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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

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Artesische Brunnen.
wird angeführt, dass theils in den Vorstädten und theils in den nächsten Umgebungen
Wiens bereits 48 solche Springquellbrunnen bestehen. Die Tiefe dieser Brunnen, die in
einem Verzeichnisse einzeln angegeben werden, beträgt 60 bis 234 Fuss; bei einigen steigt
das Wasser bis nahe an die Oberfläche, bei andern bis über die Oberfläche der Erde, bei
einigen wird es sogar als Springbrunnen in Bassin's benützt. Diese 48 Brunnen liefern
über 12000 Eimer oder 21504 N. Oe. Kubikfuss Wasser in 24 Stunden; bei einem Brunnen
in Altmannsdorf, der 108 Fuss Tiefe hat, beträgt sogar die Wassermenge in 24 Stunden
1728 Eimer oder 3097 Kubikfuss. Die Temperatur dieses heraufgebrachten Wassers bei
allen solchen Brunnen wechselt von 9 bis 11 Grad Reaumur. Nebst diesen Quell- oder
lebendigen Brunnen gibt es noch eine grosse Menge Brunnen bei Wien, welche bloss auf
das Seihwasser gegraben sind, und daher nicht hieher gehören.

Das Verfahren, dessen man sich in Niederöstreich zur Herstellung dieser Brunnen
bedient, ist folgendes: man gräbt auf die gewöhnliche Art einen Brunnen von 4, 5 bis 6 Fuss
Weite von der oberen Dammerde an durch die unter denselben befindlichen Sand- und
Schotterschichten bis auf die feste Schichte von Tegel; diese wird nun mit einem Hohl-
bohrer und das darunter befindliche Sandstein- oder Thonmergellager mit einem Stein-
bohrer durchbohrt, worauf man gewöhnlich schon auf eine Sandschichte kommt, in wel-
cher diess Quellwasser sich befindet, das durch seinen hydrostatischen Druck mit aus-
serordentlicher Schnelligkeit in die Höhe und manchmal bis nahe an die Erdoberfläche,
manchmal auch bis über dieselbe getrieben wird. Von der untern Steinlage an werden
nun hölzerne Brunnenbohrer, die mit Brunnbüchsen gut verbunden sind, bis über die
Oberfläche der Erde aufgesetzt, auf ihrer ganzen Länge seitwärts mit Lehm gut ver-
stampft und der übrige Brunnenraum wieder mit Erde und Schotter ausgefüllt. Ist der
hydrostatische Druck nicht so gross, dass das Wasser bis zur Oberfläche der Erde steigt,
so sammelt man es auf der Tiefe, wo es stehen bleibt, in einem Schöpfbrunnen, aus wel-
chem das Wasser auf die bekannte Art geschöpft wird. Kommt man bei der vor erwähn-
ten Durchbohrung der ersten Sandsteinlage nicht auf Wasser, so bohrt man in dem ge-
wöhnlich darunter liegenden Tegel wieder fort, und durch die zweite Steinplatte, unter
welcher sich dann gewöhnlich das Wasser befindet.

In Frankreich wandte man viereckige aus Bretern zusammengefügte in einander ein-
geschobene Schläuche an. In England wird das ganze Bohrloch von oben herab bis zur
Quelle mit gusseisernen Röhren ausgefüttert; diese werden Stück für Stück fest auf ein-
ander gefügt, immer tiefer eingetrieben, und in diesen Röhren eigentlich die Bohrung
vorgenommen.

Das Wasser dieser Springquellbrunnen wird in und bei Wien zu dem Bedarfe in
mehreren Bleichen, Kattundruckereien, Gerbereien und andern Fabriken verwendet,
wo es früher mit ungemeinen Kosten herbeigeschafft werden musste. Hierbei kommt
die im Sommer und Winter immer gleiche Temperatur des Wassers vorzüglich zu Stat-
ten, welches auch dann einen ausserordentlichen Vortheil gewährt, wenn das Wasser sol-
cher reicherer Springquellen, im Falle es hoch genug steigt, zur Bewegung eines Rades
verwendet wird.

