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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

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Mühlkanäle an Flussarmen.

5tens. Uiberhaupt ist es für die Ausübung zweckmässig, durch vorläufige Ver-
suche zu bestimmen, bei welcher Geschwindigkeit des Wassers das vorhandene Erd-
reich angegriffen werde. Die Geschwindigkeit des Wassers darf in keinem Falle
grösser genommen werden, als jene, wobei das Erdreich noch liegen bleibt, denn
würde man dem Kanale willkührlich ein grösseres Gefälle geben, so könnte es leicht
geschehen, dass die Ufer angegriffen und der Kanal durchgerissen würde. Hier bleibt
dann nichts übrig, als einen solchen Kanal höher oder niedriger an der Berglehne
zu führen und mit dem angemessenen Gefälle neu auszuheben. Die erste Kanalgra-
bungsarbeit ist daher ganz verloren.

Hieraus werden die Umstände hinreichend zu ermessen seyn, welche bei der
Anlage solcher Kanäle zu berücksichtigen sind.

§. 220.

Die Mühlkanäle, in welchen das Wasser aus grösseren Flüssen zu
den Mühlen geleitet wird, sind gewöhnlich sehr kurz und bedürfen desshalb keiner
Berechnung ihres nothwendigen Gefälles. Inzwischen gibt es doch Fälle, wo die
Mühlen z. B. am Ende eines Flussarmes zwischen einer Insel und dem festen Lande
angelegt werden, folglich der Mühlkanal eine bedeutendere Länge erhält. Hier fragt
es sich nun, wie hoch der Fluss am Ende des Armes geschwellt, oder auf welche
Höhe die Grundschwelle eingelegt werden könne. Weil hier sowohl die Tiefe des
Wassers bei dem Einflusse, als auch die Breite desselben gegeben ist, so wird die
Querschnittsfläche und auch eine Geschwindigkeit des Wassers angenommen und das
hierzu nöthige Gefälle berechnet. Dieses geht itzt dem natürlichen Gefälle des Fluss-
armes und folglich der Mühle ab. Da man hier bei der Annahme einer kleinern Ge-
schwindigkeit zwar mehr Gefälle zur Betreibung der Mühle übrig behält, allein dagegen
die zufliessende Wassermenge geringer wird, so ist aus der Vergleichung dieser Umstände
zu ermessen, welche Geschwindigkeit man annehmen könne, und welches Gefälle dem-
nach für die Anlage der Mühle übrig bleibt. Hieraus ist sodann der Effekt der Mühle
und die Frage, in welchem Grade sie dem Zwecke entsprechen werde, zu beurtheilen.

Gewöhnlich pflegt man die kleinen Flussarme, welche zwischen einer Insel
und dem festen Lande fortlaufen, vorzüglich, wenn sie hinlängliche Tiefe und ein bedeu-
tendes Gefälle besitzen, zur Betreibung von Mühlwerken zu verwenden. Es
sey in diesem Falle die ganze Länge des Flussarmes, an dessen Ende die Mühle angelegt
werden soll A B = l, und das ganze Gefälle des Wassers auf diese Länge oder B C = h.Fig.
7.
Tab.
54.

Die Oberfläche des Hauptschwellers des Mühlgerinnes wird gewöhnlich in die Oberfläche
C des abfliessenden Wassers gelegt und durch diesen Einbau C E das Wasser über dem
Mühlschweller bis N erhoben, von wo es mit dem Gefälle N C gegen das Rad fliesst.

Es ist offenbar, dass wenn die Oberfläche A N des Wassers mit A B zusammenfiele
oder horizontal wäre, das Wasser im Mühlkanale stehen, folglich kein Zufluss zu der
Mühle Statt finden würde. Demnach muss B N = y einen bestimmten Werth erhalten,
welcher das zur Bewegung des Wassers von A bis B erforderliche Gefälle [Formel 1] ausdrückt und
es bleibt für das Wasserrad bloss das wirksame Gefälle N C = h -- y übrig. Es fragt

Gerstner's Mechanik. Band II. 38
Mühlkanäle an Flussarmen.

