Da diese Versuche nur durch eine gründliche Theorie gehörig beleuchtet werden konnten, so hat mein Vater zuerst in dem zweiten Bande der Abhandlungen der k. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften. Prag, 1795, eine umständliche Theorie des Was- serstosses in Schussgerinnen mit Rücksicht auf Erfahrung und An- wendung bekannt gemacht und zugleich aus Mangel genügender anderweitiger Er- fahrungen eine Reihe von Versuchen angestellt, welche die Theorie vollkommen recht- fertigen. In den nachfolgenden §. §. wird diese Theorie mit den neuern seit dem Jahre 1795 hierzu gemachten Zusätzen mitgetheilt.
§. 259.
Zur Bestimmung des Wasserstosses oder des Druckes, welchen das in Be- wegung befindliche Wasser gegen eine nicht ruhig stehende, sondern mit geringerer Geschwindigkeit vorausgehende Fläche ausübt, wollen wir uns diese Fläche im Schussgerinne senkrecht aufgestellt denken. Diese Fläche gehe mit einer Geschwindigkeit v fort, die kleiner als die Geschwindigkeit c des Wassers ist und sie passe zugleich so vollkommen in das Gerinne, dass sie dem nachfolgenden Wasser keinen Ausweg gestattet, sondern dasselbe nöthigt, seine Bewegung nur mit der Geschwin- digkeit v fortzusetzen. Da wir nicht wohl annehmen können, dass das Wasser seine Ge- schwindigkeit c plötzlich verlassen und dagegen die Geschwindigkeit v eben so schnell annehmen werde, so wollen wir bei Voraussetzung eines horizontalen Gerinnes das Was- ser bei seiner Ankunft vor der bewegten Fläche in mehrere senkrechte Schichten A a b B, B b c C, C c d D .... eintheilen, dann die Geschwindigkeit, womit das Wasser inFig. 3. Tab. 56. der kleinen Zeit d t den Raum a b beschreibt = c, endlich jene Geschwindigkeit, womit die verminderten Räume b c, c d, d e und e f beschrieben werden, mit c', c'', c''' und v bezeichnen. Setzen wir nun die Querschnittsfläche des herbeifliessenden Wassers A a = f, so ist der kubische Inhalt des im Raume A a b B enthaltenen Wassers d M = f . c . d t und wir sehen, dass dasselbe Wasser auf seinem Wege von b nach c, dann von c nach d, von d nach e die Räume c' . d t, c'' . d t, c''' . d t .... zurücklegt. Bezeichnen wir auf gleiche Art die Querschnittsfläche B b = f', die Querschnittsfläche C c = f'' .... und die letzte Fläche E e = ph, so haben wir für eine jede dieser Stellungen d M = f . c . d t = f' . c' . d t = f'' . c'' . d t ..... = ph . v . d t, weil wir annehmen, dass dasselbe Element sich nach und nach in diesen Stellungen befindet. Da nun das Element bei seinem Fortrücken von A a nach B b, die Geschwindigkeit c in die Geschwindigkeit c' verändert und da der Winkel, den die Richtung des bewegten Elementes mit der entge- genstehenden Fläche bildet, wegen der senkrechten Stellung dieser Fläche in dem hori- zontalen Gerinne beständig ein rechter bleibt, sonach Sin l = 1 ist, so ist nach §. 257 der Druck, den das Element d M gegen das vorausgehende ausübt
[Formel 1]
. Weil aber das zweite Element von diesem Drucke nicht beschleunigt wird und in seiner Bewegung selbst den Verlust c' -- c'' an seiner Geschwindigkeit erleidet, so ist auf gleiche Art der Druck, welchen dieses zweite Element für sich gegen die Fläche ausübt
[Formel 2]
, folglich der Druck von beiden
[Formel 3]
. Eben so finden
44*
Stoss des Wassers in Gerinnen.