Nach dieser Darstellung leuchtet es von selbst ein, welchen ausserordentlichen Vor-
theil die Anlage solcher Brunnen in sehr vielen Fällen gewähre. Da jedoch das Bohren

Artesische Brunnen.
wird angeführt, dass theils in den Vorstädten und theils in den nächsten Umgebungen
Wiens bereits 48 solche Springquellbrunnen bestehen. Die Tiefe dieser Brunnen, die in
einem Verzeichnisse einzeln angegeben werden, beträgt 60 bis 234 Fuss; bei einigen steigt
das Wasser bis nahe an die Oberfläche, bei andern bis über die Oberfläche der Erde, bei
einigen wird es sogar als Springbrunnen in Bassin’s benützt. Diese 48 Brunnen liefern
über 12000 Eimer oder 21504 N. Oe. Kubikfuss Wasser in 24 Stunden; bei einem Brunnen
in Altmannsdorf, der 108 Fuss Tiefe hat, beträgt sogar die Wassermenge in 24 Stunden
1728 Eimer oder 3097 Kubikfuss. Die Temperatur dieses heraufgebrachten Wassers bei
allen solchen Brunnen wechselt von 9 bis 11 Grad Reaumur. Nebst diesen Quell- oder
lebendigen Brunnen gibt es noch eine grosse Menge Brunnen bei Wien, welche bloss auf
das Seihwasser gegraben sind, und daher nicht hieher gehören.

Das Verfahren, dessen man sich in Niederöstreich zur Herstellung dieser Brunnen
bedient, ist folgendes: man gräbt auf die gewöhnliche Art einen Brunnen von 4, 5 bis 6 Fuss
Weite von der oberen Dammerde an durch die unter denselben befindlichen Sand- und
Schotterschichten bis auf die feste Schichte von Tegel; diese wird nun mit einem Hohl-
bohrer und das darunter befindliche Sandstein- oder Thonmergellager mit einem Stein-
bohrer durchbohrt, worauf man gewöhnlich schon auf eine Sandschichte kommt, in wel-
cher diess Quellwasser sich befindet, das durch seinen hydrostatischen Druck mit aus-
serordentlicher Schnelligkeit in die Höhe und manchmal bis nahe an die Erdoberfläche,
manchmal auch bis über dieselbe getrieben wird. Von der untern Steinlage an werden
nun hölzerne Brunnenbohrer, die mit Brunnbüchsen gut verbunden sind, bis über die
Oberfläche der Erde aufgesetzt, auf ihrer ganzen Länge seitwärts mit Lehm gut ver-
stampft und der übrige Brunnenraum wieder mit Erde und Schotter ausgefüllt. Ist der
hydrostatische Druck nicht so gross, dass das Wasser bis zur Oberfläche der Erde steigt,
so sammelt man es auf der Tiefe, wo es stehen bleibt, in einem Schöpfbrunnen, aus wel-
chem das Wasser auf die bekannte Art geschöpft wird. Kommt man bei der vor erwähn-
ten Durchbohrung der ersten Sandsteinlage nicht auf Wasser, so bohrt man in dem ge-
wöhnlich darunter liegenden Tegel wieder fort, und durch die zweite Steinplatte, unter
welcher sich dann gewöhnlich das Wasser befindet.

In Frankreich wandte man viereckige aus Bretern zusammengefügte in einander ein-
geschobene Schläuche an. In England wird das ganze Bohrloch von oben herab bis zur
Quelle mit gusseisernen Röhren ausgefüttert; diese werden Stück für Stück fest auf ein-
ander gefügt, immer tiefer eingetrieben, und in diesen Röhren eigentlich die Bohrung
vorgenommen.

Das Wasser dieser Springquellbrunnen wird in und bei Wien zu dem Bedarfe in
mehreren Bleichen, Kattundruckereien, Gerbereien und andern Fabriken verwendet,
wo es früher mit ungemeinen Kosten herbeigeschafft werden musste. Hierbei kommt
die im Sommer und Winter immer gleiche Temperatur des Wassers vorzüglich zu Stat-
ten, welches auch dann einen ausserordentlichen Vortheil gewährt, wenn das Wasser sol-
cher reicherer Springquellen, im Falle es hoch genug steigt, zur Bewegung eines Rades
verwendet wird.