5tens. Uiberhaupt ist es für die Ausübung zweckmässig, durch vorläufige Ver-
suche zu bestimmen, bei welcher Geschwindigkeit des Wassers das vorhandene Erd-
reich angegriffen werde. Die Geschwindigkeit des Wassers darf in keinem Falle
grösser genommen werden, als jene, wobei das Erdreich noch liegen bleibt, denn
würde man dem Kanale willkührlich ein grösseres Gefälle geben, so könnte es leicht
geschehen, dass die Ufer angegriffen und der Kanal durchgerissen würde. Hier bleibt
dann nichts übrig, als einen solchen Kanal höher oder niedriger an der Berglehne
zu führen und mit dem angemessenen Gefälle neu auszuheben. Die erste Kanalgra-
bungsarbeit ist daher ganz verloren.

Hieraus werden die Umstände hinreichend zu ermessen seyn, welche bei der
Anlage solcher Kanäle zu berücksichtigen sind.

§. 220.

Die Mühlkanäle, in welchen das Wasser aus grösseren Flüssen zu
den Mühlen geleitet wird, sind gewöhnlich sehr kurz und bedürfen desshalb keiner
Berechnung ihres nothwendigen Gefälles. Inzwischen gibt es doch Fälle, wo die
Mühlen z. B. am Ende eines Flussarmes zwischen einer Insel und dem festen Lande
angelegt werden, folglich der Mühlkanal eine bedeutendere Länge erhält. Hier fragt
es sich nun, wie hoch der Fluss am Ende des Armes geschwellt, oder auf welche
Höhe die Grundschwelle eingelegt werden könne. Weil hier sowohl die Tiefe des
Wassers bei dem Einflusse, als auch die Breite desselben gegeben ist, so wird die
Querschnittsfläche und auch eine Geschwindigkeit des Wassers angenommen und das
hierzu nöthige Gefälle berechnet. Dieses geht itzt dem natürlichen Gefälle des Fluss-
armes und folglich der Mühle ab. Da man hier bei der Annahme einer kleinern Ge-
schwindigkeit zwar mehr Gefälle zur Betreibung der Mühle übrig behält, allein dagegen
die zufliessende Wassermenge geringer wird, so ist aus der Vergleichung dieser Umstände
zu ermessen, welche Geschwindigkeit man annehmen könne, und welches Gefälle dem-
nach für die Anlage der Mühle übrig bleibt. Hieraus ist sodann der Effekt der Mühle
und die Frage, in welchem Grade sie dem Zwecke entsprechen werde, zu beurtheilen.

Gewöhnlich pflegt man die kleinen Flussarme, welche zwischen einer Insel
und dem festen Lande fortlaufen, vorzüglich, wenn sie hinlängliche Tiefe und ein bedeu-
tendes Gefälle besitzen, zur Betreibung von Mühlwerken zu verwenden. Es
sey in diesem Falle die ganze Länge des Flussarmes, an dessen Ende die Mühle angelegt
werden soll A B = l, und das ganze Gefälle des Wassers auf diese Länge oder B C = h.Fig.
7.
Tab.
54.

Die Oberfläche des Hauptschwellers des Mühlgerinnes wird gewöhnlich in die Oberfläche
C des abfliessenden Wassers gelegt und durch diesen Einbau C E das Wasser über dem
Mühlschweller bis N erhoben, von wo es mit dem Gefälle N C gegen das Rad fliesst.

