Die unterschlächtigen und Schiffmühlen-Räder werden gewöhnlich nur an grössern Flüssen gebraucht, wo man nämlich eine grosse Wassermenge zu verwenden hat, und dasjenige, was dem Wasser an Gefälle und an Geschwindigkeit gebricht, sehr leicht durch grössere Schaufeln und hinlängliches Wasser ersetzen kann. In jedem Lande kann jedoch nur ein kleiner Theil der Bewohner von den Vortheilen der grössern Flüsse Gebrauch machen, während der grössere Theil derselben sich in Gebirgsgegenden be- findet, wo das Wasser noch in mehrere kleine Bäche vertheilt ist. Da sonach in die- sen Gegenden nur das Wasser aus kleinern Bächen zur Betreibung der Mühlen und an- dern Maschinen verwendet, dagegen aber die nöthige Triebkraft durch ein grösseres Gefälle ersetzt, und dem Wasser dadurch eine sehr grosse Geschwindigkeit gegeben werden kann, so kamen die gewerbsfleissigen Bewohner dieser Gegenden wohl sehr bald auf den Gedanken, das Wasser von oben auf die Schaufeln der Räder fallen zu las- sen, damit auf solche Art das Wasser nicht bloss durch seine grössere Geschwindigkeit, sondern auch durch sein Gewicht wirken und die Triebkraft des einfallenden Wasser- strahls vermehren möchte. Diese Räder werden oberschlächtige Räder (Roues a augets, Overshot Wheels) genannt.
Fig. 1. Tab. 60.
Die einfachste Art der oberschlächtigen Räder ist demnach jene, wo das Rad aus einer starken Welle besteht, in deren Umfang unmittelbar Schaufeln eingesetzt und beiderseits mit Kränzen versehen werden. Auf diese Räder, Walzenräder genannt, stürzt das Wasser gewöhnlich aus einem mehrere Fuss oberhalb derselben liegenden hölzernen Gerinne mit einer grossen Geschwindigkeit herab, wodurch den Rädern eben- falls eine sehr grosse Geschwindigkeit beigebracht wird. Bei der Anlage dieser Rä- der hatte man daher hauptsächlich den Zweck vor Augen, durch eine möglichst ein- fache Vorrichtung eine sehr grosse Geschwindigkeit zu bewirken, wie diess z. B. bei der Betreibung kleinerer Mühlsteine, der Bretsägen, bei Löffelmühlen u. s. w. der Fall ist.
Fig. 2.
Eine verbesserte Art dieser Räder ist jene, wo das nach der Art der unterschläch- tigen Räder gebaute, zur Bewirkung einer grössern Kraft mit einem grössern Halbmes- ser versehene Rad inwendig mit einem Boden umgeben, das Mühlgerinne ebenfalls schief gelegt und das einfallende Wasser in der Nähe des Scheitels auf das Rad ge-
VII. Kapitel. Oberschlächtige Räder, Kropfräder.
§. 298.
Die unterschlächtigen und Schiffmühlen-Räder werden gewöhnlich nur an grössern Flüssen gebraucht, wo man nämlich eine grosse Wassermenge zu verwenden hat, und dasjenige, was dem Wasser an Gefälle und an Geschwindigkeit gebricht, sehr leicht durch grössere Schaufeln und hinlängliches Wasser ersetzen kann. In jedem Lande kann jedoch nur ein kleiner Theil der Bewohner von den Vortheilen der grössern Flüsse Gebrauch machen, während der grössere Theil derselben sich in Gebirgsgegenden be- findet, wo das Wasser noch in mehrere kleine Bäche vertheilt ist. Da sonach in die- sen Gegenden nur das Wasser aus kleinern Bächen zur Betreibung der Mühlen und an- dern Maschinen verwendet, dagegen aber die nöthige Triebkraft durch ein grösseres Gefälle ersetzt, und dem Wasser dadurch eine sehr grosse Geschwindigkeit gegeben werden kann, so kamen die gewerbsfleissigen Bewohner dieser Gegenden wohl sehr bald auf den Gedanken, das Wasser von oben auf die Schaufeln der Räder fallen zu las- sen, damit auf solche Art das Wasser nicht bloss durch seine grössere Geschwindigkeit, sondern auch durch sein Gewicht wirken und die Triebkraft des einfallenden Wasser- strahls vermehren möchte. Diese Räder werden oberschlächtige Räder (Roues à augets, Overshot Wheels) genannt.
Fig. 1. Tab. 60.
Die einfachste Art der oberschlächtigen Räder ist demnach jene, wo das Rad aus einer starken Welle besteht, in deren Umfang unmittelbar Schaufeln eingesetzt und beiderseits mit Kränzen versehen werden. Auf diese Räder, Walzenräder genannt, stürzt das Wasser gewöhnlich aus einem mehrere Fuss oberhalb derselben liegenden hölzernen Gerinne mit einer grossen Geschwindigkeit herab, wodurch den Rädern eben- falls eine sehr grosse Geschwindigkeit beigebracht wird. Bei der Anlage dieser Rä- der hatte man daher hauptsächlich den Zweck vor Augen, durch eine möglichst ein- fache Vorrichtung eine sehr grosse Geschwindigkeit zu bewirken, wie diess z. B. bei der Betreibung kleinerer Mühlsteine, der Bretsägen, bei Löffelmühlen u. s. w. der Fall ist.
Fig. 2.
Eine verbesserte Art dieser Räder ist jene, wo das nach der Art der unterschläch- tigen Räder gebaute, zur Bewirkung einer grössern Kraft mit einem grössern Halbmes- ser versehene Rad inwendig mit einem Boden umgeben, das Mühlgerinne ebenfalls schief gelegt und das einfallende Wasser in der Nähe des Scheitels auf das Rad ge-
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VII. Kapitel.
Oberschlächtige Räder, Kropfräder.
§. 298.
Die unterschlächtigen und Schiffmühlen-Räder werden gewöhnlich nur an grössern
Flüssen gebraucht, wo man nämlich eine grosse Wassermenge zu verwenden hat, und
dasjenige, was dem Wasser an Gefälle und an Geschwindigkeit gebricht, sehr leicht
durch grössere Schaufeln und hinlängliches Wasser ersetzen kann. In jedem Lande
kann jedoch nur ein kleiner Theil der Bewohner von den Vortheilen der grössern Flüsse
Gebrauch machen, während der grössere Theil derselben sich in Gebirgsgegenden be-
findet, wo das Wasser noch in mehrere kleine Bäche vertheilt ist. Da sonach in die-
sen Gegenden nur das Wasser aus kleinern Bächen zur Betreibung der Mühlen und an-
dern Maschinen verwendet, dagegen aber die nöthige Triebkraft durch ein grösseres
Gefälle ersetzt, und dem Wasser dadurch eine sehr grosse Geschwindigkeit gegeben
werden kann, so kamen die gewerbsfleissigen Bewohner dieser Gegenden wohl sehr
bald auf den Gedanken, das Wasser von oben auf die Schaufeln der Räder fallen zu las-
sen, damit auf solche Art das Wasser nicht bloss durch seine grössere Geschwindigkeit,
sondern auch durch sein Gewicht wirken und die Triebkraft des einfallenden Wasser-
strahls vermehren möchte. Diese Räder werden oberschlächtige Räder (Roues
à augets, Overshot Wheels) genannt.
Die einfachste Art der oberschlächtigen Räder ist demnach jene, wo das Rad aus
einer starken Welle besteht, in deren Umfang unmittelbar Schaufeln eingesetzt und
beiderseits mit Kränzen versehen werden. Auf diese Räder, Walzenräder genannt,
stürzt das Wasser gewöhnlich aus einem mehrere Fuss oberhalb derselben liegenden
hölzernen Gerinne mit einer grossen Geschwindigkeit herab, wodurch den Rädern eben-
falls eine sehr grosse Geschwindigkeit beigebracht wird. Bei der Anlage dieser Rä-
der hatte man daher hauptsächlich den Zweck vor Augen, durch eine möglichst ein-
fache Vorrichtung eine sehr grosse Geschwindigkeit zu bewirken, wie diess z. B. bei
der Betreibung kleinerer Mühlsteine, der Bretsägen, bei Löffelmühlen u. s. w. der Fall ist.
Eine verbesserte Art dieser Räder ist jene, wo das nach der Art der unterschläch-
tigen Räder gebaute, zur Bewirkung einer grössern Kraft mit einem grössern Halbmes-
ser versehene Rad inwendig mit einem Boden umgeben, das Mühlgerinne ebenfalls
schief gelegt und das einfallende Wasser in der Nähe des Scheitels auf das Rad ge-
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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/424>, abgerufen am 18.11.2024.
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