Wasser zum Stosse kommen soll oder 2tens: in einem freien Flusse vor sich gehen. Wir wollen nun einen jeden dieser Fälle betrachten, nach theoretischen Grundsätzen berechnen und mit den hierüber angestellten Erfahrungen vergleichen.
§. 257.
Um die Grösse des Stosses eines isolirten Wasserstrahles auf eine ru- hende Fläche zu finden, befestige man nahe an der Ausflusöffnung eines Gefässes Fig. 1. Tab. 56.eine Fläche oder Tafel, an welche der ausfliessende Wasserstrahl stossen soll. Diese Fläche sey bei A beweglich und mit einem Hebel D C unter rechtem Winkel verbunden; zugleich werde durch das Gewicht p das Gleichgewicht am unbelasteten Hebel herge- stellt. Beträgt nun die Entfernung A B vom Umdrehungspunkte bis zur Mitte der Aus- flussöffnung des Wassers eben so viel als A C, oder die Entfernung, auf welcher das Ge- wicht P, womit der Stoss gemessen wird, angebracht ist, und wird, nachdem die Oeff- nung des mit Wasser gefüllten Gefässes geöffnet worden, nach und nach bei C so viel Gewicht zugelegt, bis die Fläche B unbeweglich und senkrecht stehen bleibt, so wird auch das Gewicht P den jedesmaligen Stoss oder Druck des Wassers gegen die Fläche anzeigen. Durch solche Versuche hat man gefunden, dass der Wasserstoss oder P zweimal so gross ist als das Gewicht einer Wassersäule, welche zu ihrer Grundfläche die Fläche des zusammengezogenen Strahles f und zur Höhe die Höhe h des Wasserstandes über der Mitte der Ausflussöffnung hat, oder P = 56,4 . 2 f. h. Die Versuche, welche der Abbe Bossut und Herr Langsdorf hierüber angestellt haben, geben genau diese Resultate, jedoch wurde hierbei bemerkt, dass der Durchmesser der gestossenen Fläche wenigstens viermal so gross als der Durchmesser des ausfliessenden Wasserstrahles seyn müsse. Wenn aber die gestossene Fläche kleiner ist, so findet auch diese Formel nicht mehr Statt. Nach den Versuchen von Herrn Langsdorf ist der Stoss nur halb so gross, oder P = 56,4 f. h wenn die gestossene Fläche dem Querschnitte des Strahles vor seiner Ausbreitung gleich ist.
Der wissenschaftliche Grund der angeführten ersten Erfahrung, wo nämlich alles Wasser aus einem isolirten Strahle zum Stosse kommt, ist folgender: Bezeichnet c die Geschwindigkeit und f die zusammengezogene Fläche des ausfliessenden Wassers, so ist 56,4 . f . c . d t das Gewicht der Wassermenge, welche in der unendlich kleinen Zeit d t ausfliesst. Würde dieselbe Wassermenge durch sich selbst oder durch ihr eigenes Ge- wicht bewegt, so würde sie in der Zeit d t die Geschwindigkeit 2 g . d t erlangen; nach den allgemeinen Gesetzen der Mechanik wird nun die Kraft P, welche im Stande seyn soll, die Geschwindigkeit des Wassers ganz aufzuhalten oder dem Wasser nach der ent- gegengesetzten Richtung die Geschwindigkeit c zu ertheilen, aus folgender Proporzion bestimmt: 56,4 f . c . d t : 2 g . d t = P : c, woraus der Stoss des Wassers
[Formel 1]
folgt *). Die Uibereinstimmung dieser Theorie mit der Erfah-
*) Man pflegt gegen diesen Beweis einzuwenden, dass bei demselben auf den Weg des Wassers bei seinem Hinzuströmen gegen die unbewegliche Fläche keine Rücksicht genommen worden, welche
Stoss eines isolirten Wasserstrahles.