Nach dieser Darstellung leuchtet es von selbst ein, welchen ausserordentlichen Vor-
theil die Anlage solcher Brunnen in sehr vielen Fällen gewähre. Da jedoch das Bohren

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[71/0089] Artesische Brunnen. wird angeführt, dass theils in den Vorstädten und theils in den nächsten Umgebungen Wiens bereits 48 solche Springquellbrunnen bestehen. Die Tiefe dieser Brunnen, die in einem Verzeichnisse einzeln angegeben werden, beträgt 60 bis 234 Fuss; bei einigen steigt das Wasser bis nahe an die Oberfläche, bei andern bis über die Oberfläche der Erde, bei einigen wird es sogar als Springbrunnen in Bassin’s benützt. Diese 48 Brunnen liefern über 12000 Eimer oder 21504 N. Oe. Kubikfuss Wasser in 24 Stunden; bei einem Brunnen in Altmannsdorf, der 108 Fuss Tiefe hat, beträgt sogar die Wassermenge in 24 Stunden 1728 Eimer oder 3097 Kubikfuss. Die Temperatur dieses heraufgebrachten Wassers bei allen solchen Brunnen wechselt von 9 bis 11 Grad Reaumur. Nebst diesen Quell- oder lebendigen Brunnen gibt es noch eine grosse Menge Brunnen bei Wien, welche bloss auf das Seihwasser gegraben sind, und daher nicht hieher gehören. Das Verfahren, dessen man sich in Niederöstreich zur Herstellung dieser Brunnen bedient, ist folgendes: man gräbt auf die gewöhnliche Art einen Brunnen von 4, 5 bis 6 Fuss Weite von der oberen Dammerde an durch die unter denselben befindlichen Sand- und Schotterschichten bis auf die feste Schichte von Tegel; diese wird nun mit einem Hohl- bohrer und das darunter befindliche Sandstein- oder Thonmergellager mit einem Stein- bohrer durchbohrt, worauf man gewöhnlich schon auf eine Sandschichte kommt, in wel- cher diess Quellwasser sich befindet, das durch seinen hydrostatischen Druck mit aus- serordentlicher Schnelligkeit in die Höhe und manchmal bis nahe an die Erdoberfläche, manchmal auch bis über dieselbe getrieben wird. Von der untern Steinlage an werden nun hölzerne Brunnenbohrer, die mit Brunnbüchsen gut verbunden sind, bis über die Oberfläche der Erde aufgesetzt, auf ihrer ganzen Länge seitwärts mit Lehm gut ver- stampft und der übrige Brunnenraum wieder mit Erde und Schotter ausgefüllt. Ist der hydrostatische Druck nicht so gross, dass das Wasser bis zur Oberfläche der Erde steigt, so sammelt man es auf der Tiefe, wo es stehen bleibt, in einem Schöpfbrunnen, aus wel- chem das Wasser auf die bekannte Art geschöpft wird. Kommt man bei der vor erwähn- ten Durchbohrung der ersten Sandsteinlage nicht auf Wasser, so bohrt man in dem ge- wöhnlich darunter liegenden Tegel wieder fort, und durch die zweite Steinplatte, unter welcher sich dann gewöhnlich das Wasser befindet. In Frankreich wandte man viereckige aus Bretern zusammengefügte in einander ein- geschobene Schläuche an. In England wird das ganze Bohrloch von oben herab bis zur Quelle mit gusseisernen Röhren ausgefüttert; diese werden Stück für Stück fest auf ein- ander gefügt, immer tiefer eingetrieben, und in diesen Röhren eigentlich die Bohrung vorgenommen. Das Wasser dieser Springquellbrunnen wird in und bei Wien zu dem Bedarfe in mehreren Bleichen, Kattundruckereien, Gerbereien und andern Fabriken verwendet, wo es früher mit ungemeinen Kosten herbeigeschafft werden musste. Hierbei kommt die im Sommer und Winter immer gleiche Temperatur des Wassers vorzüglich zu Stat- ten, welches auch dann einen ausserordentlichen Vortheil gewährt, wenn das Wasser sol- cher reicherer Springquellen, im Falle es hoch genug steigt, zur Bewegung eines Rades verwendet wird. Nach dieser Darstellung leuchtet es von selbst ein, welchen ausserordentlichen Vor- theil die Anlage solcher Brunnen in sehr vielen Fällen gewähre. Da jedoch das Bohren

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/89>, abgerufen am 30.11.2024.