Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834.Bewässerung in der Lombardie. Bedarf bei weitem nicht hinreichen, es ist nicht die unbedeutende Anzahl der Bergwerke,es ist keineswegs die Fruchtbarkeit des natürlichen Bodens, die ganz und gar nicht mit jener von Egypten verglichen werden kann, sondern es ist bloss die ausserordentliche, durch Bewässerung in den niedrigern Gegenden unterstützte Kultur des Bodens, dann auch Seidenerzeugung in den höhern, oder nicht bewässerten Gegenden, welche diese Erscheinungen hervorbringt, die kein zweites Land der Erde aufzuweisen hat. Man findet hier nicht einzelne Grundstücke, oder die Wiesen einzelner Gemeinden bewässert, sondern die Felder und Wiesen ganzer Distrikte und Provinzen, welche durch die Bewässerung auf den höchsten Grad der Fruchtbarkeit gebracht wurden, und gerade zu jener Zeit, in den heissen Sommertagen, das Schauspiel der üppigsten Vegetazion darbieten, wo die Fluren in andern Gegenden und Ländern von den brennenden Sonnen- strahlen verheert erscheinen. Der Reisende erstaunt mit Recht, wenn er die unberechenbare Zahl der Wasserleitungen und Kanäle bemerkt, die das Land in allen Richtungen durch- schneiden, wenn er solcher Leitungen häufig drei, vier oder mehr, jedoch in verschiede- nen Höhen neben einander fortlaufen und ihr Wasser in unzähligen Verzweigungen auf jene Felder und Wiesen vertheilen sieht, welche desshalb die üppigsten und ergiebigsten sind, die man in der Welt sehen kann. Unstreitig trägt das Klima zu dieser hohen Kulturstuffe sehr viel bei, allein das- §. 141. Oberitalien, gegenwärtig das Lombardisch-Venezianische Königreich, liegt an der Bewässerung in der Lombardie. Bedarf bei weitem nicht hinreichen, es ist nicht die unbedeutende Anzahl der Bergwerke,es ist keineswegs die Fruchtbarkeit des natürlichen Bodens, die ganz und gar nicht mit jener von Egypten verglichen werden kann, sondern es ist bloss die ausserordentliche, durch Bewässerung in den niedrigern Gegenden unterstützte Kultur des Bodens, dann auch Seidenerzeugung in den höhern, oder nicht bewässerten Gegenden, welche diese Erscheinungen hervorbringt, die kein zweites Land der Erde aufzuweisen hat. Man findet hier nicht einzelne Grundstücke, oder die Wiesen einzelner Gemeinden bewässert, sondern die Felder und Wiesen ganzer Distrikte und Provinzen, welche durch die Bewässerung auf den höchsten Grad der Fruchtbarkeit gebracht wurden, und gerade zu jener Zeit, in den heissen Sommertagen, das Schauspiel der üppigsten Vegetazion darbieten, wo die Fluren in andern Gegenden und Ländern von den brennenden Sonnen- strahlen verheert erscheinen. Der Reisende erstaunt mit Recht, wenn er die unberechenbare Zahl der Wasserleitungen und Kanäle bemerkt, die das Land in allen Richtungen durch- schneiden, wenn er solcher Leitungen häufig drei, vier oder mehr, jedoch in verschiede- nen Höhen neben einander fortlaufen und ihr Wasser in unzähligen Verzweigungen auf jene Felder und Wiesen vertheilen sieht, welche desshalb die üppigsten und ergiebigsten sind, die man in der Welt sehen kann. Unstreitig trägt das Klima zu dieser hohen Kulturstuffe sehr viel bei, allein das- §. 141. Oberitalien, gegenwärtig das Lombardisch-Venezianische Königreich, liegt an der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0238" n="202"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Bewässerung in der Lombardie</hi>.