Wasser zum Stosse kommen soll oder 2tens: in einem freien Flusse vor sich gehen. Wir wollen nun einen jeden dieser Fälle betrachten, nach theoretischen Grundsätzen berechnen und mit den hierüber angestellten Erfahrungen vergleichen.
§. 257.
Um die Grösse des Stosses eines isolirten Wasserstrahles auf eine ru- hende Fläche zu finden, befestige man nahe an der Ausflusöffnung eines Gefässes Fig. 1. Tab. 56.eine Fläche oder Tafel, an welche der ausfliessende Wasserstrahl stossen soll. Diese Fläche sey bei A beweglich und mit einem Hebel D C unter rechtem Winkel verbunden; zugleich werde durch das Gewicht p das Gleichgewicht am unbelasteten Hebel herge- stellt. Beträgt nun die Entfernung A B vom Umdrehungspunkte bis zur Mitte der Aus- flussöffnung des Wassers eben so viel als A C, oder die Entfernung, auf welcher das Ge- wicht P, womit der Stoss gemessen wird, angebracht ist, und wird, nachdem die Oeff- nung des mit Wasser gefüllten Gefässes geöffnet worden, nach und nach bei C so viel Gewicht zugelegt, bis die Fläche B unbeweglich und senkrecht stehen bleibt, so wird auch das Gewicht P den jedesmaligen Stoss oder Druck des Wassers gegen die Fläche anzeigen. Durch solche Versuche hat man gefunden, dass der Wasserstoss oder P zweimal so gross ist als das Gewicht einer Wassersäule, welche zu ihrer Grundfläche die Fläche des zusammengezogenen Strahles f und zur Höhe die Höhe h des Wasserstandes über der Mitte der Ausflussöffnung hat, oder P = 56,4 . 2 f. h. Die Versuche, welche der Abbé Bossut und Herr Langsdorf hierüber angestellt haben, geben genau diese Resultate, jedoch wurde hierbei bemerkt, dass der Durchmesser der gestossenen Fläche wenigstens viermal so gross als der Durchmesser des ausfliessenden Wasserstrahles seyn müsse. Wenn aber die gestossene Fläche kleiner ist, so findet auch diese Formel nicht mehr Statt. Nach den Versuchen von Herrn Langsdorf ist der Stoss nur halb so gross, oder P = 56,4 f. h wenn die gestossene Fläche dem Querschnitte des Strahles vor seiner Ausbreitung gleich ist.
Der wissenschaftliche Grund der angeführten ersten Erfahrung, wo nämlich alles Wasser aus einem isolirten Strahle zum Stosse kommt, ist folgender: Bezeichnet c die Geschwindigkeit und f die zusammengezogene Fläche des ausfliessenden Wassers, so ist 56,4 . f . c . d t das Gewicht der Wassermenge, welche in der unendlich kleinen Zeit d t ausfliesst. Würde dieselbe Wassermenge durch sich selbst oder durch ihr eigenes Ge- wicht bewegt, so würde sie in der Zeit d t die Geschwindigkeit 2 g . d t erlangen; nach den allgemeinen Gesetzen der Mechanik wird nun die Kraft P, welche im Stande seyn soll, die Geschwindigkeit des Wassers ganz aufzuhalten oder dem Wasser nach der ent- gegengesetzten Richtung die Geschwindigkeit c zu ertheilen, aus folgender Proporzion bestimmt: 56,4 f . c . d t : 2 g . d t = P : c, woraus der Stoss des Wassers
[Formel 1]
folgt *). Die Uibereinstimmung dieser Theorie mit der Erfah-
*) Man pflegt gegen diesen Beweis einzuwenden, dass bei demselben auf den Weg des Wassers bei seinem Hinzuströmen gegen die unbewegliche Fläche keine Rücksicht genommen worden, welche
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Stoss eines isolirten Wasserstrahles.
Wasser zum Stosse kommen soll oder 2tens: in einem freien Flusse vor sich gehen.