Da diese Versuche nur durch eine gründliche Theorie gehörig beleuchtet werden konnten, so hat mein Vater zuerst in dem zweiten Bande der Abhandlungen der k. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften. Prag, 1795, eine umständliche Theorie des Was- serstosses in Schussgerinnen mit Rücksicht auf Erfahrung und An- wendung bekannt gemacht und zugleich aus Mangel genügender anderweitiger Er- fahrungen eine Reihe von Versuchen angestellt, welche die Theorie vollkommen recht- fertigen. In den nachfolgenden §. §. wird diese Theorie mit den neuern seit dem Jahre 1795 hierzu gemachten Zusätzen mitgetheilt.
§. 259.
Zur Bestimmung des Wasserstosses oder des Druckes, welchen das in Be- wegung befindliche Wasser gegen eine nicht ruhig stehende, sondern mit geringerer Geschwindigkeit vorausgehende Fläche ausübt, wollen wir uns diese Fläche im Schussgerinne senkrecht aufgestellt denken. Diese Fläche gehe mit einer Geschwindigkeit v fort, die kleiner als die Geschwindigkeit c des Wassers ist und sie passe zugleich so vollkommen in das Gerinne, dass sie dem nachfolgenden Wasser keinen Ausweg gestattet, sondern dasselbe nöthigt, seine Bewegung nur mit der Geschwin- digkeit v fortzusetzen. Da wir nicht wohl annehmen können, dass das Wasser seine Ge- schwindigkeit c plötzlich verlassen und dagegen die Geschwindigkeit v eben so schnell annehmen werde, so wollen wir bei Voraussetzung eines horizontalen Gerinnes das Was- ser bei seiner Ankunft vor der bewegten Fläche in mehrere senkrechte Schichten A a b B, B b c C, C c d D .... eintheilen, dann die Geschwindigkeit, womit das Wasser inFig. 3. Tab. 56. der kleinen Zeit d t den Raum a b beschreibt = c, endlich jene Geschwindigkeit, womit die verminderten Räume b c, c d, d e und e f beschrieben werden, mit c', c'', c''' und v bezeichnen. Setzen wir nun die Querschnittsfläche des herbeifliessenden Wassers A a = f, so ist der kubische Inhalt des im Raume A a b B enthaltenen Wassers d M = f . c . d t und wir sehen, dass dasselbe Wasser auf seinem Wege von b nach c, dann von c nach d, von d nach e die Räume c' . d t, c'' . d t, c''' . d t .... zurücklegt. Bezeichnen wir auf gleiche Art die Querschnittsfläche B b = f', die Querschnittsfläche C c = f'' .... und die letzte Fläche E e = φ, so haben wir für eine jede dieser Stellungen d M = f . c . d t = f' . c' . d t = f'' . c'' . d t ..... = φ . v . d t, weil wir annehmen, dass dasselbe Element sich nach und nach in diesen Stellungen befindet. Da nun das Element bei seinem Fortrücken von A a nach B b, die Geschwindigkeit c in die Geschwindigkeit c' verändert und da der Winkel, den die Richtung des bewegten Elementes mit der entge- genstehenden Fläche bildet, wegen der senkrechten Stellung dieser Fläche in dem hori- zontalen Gerinne beständig ein rechter bleibt, sonach Sin λ = 1 ist, so ist nach §. 257 der Druck, den das Element d M gegen das vorausgehende ausübt
[Formel 1]
. Weil aber das zweite Element von diesem Drucke nicht beschleunigt wird und in seiner Bewegung selbst den Verlust c' — c'' an seiner Geschwindigkeit erleidet, so ist auf gleiche Art der Druck, welchen dieses zweite Element für sich gegen die Fläche ausübt
[Formel 2]
, folglich der Druck von beiden
[Formel 3]
. Eben so finden
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Stoss des Wassers in Gerinnen.
