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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834.

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Berechnung des Wasserwerkes in Prag.
trägt daher die Kolbenreibung etwas weniger, als dieses Gewicht, welches nach der
von Herrn Boschek vorgenommenen Abwägung = 330 Lb ist. Setzt man
330 = [Formel 1] , so folgt m = 0,09. Es muss aber bemerkt wer-
den, dass diese Versuche während der Aufstellung der Maschine gemacht wurden, dass
aber gegenwärtig durch das unreine Wasser kleinere Sand- und Schlammtheile bis zur
Liederung dringen und eine etwas grössere Reibung verursachen. Die Stadt Prag erfreut
sich bisher noch keiner Anstalten zur Filtrirung des Wassers, wie selbe im II. Bande
§. 184 von Paris und §. 187 von England angegeben wurden; eben so wenig hat man
darauf gesehen, die Wasserwerke oberhalb der Stadt, wie z. B. in Glasgow, §. 190,
II. Band anzulegen; sondern es stehen alle Wasserwerke unmittelbar an dem Moldau-
flusse, in welchen alle Abzugskanäle der Stadt einmünden, und das Wasser wird ohne
weitere Reinigung von den Druckwerken in die verschiedenen Stadttheile geführt; man
erhält also, je nachdem das Wasser im Flusse rein oder trübe ist, auch ein eben solches
Wasser durch die Röhrenleitungen zum häuslichen Bedarfe, und bloss das Trinkwasser wird
aus Brunnen bezogen. Für unsere Rechnung können wir demnach in Hinsicht der häufig
grössern Kolbenreibung, welche bei unreinem Wasser entsteht, wenigstens m = 0,10 für
eine Spannung der Liederung von 99 Fuss annehmen. Werden nun alle diese Werthe in
die Gleichung Seite 310 substituirt, und der Koeffizient der Zapfenreibung m = 1/6 ange-
nommen, so ist das Lastmoment
[Formel 2] oder 656,25 (49,50 + 11,88 + 60,72 + 0,46 + 0,65) + 3700 = 80860 + 3700 = 84560.
Wird dieses Lastmoment mit dem oben gefundenen Kraftmomente von 85330 verglichen,
so zeigt sich, dass das letztere um den 110ten Theil grösser sey. Es ist aber zu bemerken:

1tens Dass wir das Prager Wasserdruckwerk bloss mit unserer elementaren Rechnung
verglichen haben, um die Anwendbarkeit der letztern für die gewöhnlichen praktischen
Fälle zu zeigen.

2tens Sind bei dieser elementaren Rechnung mehrere kleinere Widerstände zur Ver-
meidung eines zusammengesetztern Ausdruckes nicht angeschlagen worden, nämlich der
Widerstand, welchen das Wasser in den Biegungen der Leitungsröhren, dann bei dem
Durchgehen durch die Ventile erfährt. Eine jede Kolbenstange geht ferner oben an vier
Frikzionsrollen, verursacht also ebenfalls eine Reibung; die Zugstangen reiben sich sowohl
oben an den Bolzen, als unten an den Kurbelzapfen; die Druckbalken (Balanciers) rel-
ben sich auch in ihren Zapfen; das an das Rad anstossende Wasser verursacht auch eine
grössere Reibung, als durch das blosse Gewicht des Wasserrades folgen würde, u. s. w.
Diese Widerstände können leicht den abgängigen 110ten Theil des Lastmomentes ergänzen,
allein da die Abmessungen vorzüglich bei der Geschwindigkeit des abfliessenden Wassers
kaum auf den 110ten Theil übereinstimmen können, so erscheint die Vergleichung unserer
Theorie mit der Erfahrung allerdings als genügend. Während den drei Jahren 1830 bis

Gerstner's Mechanik. Band III. 45

Berechnung des Wasserwerkes in Prag.
trägt daher die Kolbenreibung etwas weniger, als dieses Gewicht, welches nach der
von Herrn Boschek vorgenommenen Abwägung = 330 ℔ ist. Setzt man
330 = [Formel 1] , so folgt μ = 0,09. Es muss aber bemerkt wer-
den, dass diese Versuche während der Aufstellung der Maschine gemacht wurden, dass
aber gegenwärtig durch das unreine Wasser kleinere Sand- und Schlammtheile bis zur
Liederung dringen und eine etwas grössere Reibung verursachen. Die Stadt Prag erfreut
sich bisher noch keiner Anstalten zur Filtrirung des Wassers, wie selbe im II. Bande
§. 184 von Paris und §. 187 von England angegeben wurden; eben so wenig hat man
darauf gesehen, die Wasserwerke oberhalb der Stadt, wie z. B. in Glasgow, §. 190,
II. Band anzulegen; sondern es stehen alle Wasserwerke unmittelbar an dem Moldau-
flusse, in welchen alle Abzugskanäle der Stadt einmünden, und das Wasser wird ohne
weitere Reinigung von den Druckwerken in die verschiedenen Stadttheile geführt; man
erhält also, je nachdem das Wasser im Flusse rein oder trübe ist, auch ein eben solches
Wasser durch die Röhrenleitungen zum häuslichen Bedarfe, und bloss das Trinkwasser wird
aus Brunnen bezogen. Für unsere Rechnung können wir demnach in Hinsicht der häufig
grössern Kolbenreibung, welche bei unreinem Wasser entsteht, wenigstens μ = 0,10 für
eine Spannung der Liederung von 99 Fuss annehmen. Werden nun alle diese Werthe in
die Gleichung Seite 310 substituirt, und der Koeffizient der Zapfenreibung m = 1/6 ange-
nommen, so ist das Lastmoment
[Formel 2] oder 656,25 (49,50 + 11,88 + 60,72 + 0,46 + 0,65) + 3700 = 80860 + 3700 = 84560.
Wird dieses Lastmoment mit dem oben gefundenen Kraftmomente von 85330 verglichen,
so zeigt sich, dass das letztere um den 110ten Theil grösser sey. Es ist aber zu bemerken:

1tens Dass wir das Prager Wasserdruckwerk bloss mit unserer elementaren Rechnung
verglichen haben, um die Anwendbarkeit der letztern für die gewöhnlichen praktischen
Fälle zu zeigen.