Wir wollen nun einen jeden dieser Fälle betrachten, nach theoretischen Grundsätzen
berechnen und mit den hierüber angestellten Erfahrungen vergleichen.
§. 257.
Um die Grösse des Stosses eines isolirten Wasserstrahles auf eine ru-
hende Fläche zu finden, befestige man nahe an der Ausflusöffnung eines Gefässes
eine Fläche oder Tafel, an welche der ausfliessende Wasserstrahl stossen soll. Diese
Fläche sey bei A beweglich und mit einem Hebel D C unter rechtem Winkel verbunden;
zugleich werde durch das Gewicht p das Gleichgewicht am unbelasteten Hebel herge-
stellt. Beträgt nun die Entfernung A B vom Umdrehungspunkte bis zur Mitte der Aus-
flussöffnung des Wassers eben so viel als A C, oder die Entfernung, auf welcher das Ge-
wicht P, womit der Stoss gemessen wird, angebracht ist, und wird, nachdem die Oeff-
nung des mit Wasser gefüllten Gefässes geöffnet worden, nach und nach bei C so viel
Gewicht zugelegt, bis die Fläche B unbeweglich und senkrecht stehen bleibt, so wird
auch das Gewicht P den jedesmaligen Stoss oder Druck des Wassers gegen die Fläche
anzeigen. Durch solche Versuche hat man gefunden, dass der Wasserstoss oder
P zweimal so gross ist als das Gewicht einer Wassersäule, welche
zu ihrer Grundfläche die Fläche des zusammengezogenen Strahles
f und zur Höhe die Höhe h des Wasserstandes über der Mitte der
Ausflussöffnung hat, oder P = 56,4 . 2 f. h. Die Versuche, welche der Abbé
Bossut und Herr Langsdorf hierüber angestellt haben, geben genau diese Resultate, jedoch
wurde hierbei bemerkt, dass der Durchmesser der gestossenen Fläche wenigstens viermal
so gross als der Durchmesser des ausfliessenden Wasserstrahles seyn müsse. Wenn aber
die gestossene Fläche kleiner ist, so findet auch diese Formel nicht mehr Statt. Nach
den Versuchen von Herrn Langsdorf ist der Stoss nur halb so gross, oder P = 56,4 f. h
wenn die gestossene Fläche dem Querschnitte des Strahles vor seiner Ausbreitung
gleich ist.
Fig.
1.
Tab.
56.
Der wissenschaftliche Grund der angeführten ersten Erfahrung, wo nämlich alles
Wasser aus einem isolirten Strahle zum Stosse kommt, ist folgender: Bezeichnet c die
Geschwindigkeit und f die zusammengezogene Fläche des ausfliessenden Wassers, so ist
56,4 . f . c . d t das Gewicht der Wassermenge, welche in der unendlich kleinen Zeit d t
ausfliesst. Würde dieselbe Wassermenge durch sich selbst oder durch ihr eigenes Ge-
wicht bewegt, so würde sie in der Zeit d t die Geschwindigkeit 2 g . d t erlangen; nach
den allgemeinen Gesetzen der Mechanik wird nun die Kraft P, welche im Stande seyn
soll, die Geschwindigkeit des Wassers ganz aufzuhalten oder dem Wasser nach der ent-
gegengesetzten Richtung die Geschwindigkeit c zu ertheilen, aus folgender Proporzion
bestimmt: 56,4 f . c . d t : 2 g . d t = P : c, woraus der Stoss des Wassers
[FORMEL] folgt *). Die Uibereinstimmung dieser Theorie mit der Erfah-
*) Man pflegt gegen diesen Beweis einzuwenden, dass bei demselben auf den Weg des Wassers bei
seinem Hinzuströmen gegen die unbewegliche Fläche keine Rücksicht genommen worden, welche
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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/362>, abgerufen am 18.11.2024.
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