</fw><lb/> Bedarf bei weitem nicht hinreichen, es ist nicht die unbedeutende Anzahl der Bergwerke,<lb/> es ist keineswegs die Fruchtbarkeit des natürlichen Bodens, die ganz und gar nicht mit<lb/> jener von Egypten verglichen werden kann, sondern es ist bloss die ausserordentliche,<lb/> durch <hi rendition="#g">Bewässerung</hi> in den niedrigern Gegenden unterstützte <hi rendition="#g">Kultur des Bodens</hi>,<lb/> dann auch Seidenerzeugung in den höhern, oder nicht bewässerten Gegenden, welche<lb/> diese Erscheinungen hervorbringt, die kein zweites Land der Erde aufzuweisen hat. Man<lb/> findet hier nicht einzelne Grundstücke, oder die Wiesen einzelner Gemeinden bewässert,<lb/> sondern die Felder und Wiesen <hi rendition="#g">ganzer Distrikte und Provinzen</hi>, welche durch<lb/> die Bewässerung auf den höchsten Grad der Fruchtbarkeit gebracht wurden, und gerade<lb/> zu jener Zeit, in den heissen Sommertagen, das Schauspiel der üppigsten Vegetazion<lb/> darbieten, wo die Fluren in andern Gegenden und Ländern von den brennenden Sonnen-<lb/> strahlen verheert erscheinen. Der Reisende erstaunt mit Recht, wenn er die unberechenbare<lb/> Zahl der Wasserleitungen und Kanäle bemerkt, die das Land in allen Richtungen durch-<lb/> schneiden, wenn er solcher Leitungen häufig drei, vier oder mehr, jedoch in verschiede-<lb/> nen Höhen neben einander fortlaufen und ihr Wasser in unzähligen Verzweigungen auf<lb/> jene Felder und Wiesen vertheilen sieht, welche desshalb die üppigsten und ergiebigsten<lb/> sind, die man in der Welt sehen kann.</p><lb/> <p>Unstreitig trägt das <hi rendition="#g">Klima</hi> zu dieser hohen Kulturstuffe sehr viel bei, allein das-<lb/> selbe ist auch in den übrigen italienischen Staaten, im südlichen Frankreich, in Spa-<lb/> nien und Portugall vorhanden, wo jedoch die Kultur noch sehr weit zurückblieb. Ohne<lb/> Unterstützung der Lombardischen Bewässerung, ohne jenem Systeme von Kanälen und<lb/> Wasserleitungen, die <hi rendition="#g">seit beinahe tausend Jahren</hi> immer mehr und mehr ver-<lb/> vollkommnet und endlich zu dem gegenwärtigen ausgedehnten Umfange und Vollendung<lb/> gebracht wurden, wäre die Kultur in diesen Gegenden bei weitem nicht in jener glän-<lb/> zenden Lage, wie wir sie wirklich vorfinden. Es dürfte daher bei der ausserordentlichen<lb/> Wichtigkeit solcher Anstalten für den Wohlstand eines jeden Landes ganz zweckmässig<lb/> seyn, wenn wir in eine nähere Beschreibung des Lombardischen Bewässerungssyste m s<lb/> hier eingehen. Wir wollen hierbei dasjenige unterscheiden, was die <hi rendition="#g">Natur</hi> gethan, und<lb/> jenes, was durch die <hi rendition="#g">beispiellose Beharrlichkeit und Thätigkeit der Be-<lb/> wohner</hi> bewirkt wurde.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 141.</head><lb/> <p>Oberitalien, gegenwärtig das Lombardisch-Venezianische Königreich, liegt an der<lb/> südlichen Seite am Fusse der Schweizer- und Tyroleralpen. Die Wässer, welche von<lb/> den letztern herabströmen, ergiessen sich in mehrere am Fusse der Alpen etwas höher<lb/> als das flache Land liegende Seen (<hi rendition="#i">Laghi</hi>), in welchen die wildherabstürzenden Wässer<lb/> ihre Gewalt brechen, den Schotter und die Steine, welche sie mitführen, absetzen, und dann<lb/> erst mit einem sanften Gefälle die weite Ebene bis zum <hi rendition="#i">Pò</hi> durchschneiden. Da heftige<lb/> Regen oder Wolkenbrüche gewöhnlich nur in einer oder der andern Gebirgsgegend Statt<lb/> finden, demnach auch nur der eine oder andere Gebirgsbach anschwillt, so macht diess<lb/> auf den Wasserspiegel in den Seen einen sehr geringen Einfluss, indem die meisten der-<lb/> selben, wie der <hi rendition="#i">Lago maggiore, Lago di Como</hi> und <hi rendition="#i">Lago di Garda</hi> einen Flächen-<lb/> raum von mehreren deutschen Quadratmeilen bedecken. Die andern drei Seen <hi rendition="#i">Lago di<lb/> Lugano, Lago d’Iseo</hi> und <hi rendition="#i">Lago d’Idro</hi> sind kleiner. Die Erhaltung des beständigen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0238]
Bewässerung in der Lombardie.
