Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Stabilität der Schiffe.
der Mittelpunkt, als auch der Punkt der vollen Belastung des Kanalschiffes, oder auch
noch einige Zwischenpunkte bemerkt. Die Konstrukzion dieser Wagen ist dieselbe,
welche wir in dem I. Bande bei den Strassen- oder Mauthwagen und den für grosse
Güterwägen bestimmten Wagen kennen gelernt haben; das Schiff wird nämlich mit Ket-
ten umwunden, durch eine Verbindung mehrerer Räder aus dem Wasser gehoben, und
dann gewöhnlich mittelst einer Schnellwage abgewogen. Es leuchtet von selbst ein,
dass man sich derselben Manipulazion bedienen könne, um die Aichskale bei einem
beladenen Schiffe zu verifiziren.

§. 54.

Wir kommen nun zur Beantwortung der Frage, welche Sicherheit ein Schiff
gegen das Umstürzen habe
? -- Es ist aus Erfahrung bekannt, dass ein schmales
Schiff leicht umfalle, und dass diess auch bei einem breiten Schiffe Statt findet, wenn
es sehr hoch geladen ist.

Wir haben demnach die Umstände zu untersuchen, welche auf die Stabilität
des Schiffes
oder auf jene Kraft Einfluss haben, mit welcher ein Schiff sich in
der horizontalen Lage erhält, oder womit es aus der schiefen Lage zur horizontalen
wieder zurückkehrt.

Es sey D G K L der Querschnitt eines rechtwinkligen Schiffes in der horizontalen
Lage. Wird dasselbe durch irgend eine Kraft in eine schiefe Lage gebracht, so wird
es auf der einen Seite tiefer in das Wasser einsinken, zugleich aber von der andern Seite
aus dem Wasser emporsteigen, und die Lage wie Fig. 16. einnehmen, wo B E die hori-Fig.
15.
und
16.
Tab.
42.

zontale Wasserfläche vorstellt. Da das Schiff in beiden Lagen ein gleiches Gewicht
hat, so muss auch der ganze Inhalt des verdrängten Wassers immer derselbe bleiben,
folglich muss das Schiff um eben so viel, als es einerseits ausser dem Wasser steht, auf
der andern Seite wieder hineinsinken; es muss daher der Querschnitt D G L K = M G L H
und das Dreieck D M C = C H K, so wie auch die Tiefe des Einsinkens H K gleich
der Höhe des Emporsteigens D M seyn.

Da das Schiff die Stelle des verdrängten Wassers einnimmt, so können wir uns
den Schwerpunkt dieses Wassers zugleich als den Stützpunkt des Schiffes (seines ei-
genen Gewichtes und der Ladung) denken, wie diess bei einem jeden festen Körper
von selbst einleuchtet. In der horizontalen Lage des Schiffes liegt der Schwerpunkt
in der Mitte o; in der schiefen Lage ist die verdrängte Wassermenge von der einen Seite
grösser, als von der andern, es wird sich also der Stützpunkt des Schiffes nicht mehr
in o, sondern in m befinden. Wir wollen nun die Lage dieses Punktes bestimmen.
Ziehen wir durch o die Horizontale A N, auf einer beliebigen Entfernung die Pa-
rallele O P, und fällen wir von den Schwerpunkten t und q der Dreiecke D M C und
C H K, so wie von dem Schwerpunkte m des Trapezes M G L H und von dem Schwer-
punkte der Ladung und des Schiffes a die nothwendigen Perpendikel, so kann man
zur Bestimmung des Schwerpunktes nach §. 69. Band I. die statischen Momente um
Q O berechnen. Es ist daher die Fläche M G L H (= F) multiplizirt mit der Ent-
fernung A m' ihres Schwerpunktes m = der Fläche D G L K (= F) multiplizirt mit der
Entfernung A o ihres Schwerpunktes o, weniger der Dreiecksfläche D M C (= f) multiplizirt

Stabilität der Schiffe.
der Mittelpunkt, als auch der Punkt der vollen Belastung des Kanalschiffes, oder auch
noch einige Zwischenpunkte bemerkt. Die Konstrukzion dieser Wagen ist dieselbe,
welche wir in dem I. Bande bei den Strassen- oder Mauthwagen und den für grosse
Güterwägen bestimmten Wagen kennen gelernt haben; das Schiff wird nämlich mit Ket-
ten umwunden, durch eine Verbindung mehrerer Räder aus dem Wasser gehoben, und
dann gewöhnlich mittelst einer Schnellwage abgewogen. Es leuchtet von selbst ein,
dass man sich derselben Manipulazion bedienen könne, um die Aichskale bei einem
beladenen Schiffe zu verifiziren.

§. 54.

Wir kommen nun zur Beantwortung der Frage, welche Sicherheit ein Schiff
gegen das Umstürzen habe
? — Es ist aus Erfahrung bekannt, dass ein schmales
Schiff leicht umfalle, und dass diess auch bei einem breiten Schiffe Statt findet, wenn
es sehr hoch geladen ist.

Wir haben demnach die Umstände zu untersuchen, welche auf die Stabilität
des Schiffes
oder auf jene Kraft Einfluss haben, mit welcher ein Schiff sich in
der horizontalen Lage erhält, oder womit es aus der schiefen Lage zur horizontalen
wieder zurückkehrt.

Es sey D G K L der Querschnitt eines rechtwinkligen Schiffes in der horizontalen
Lage. Wird dasselbe durch irgend eine Kraft in eine schiefe Lage gebracht, so wird
es auf der einen Seite tiefer in das Wasser einsinken, zugleich aber von der andern Seite
aus dem Wasser emporsteigen, und die Lage wie Fig. 16. einnehmen, wo B E die hori-Fig.
15.
und
16.
Tab.
42.

zontale Wasserfläche vorstellt. Da das Schiff in beiden Lagen ein gleiches Gewicht
hat, so muss auch der ganze Inhalt des verdrängten Wassers immer derselbe bleiben,
folglich muss das Schiff um eben so viel, als es einerseits ausser dem Wasser steht, auf
der andern Seite wieder hineinsinken; es muss daher der Querschnitt D G L K = M G L H
und das Dreieck D M C = C H K, so wie auch die Tiefe des Einsinkens H K gleich
der Höhe des Emporsteigens D M seyn.

Da das Schiff die Stelle des verdrängten Wassers einnimmt, so können wir uns
den Schwerpunkt dieses Wassers zugleich als den Stützpunkt des Schiffes (seines ei-
genen Gewichtes und der Ladung) denken, wie diess bei einem jeden festen Körper
von selbst einleuchtet. In der horizontalen Lage des Schiffes liegt der Schwerpunkt
in der Mitte o; in der schiefen Lage ist die verdrängte Wassermenge von der einen Seite
grösser, als von der andern, es wird sich also der Stützpunkt des Schiffes nicht mehr
in o, sondern in m befinden. Wir wollen nun die Lage dieses Punktes bestimmen.
Ziehen wir durch o die Horizontale A N, auf einer beliebigen Entfernung die Pa-
rallele O P, und fällen wir von den Schwerpunkten t und q der Dreiecke D M C und
C H K, so wie von dem Schwerpunkte m des Trapezes M G L H und von dem Schwer-
punkte der Ladung und des Schiffes a die nothwendigen Perpendikel, so kann man
zur Bestimmung des Schwerpunktes nach §. 69. Band I. die statischen Momente um
Q O berechnen. Es ist daher die Fläche M G L H (= F) multiplizirt mit der Ent-
fernung A m' ihres Schwerpunktes m = der Fläche D G L K (= F) multiplizirt mit der
Entfernung A o ihres Schwerpunktes o, weniger der Dreiecksfläche D M C (= f) multiplizirt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0079" n="61"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Stabilität der Schiffe</hi>.</fw><lb/>
der Mittelpunkt, als auch der Punkt der vollen Belastung des Kanalschiffes, oder auch<lb/>
noch einige Zwischenpunkte bemerkt. Die Konstrukzion dieser Wagen ist dieselbe,<lb/>
welche wir in dem I. Bande bei den Strassen- oder Mauthwagen und den für grosse<lb/>
Güterwägen bestimmten Wagen kennen gelernt haben; das Schiff wird nämlich mit Ket-<lb/>
ten umwunden, durch eine Verbindung mehrerer Räder aus dem Wasser gehoben, und<lb/>
dann gewöhnlich mittelst einer Schnellwage abgewogen. Es leuchtet von selbst ein,<lb/>
dass man sich derselben Manipulazion bedienen könne, um die Aichskale bei einem<lb/>
beladenen Schiffe zu verifiziren.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 54.</head><lb/>
            <p>Wir kommen nun zur Beantwortung der Frage, <hi rendition="#g">welche Sicherheit ein Schiff<lb/>
gegen das Umstürzen habe</hi>? &#x2014; Es ist aus Erfahrung bekannt, dass ein schmales<lb/>
Schiff leicht umfalle, und dass diess auch bei einem breiten Schiffe Statt findet, wenn<lb/>
es sehr hoch geladen ist.</p><lb/>
            <p>Wir haben demnach die Umstände zu untersuchen, welche auf die <hi rendition="#g">Stabilität<lb/>
des Schiffes</hi> oder auf jene Kraft Einfluss haben, mit welcher ein Schiff sich in<lb/>
der horizontalen Lage erhält, oder womit es aus der schiefen Lage zur horizontalen<lb/>
wieder zurückkehrt.</p><lb/>
            <p>Es sey D G K L der Querschnitt eines rechtwinkligen Schiffes in der horizontalen<lb/>
Lage. Wird dasselbe durch irgend eine Kraft in eine schiefe Lage gebracht, so wird<lb/>
es auf der einen Seite tiefer in das Wasser einsinken, zugleich aber von der andern Seite<lb/>
aus dem Wasser emporsteigen, und die Lage wie Fig. 16. einnehmen, wo B E die hori-<note place="right">Fig.<lb/>
15.<lb/>
und<lb/>
16.<lb/>
Tab.<lb/>
42.</note><lb/>
zontale Wasserfläche vorstellt. Da das Schiff in beiden Lagen ein gleiches Gewicht<lb/>
hat, so muss auch der ganze Inhalt des verdrängten Wassers immer derselbe bleiben,<lb/>
folglich muss das Schiff um eben so viel, als es einerseits ausser dem Wasser steht, auf<lb/>
der andern Seite wieder hineinsinken; es muss daher der Querschnitt D G L K = M G L H<lb/>
und das Dreieck D M C = C H K, so wie auch die Tiefe des Einsinkens H K gleich<lb/>
der Höhe des Emporsteigens D M seyn.</p><lb/>
            <p>Da das Schiff die Stelle des verdrängten Wassers einnimmt, so können wir uns<lb/>
den Schwerpunkt dieses Wassers zugleich als den Stützpunkt des Schiffes (seines ei-<lb/>
genen Gewichtes und der Ladung) denken, wie diess bei einem jeden festen Körper<lb/>
von selbst einleuchtet. In der horizontalen Lage des Schiffes liegt der Schwerpunkt<lb/>
in der Mitte o; in der schiefen Lage ist die verdrängte Wassermenge von der einen Seite<lb/>
grösser, als von der andern, es wird sich also der Stützpunkt des Schiffes nicht mehr<lb/>
in o, sondern in m befinden. Wir wollen nun die Lage dieses Punktes bestimmen.<lb/>
Ziehen wir durch o die Horizontale A N, auf einer beliebigen Entfernung die Pa-<lb/>
rallele O P, und fällen wir von den Schwerpunkten t und q der Dreiecke D M C und<lb/>
C H K, so wie von dem Schwerpunkte m des Trapezes M G L H und von dem Schwer-<lb/>
punkte der Ladung und des Schiffes a die nothwendigen Perpendikel, so kann man<lb/>
zur Bestimmung des Schwerpunktes nach §. 69. Band I. die statischen Momente um<lb/>
Q O berechnen. Es ist daher die Fläche M G L H (= F) multiplizirt mit der Ent-<lb/>
fernung A m' ihres Schwerpunktes m = der Fläche D G L K (= F) multiplizirt mit der<lb/>
Entfernung A o ihres Schwerpunktes o, weniger der Dreiecksfläche D M C (= f) multiplizirt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0079] Stabilität der Schiffe. der Mittelpunkt, als auch der Punkt der vollen Belastung des Kanalschiffes, oder auch noch einige Zwischenpunkte bemerkt. Die Konstrukzion dieser Wagen ist dieselbe, welche wir in dem I. Bande bei den Strassen- oder Mauthwagen und den für grosse Güterwägen bestimmten Wagen kennen gelernt haben; das Schiff wird nämlich mit Ket- ten umwunden, durch eine Verbindung mehrerer Räder aus dem Wasser gehoben, und dann gewöhnlich mittelst einer Schnellwage abgewogen. Es leuchtet von selbst ein, dass man sich derselben Manipulazion bedienen könne, um die Aichskale bei einem beladenen Schiffe zu verifiziren. §. 54. Wir kommen nun zur Beantwortung der Frage, welche Sicherheit ein Schiff gegen das Umstürzen habe? — Es ist aus Erfahrung bekannt, dass ein schmales Schiff leicht umfalle, und dass diess auch bei einem breiten Schiffe Statt findet, wenn es sehr hoch geladen ist. Wir haben demnach die Umstände zu untersuchen, welche auf die Stabilität des Schiffes oder auf jene Kraft Einfluss haben, mit welcher ein Schiff sich in der horizontalen Lage erhält, oder womit es aus der schiefen Lage zur horizontalen wieder zurückkehrt. Es sey D G K L der Querschnitt eines rechtwinkligen Schiffes in der horizontalen Lage. Wird dasselbe durch irgend eine Kraft in eine schiefe Lage gebracht, so wird es auf der einen Seite tiefer in das Wasser einsinken, zugleich aber von der andern Seite aus dem Wasser emporsteigen, und die Lage wie Fig. 16. einnehmen, wo B E die hori- zontale Wasserfläche vorstellt. Da das Schiff in beiden Lagen ein gleiches Gewicht hat, so muss auch der ganze Inhalt des verdrängten Wassers immer derselbe bleiben, folglich muss das Schiff um eben so viel, als es einerseits ausser dem Wasser steht, auf der andern Seite wieder hineinsinken; es muss daher der Querschnitt D G L K = M G L H und das Dreieck D M C = C H K, so wie auch die Tiefe des Einsinkens H K gleich der Höhe des Emporsteigens D M seyn. Fig. 15. und 16. Tab. 42. Da das Schiff die Stelle des verdrängten Wassers einnimmt, so können wir uns den Schwerpunkt dieses Wassers zugleich als den Stützpunkt des Schiffes (seines ei- genen Gewichtes und der Ladung) denken, wie diess bei einem jeden festen Körper von selbst einleuchtet. In der horizontalen Lage des Schiffes liegt der Schwerpunkt in der Mitte o; in der schiefen Lage ist die verdrängte Wassermenge von der einen Seite grösser, als von der andern, es wird sich also der Stützpunkt des Schiffes nicht mehr in o, sondern in m befinden. Wir wollen nun die Lage dieses Punktes bestimmen. Ziehen wir durch o die Horizontale A N, auf einer beliebigen Entfernung die Pa- rallele O P, und fällen wir von den Schwerpunkten t und q der Dreiecke D M C und C H K, so wie von dem Schwerpunkte m des Trapezes M G L H und von dem Schwer- punkte der Ladung und des Schiffes a die nothwendigen Perpendikel, so kann man zur Bestimmung des Schwerpunktes nach §. 69. Band I. die statischen Momente um Q O berechnen. Es ist daher die Fläche M G L H (= F) multiplizirt mit der Ent- fernung A m' ihres Schwerpunktes m = der Fläche D G L K (= F) multiplizirt mit der Entfernung A o ihres Schwerpunktes o, weniger der Dreiecksfläche D M C (= f) multiplizirt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/79
Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/79>, abgerufen am 18.11.2024.