Da diese Versuche nur durch eine gründliche Theorie gehörig beleuchtet werden
konnten, so hat mein Vater zuerst in dem zweiten Bande der Abhandlungen der k. böhm.
Gesellschaft der Wissenschaften. Prag, 1795, eine umständliche Theorie des Was-
serstosses in Schussgerinnen mit Rücksicht auf Erfahrung und An-
wendung bekannt gemacht und zugleich aus Mangel genügender anderweitiger Er-
fahrungen eine Reihe von Versuchen angestellt, welche die Theorie vollkommen recht-
fertigen. In den nachfolgenden §. §. wird diese Theorie mit den neuern seit dem
Jahre 1795 hierzu gemachten Zusätzen mitgetheilt.
§. 259.
Zur Bestimmung des Wasserstosses oder des Druckes, welchen das in Be-
wegung befindliche Wasser gegen eine nicht ruhig stehende, sondern mit
geringerer Geschwindigkeit vorausgehende Fläche ausübt, wollen wir
uns diese Fläche im Schussgerinne senkrecht aufgestellt denken. Diese Fläche gehe
mit einer Geschwindigkeit v fort, die kleiner als die Geschwindigkeit c des Wassers ist
und sie passe zugleich so vollkommen in das Gerinne, dass sie dem nachfolgenden Wasser
keinen Ausweg gestattet, sondern dasselbe nöthigt, seine Bewegung nur mit der Geschwin-
digkeit v fortzusetzen. Da wir nicht wohl annehmen können, dass das Wasser seine Ge-
schwindigkeit c plötzlich verlassen und dagegen die Geschwindigkeit v eben so schnell
annehmen werde, so wollen wir bei Voraussetzung eines horizontalen Gerinnes das Was-
ser bei seiner Ankunft vor der bewegten Fläche in mehrere senkrechte Schichten
A a b B, B b c C, C c d D .... eintheilen, dann die Geschwindigkeit, womit das Wasser in
der kleinen Zeit d t den Raum a b beschreibt = c, endlich jene Geschwindigkeit, womit
die verminderten Räume b c, c d, d e und e f beschrieben werden, mit c', c'', c''' und v
bezeichnen. Setzen wir nun die Querschnittsfläche des herbeifliessenden Wassers A a = f,
so ist der kubische Inhalt des im Raume A a b B enthaltenen Wassers d M = f . c . d t und
wir sehen, dass dasselbe Wasser auf seinem Wege von b nach c, dann von c nach d, von
d nach e die Räume c' . d t, c'' . d t, c''' . d t .... zurücklegt. Bezeichnen wir auf gleiche
Art die Querschnittsfläche B b = f', die Querschnittsfläche C c = f'' .... und die letzte
Fläche E e = φ, so haben wir für eine jede dieser Stellungen
d M = f . c . d t = f' . c' . d t = f'' . c'' . d t ..... = φ . v . d t, weil wir annehmen, dass dasselbe
Element sich nach und nach in diesen Stellungen befindet. Da nun das Element bei
seinem Fortrücken von A a nach B b, die Geschwindigkeit c in die Geschwindigkeit c'
verändert und da der Winkel, den die Richtung des bewegten Elementes mit der entge-
genstehenden Fläche bildet, wegen der senkrechten Stellung dieser Fläche in dem hori-
zontalen Gerinne beständig ein rechter bleibt, sonach Sin λ = 1 ist, so ist nach §. 257
der Druck, den das Element d M gegen das vorausgehende ausübt [FORMEL].
Weil aber das zweite Element von diesem Drucke nicht beschleunigt wird und in seiner
Bewegung selbst den Verlust c' — c'' an seiner Geschwindigkeit erleidet, so ist auf
gleiche Art der Druck, welchen dieses zweite Element für sich gegen die Fläche ausübt
[FORMEL], folglich der Druck von beiden [FORMEL]. Eben so finden
Fig.
3.
Tab.
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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/365>, abgerufen am 18.11.2024.
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