Bedarf bei weitem nicht hinreichen, es ist nicht die unbedeutende Anzahl der Bergwerke,
es ist keineswegs die Fruchtbarkeit des natürlichen Bodens, die ganz und gar nicht mit
jener von Egypten verglichen werden kann, sondern es ist bloss die ausserordentliche,
durch Bewässerung in den niedrigern Gegenden unterstützte Kultur des Bodens,
dann auch Seidenerzeugung in den höhern, oder nicht bewässerten Gegenden, welche
diese Erscheinungen hervorbringt, die kein zweites Land der Erde aufzuweisen hat. Man
findet hier nicht einzelne Grundstücke, oder die Wiesen einzelner Gemeinden bewässert,
sondern die Felder und Wiesen ganzer Distrikte und Provinzen, welche durch
die Bewässerung auf den höchsten Grad der Fruchtbarkeit gebracht wurden, und gerade
zu jener Zeit, in den heissen Sommertagen, das Schauspiel der üppigsten Vegetazion
darbieten, wo die Fluren in andern Gegenden und Ländern von den brennenden Sonnen-
strahlen verheert erscheinen. Der Reisende erstaunt mit Recht, wenn er die unberechenbare
Zahl der Wasserleitungen und Kanäle bemerkt, die das Land in allen Richtungen durch-
schneiden, wenn er solcher Leitungen häufig drei, vier oder mehr, jedoch in verschiede-
nen Höhen neben einander fortlaufen und ihr Wasser in unzähligen Verzweigungen auf
jene Felder und Wiesen vertheilen sieht, welche desshalb die üppigsten und ergiebigsten
sind, die man in der Welt sehen kann.
Unstreitig trägt das Klima zu dieser hohen Kulturstuffe sehr viel bei, allein das-
selbe ist auch in den übrigen italienischen Staaten, im südlichen Frankreich, in Spa-
nien und Portugall vorhanden, wo jedoch die Kultur noch sehr weit zurückblieb. Ohne
Unterstützung der Lombardischen Bewässerung, ohne jenem Systeme von Kanälen und
Wasserleitungen, die seit beinahe tausend Jahren immer mehr und mehr ver-
vollkommnet und endlich zu dem gegenwärtigen ausgedehnten Umfange und Vollendung
gebracht wurden, wäre die Kultur in diesen Gegenden bei weitem nicht in jener glän-
zenden Lage, wie wir sie wirklich vorfinden. Es dürfte daher bei der ausserordentlichen
Wichtigkeit solcher Anstalten für den Wohlstand eines jeden Landes ganz zweckmässig
seyn, wenn wir in eine nähere Beschreibung des Lombardischen Bewässerungssyste m s
hier eingehen. Wir wollen hierbei dasjenige unterscheiden, was die Natur gethan, und
jenes, was durch die beispiellose Beharrlichkeit und Thätigkeit der Be-
wohner bewirkt wurde.
§. 141.
Oberitalien, gegenwärtig das Lombardisch-Venezianische Königreich, liegt an der
südlichen Seite am Fusse der Schweizer- und Tyroleralpen. Die Wässer, welche von
den letztern herabströmen, ergiessen sich in mehrere am Fusse der Alpen etwas höher
als das flache Land liegende Seen (Laghi), in welchen die wildherabstürzenden Wässer
ihre Gewalt brechen, den Schotter und die Steine, welche sie mitführen, absetzen, und dann
erst mit einem sanften Gefälle die weite Ebene bis zum Pò durchschneiden. Da heftige
Regen oder Wolkenbrüche gewöhnlich nur in einer oder der andern Gebirgsgegend Statt
finden, demnach auch nur der eine oder andere Gebirgsbach anschwillt, so macht diess
auf den Wasserspiegel in den Seen einen sehr geringen Einfluss, indem die meisten der-
selben, wie der Lago maggiore, Lago di Como und Lago di Garda einen Flächen-
raum von mehreren deutschen Quadratmeilen bedecken. Die andern drei Seen Lago di
Lugano, Lago d’Iseo und Lago d’Idro sind kleiner. Die Erhaltung des beständigen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |