen Orten eine Dru-
ckerey anzulegen, würde daraus vor die Republick ein Nutzen
oder Zierde entspringen? Wir glauben vielmehr das Gegen-
theil. Wenn in allen Städten Druckereyen wären, wo wollte
Arbeit darzu herkommen? Wo keine Arbeit ist, da wird nichts

ver-

heit der Europaͤiſchen Provinzen beruffen will, allwo es einem
jeden frey ſtuͤnde eine Druckerey anzulegen, wo er will; So
moͤgten wir doch gerne wiſſen, in welcher Provinz von Europa
dieſe ſchoͤne Gewohnheit uͤblich waͤre? Vermuthlich in Utopia.
Außerdem nirgends. Und geſetzt, es waͤre auch eine Provinz
zu finden; ſo weiß man ja wohl, tauſend Jahr Unrecht, iſt nicht
eine Stunde Recht. Was vor Unordnungen und Mißbraͤuche
ſollten nicht hieraus entſtehen? Wie viel gottloſe und laͤſterliche
Buͤcher wuͤrden nicht ans Licht treten, wenn es einem jeden frey
ſtuͤnde eine Druckerey anzulegen, wo er wollte! Und wo blieben
die heylſamen und weiſen Geſetze hoher Haͤupter, welche aus-
druͤcklich befehlen, daß man nicht an jedem Ort, ohne Unterſcheid,
einem jeden erlauben ſoll eine Druckerey anzulegen, ſondern der-
jenige, welcher ſeine Kunſt rechtmaͤßig erlernet, und getrieben
hat, kan ſich an einem ſolchen Ort, wo es die Geſetze der Obrig-
keit erlauben, niederlaßen, und nach Kunſtmaͤßigen Ge-
brauch
eine Druckerey anlegen. S. oben N. V. Was alſo die Ge-
ſetze verbiethen, kan nicht erlaubt ſeyn, wenn es auch durch eine
uͤble Gewohnheit eingerißen waͤre. Folglich wuͤrde es kein Beweiß
ſeyn, wenn man auch darthun koͤnnte, daß in dieſer oder jener Pro-
vinz Winckeldruckereyen oder Hudeleyen von langen Jah-
ren her gebraͤuchlich geweſen waͤren. Es koͤmmt uns eben ſo vor,
als wenn jemand behaupten wollte, man kan erweiſen, daß von
Anbeginn der Welt her ein Menſch dem andern ſeinen Bißen
Brodt heimlich abgeſtohlen habe, folglich iſt es erlaubt. Das
ſey ferne! Jedoch genug hiervon. Ein Verſtaͤndiger mag wei-
ter ſchluͤßen. Der andere Grund haͤlt ſo wenig Stich als dieſer.
Wir wollen zugeben, daß eine wohleingerichtete Druckerey ei-
ner Stadt Zierde und Nutzen gebe, alleine hieraus folgt noch
lange nicht, deswegen darf man an allen Orten eine Druckerey
anlegen. Denn es iſt nicht alles erlaubt, was zur Zierde und
Nutzen gereicht. Sonder allen Zweifel gereicht es einer Stadt
zur Zierde und Nutzen, wo eine Hohe Schule iſt. Jſt es aber
deswegen erlaubt, daß in allen Staͤdten Hohe Schulen angele-
get werden? Geſetzt, es waͤre erlaubt an allen Orten eine Dru-
ckerey anzulegen, wuͤrde daraus vor die Republick ein Nutzen
oder Zierde entſpringen? Wir glauben vielmehr das Gegen-
theil. Wenn in allen Staͤdten Druckereyen waͤren, wo wollte
Arbeit darzu herkommen? Wo keine Arbeit iſt, da wird nichts

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[0377] heit der Europaͤiſchen Provinzen beruffen will, allwo es einem jeden frey ſtuͤnde eine Druckerey anzulegen, wo er will; So moͤgten wir doch gerne wiſſen, in welcher Provinz von Europa dieſe ſchoͤne Gewohnheit uͤblich waͤre? Vermuthlich in Utopia. Außerdem nirgends. Und geſetzt, es waͤre auch eine Provinz zu finden; ſo weiß man ja wohl, tauſend Jahr Unrecht, iſt nicht eine Stunde Recht. Was vor Unordnungen und Mißbraͤuche ſollten nicht hieraus entſtehen? Wie viel gottloſe und laͤſterliche Buͤcher wuͤrden nicht ans Licht treten, wenn es einem jeden frey ſtuͤnde eine Druckerey anzulegen, wo er wollte! Und wo blieben die heylſamen und weiſen Geſetze hoher Haͤupter, welche aus- druͤcklich befehlen, daß man nicht an jedem Ort, ohne Unterſcheid, einem jeden erlauben ſoll eine Druckerey anzulegen, ſondern der- jenige, welcher ſeine Kunſt rechtmaͤßig erlernet, und getrieben hat, kan ſich an einem ſolchen Ort, wo es die Geſetze der Obrig- keit erlauben, niederlaßen, und nach Kunſtmaͤßigen Ge- brauch eine Druckerey anlegen. S. oben N. V. Was alſo die Ge- ſetze verbiethen, kan nicht erlaubt ſeyn, wenn es auch durch eine uͤble Gewohnheit eingerißen waͤre. Folglich wuͤrde es kein Beweiß ſeyn, wenn man auch darthun koͤnnte, daß in dieſer oder jener Pro- vinz Winckeldruckereyen oder Hudeleyen von langen Jah- ren her gebraͤuchlich geweſen waͤren. Es koͤmmt uns eben ſo vor, als wenn jemand behaupten wollte, man kan erweiſen, daß von Anbeginn der Welt her ein Menſch dem andern ſeinen Bißen Brodt heimlich abgeſtohlen habe, folglich iſt es erlaubt. Das ſey ferne! Jedoch genug hiervon. Ein Verſtaͤndiger mag wei- ter ſchluͤßen. Der andere Grund haͤlt ſo wenig Stich als dieſer. Wir wollen zugeben, daß eine wohleingerichtete Druckerey ei- ner Stadt Zierde und Nutzen gebe, alleine hieraus folgt noch lange nicht, deswegen darf man an allen Orten eine Druckerey anlegen. Denn es iſt nicht alles erlaubt, was zur Zierde und Nutzen gereicht. Sonder allen Zweifel gereicht es einer Stadt zur Zierde und Nutzen, wo eine Hohe Schule iſt. Jſt es aber deswegen erlaubt, daß in allen Staͤdten Hohe Schulen angele- get werden? Geſetzt, es waͤre erlaubt an allen Orten eine Dru- ckerey anzulegen, wuͤrde daraus vor die Republick ein Nutzen oder Zierde entſpringen? Wir glauben vielmehr das Gegen- theil. Wenn in allen Staͤdten Druckereyen waͤren, wo wollte Arbeit darzu herkommen? Wo keine Arbeit iſt, da wird nichts ver-

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Zitationshilfe: [Gessner, Christian Friedrich]: Der so nöthig als nützlichen Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 2. Leipzig, 1740, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_buchdruckerkunst02_1740/377>, abgerufen am 25.11.2024.