2tens Sind bei dieser elementaren Rechnung mehrere kleinere Widerstände zur Ver-
meidung eines zusammengesetztern Ausdruckes nicht angeschlagen worden, nämlich der
Widerstand, welchen das Wasser in den Biegungen der Leitungsröhren, dann bei dem
Durchgehen durch die Ventile erfährt. Eine jede Kolbenstange geht ferner oben an vier
Frikzionsrollen, verursacht also ebenfalls eine Reibung; die Zugstangen reiben sich sowohl
oben an den Bolzen, als unten an den Kurbelzapfen; die Druckbalken (Balanciers) rel-
ben sich auch in ihren Zapfen; das an das Rad anstossende Wasser verursacht auch eine
grössere Reibung, als durch das blosse Gewicht des Wasserrades folgen würde, u. s. w.
Diese Widerstände können leicht den abgängigen 110ten Theil des Lastmomentes ergänzen,
allein da die Abmessungen vorzüglich bei der Geschwindigkeit des abfliessenden Wassers
kaum auf den 110ten Theil übereinstimmen können, so erscheint die Vergleichung unserer
Theorie mit der Erfahrung allerdings als genügend. Während den drei Jahren 1830 bis

Gerstner’s Mechanik. Band III. 45
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[353/0389] Berechnung des Wasserwerkes in Prag. trägt daher die Kolbenreibung etwas weniger, als dieses Gewicht, welches nach der von Herrn Boschek vorgenommenen Abwägung = 330 ℔ ist. Setzt man 330 = [FORMEL], so folgt μ = 0,09. Es muss aber bemerkt wer- den, dass diese Versuche während der Aufstellung der Maschine gemacht wurden, dass aber gegenwärtig durch das unreine Wasser kleinere Sand- und Schlammtheile bis zur Liederung dringen und eine etwas grössere Reibung verursachen. Die Stadt Prag erfreut sich bisher noch keiner Anstalten zur Filtrirung des Wassers, wie selbe im II. Bande §. 184 von Paris und §. 187 von England angegeben wurden; eben so wenig hat man darauf gesehen, die Wasserwerke oberhalb der Stadt, wie z. B. in Glasgow, §. 190, II. Band anzulegen; sondern es stehen alle Wasserwerke unmittelbar an dem Moldau- flusse, in welchen alle Abzugskanäle der Stadt einmünden, und das Wasser wird ohne weitere Reinigung von den Druckwerken in die verschiedenen Stadttheile geführt; man erhält also, je nachdem das Wasser im Flusse rein oder trübe ist, auch ein eben solches Wasser durch die Röhrenleitungen zum häuslichen Bedarfe, und bloss das Trinkwasser wird aus Brunnen bezogen. Für unsere Rechnung können wir demnach in Hinsicht der häufig grössern Kolbenreibung, welche bei unreinem Wasser entsteht, wenigstens μ = 0,10 für eine Spannung der Liederung von 99 Fuss annehmen. Werden nun alle diese Werthe in die Gleichung Seite 310 substituirt, und der Koeffizient der Zapfenreibung m = 1/6 ange- nommen, so ist das Lastmoment [FORMEL] oder 656,25 (49,50 + 11,88 + 60,72 + 0,46 + 0,65) + 3700 = 80860 + 3700 = 84560. Wird dieses Lastmoment mit dem oben gefundenen Kraftmomente von 85330 verglichen, so zeigt sich, dass das letztere um den 110ten Theil grösser sey. Es ist aber zu bemerken: 1tens Dass wir das Prager Wasserdruckwerk bloss mit unserer elementaren Rechnung verglichen haben, um die Anwendbarkeit der letztern für die gewöhnlichen praktischen Fälle zu zeigen. 2tens Sind bei dieser elementaren Rechnung mehrere kleinere Widerstände zur Ver- meidung eines zusammengesetztern Ausdruckes nicht angeschlagen worden, nämlich der Widerstand, welchen das Wasser in den Biegungen der Leitungsröhren, dann bei dem Durchgehen durch die Ventile erfährt. Eine jede Kolbenstange geht ferner oben an vier Frikzionsrollen, verursacht also ebenfalls eine Reibung; die Zugstangen reiben sich sowohl oben an den Bolzen, als unten an den Kurbelzapfen; die Druckbalken (Balanciers) rel- ben sich auch in ihren Zapfen; das an das Rad anstossende Wasser verursacht auch eine grössere Reibung, als durch das blosse Gewicht des Wasserrades folgen würde, u. s. w. Diese Widerstände können leicht den abgängigen 110ten Theil des Lastmomentes ergänzen, allein da die Abmessungen vorzüglich bei der Geschwindigkeit des abfliessenden Wassers kaum auf den 110ten Theil übereinstimmen können, so erscheint die Vergleichung unserer Theorie mit der Erfahrung allerdings als genügend. Während den drei Jahren 1830 bis Gerstner’s Mechanik. Band III. 45

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik03_1834/389>, abgerufen am 03.07.2024.