Es ist offenbar, dass wenn die Oberfläche A N des Wassers mit A B zusammenfiele
oder horizontal wäre, das Wasser im Mühlkanale stehen, folglich kein Zufluss zu der
Mühle Statt finden würde. Demnach muss B N = y einen bestimmten Werth erhalten,
welcher das zur Bewegung des Wassers von A bis B erforderliche Gefälle [Formel 1] ausdrückt und
es bleibt für das Wasserrad bloss das wirksame Gefälle N C = h — y übrig. Es fragt

Gerstner’s Mechanik. Band II. 38
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[297/0315] Mühlkanäle an Flussarmen. 5tens. Uiberhaupt ist es für die Ausübung zweckmässig, durch vorläufige Ver- suche zu bestimmen, bei welcher Geschwindigkeit des Wassers das vorhandene Erd- reich angegriffen werde. Die Geschwindigkeit des Wassers darf in keinem Falle grösser genommen werden, als jene, wobei das Erdreich noch liegen bleibt, denn würde man dem Kanale willkührlich ein grösseres Gefälle geben, so könnte es leicht geschehen, dass die Ufer angegriffen und der Kanal durchgerissen würde. Hier bleibt dann nichts übrig, als einen solchen Kanal höher oder niedriger an der Berglehne zu führen und mit dem angemessenen Gefälle neu auszuheben. Die erste Kanalgra- bungsarbeit ist daher ganz verloren. Hieraus werden die Umstände hinreichend zu ermessen seyn, welche bei der Anlage solcher Kanäle zu berücksichtigen sind. §. 220. Die Mühlkanäle, in welchen das Wasser aus grösseren Flüssen zu den Mühlen geleitet wird, sind gewöhnlich sehr kurz und bedürfen desshalb keiner Berechnung ihres nothwendigen Gefälles. Inzwischen gibt es doch Fälle, wo die Mühlen z. B. am Ende eines Flussarmes zwischen einer Insel und dem festen Lande angelegt werden, folglich der Mühlkanal eine bedeutendere Länge erhält. Hier fragt es sich nun, wie hoch der Fluss am Ende des Armes geschwellt, oder auf welche Höhe die Grundschwelle eingelegt werden könne. Weil hier sowohl die Tiefe des Wassers bei dem Einflusse, als auch die Breite desselben gegeben ist, so wird die Querschnittsfläche und auch eine Geschwindigkeit des Wassers angenommen und das hierzu nöthige Gefälle berechnet. Dieses geht itzt dem natürlichen Gefälle des Fluss- armes und folglich der Mühle ab. Da man hier bei der Annahme einer kleinern Ge- schwindigkeit zwar mehr Gefälle zur Betreibung der Mühle übrig behält, allein dagegen die zufliessende Wassermenge geringer wird, so ist aus der Vergleichung dieser Umstände zu ermessen, welche Geschwindigkeit man annehmen könne, und welches Gefälle dem- nach für die Anlage der Mühle übrig bleibt. Hieraus ist sodann der Effekt der Mühle und die Frage, in welchem Grade sie dem Zwecke entsprechen werde, zu beurtheilen. Gewöhnlich pflegt man die kleinen Flussarme, welche zwischen einer Insel und dem festen Lande fortlaufen, vorzüglich, wenn sie hinlängliche Tiefe und ein bedeu- tendes Gefälle besitzen, zur Betreibung von Mühlwerken zu verwenden. Es sey in diesem Falle die ganze Länge des Flussarmes, an dessen Ende die Mühle angelegt werden soll A B = l, und das ganze Gefälle des Wassers auf diese Länge oder B C = h. Die Oberfläche des Hauptschwellers des Mühlgerinnes wird gewöhnlich in die Oberfläche C des abfliessenden Wassers gelegt und durch diesen Einbau C E das Wasser über dem Mühlschweller bis N erhoben, von wo es mit dem Gefälle N C gegen das Rad fliesst. Fig. 7. Tab. 54. Es ist offenbar, dass wenn die Oberfläche A N des Wassers mit A B zusammenfiele oder horizontal wäre, das Wasser im Mühlkanale stehen, folglich kein Zufluss zu der Mühle Statt finden würde. Demnach muss B N = y einen bestimmten Werth erhalten, welcher das zur Bewegung des Wassers von A bis B erforderliche Gefälle [FORMEL] ausdrückt und es bleibt für das Wasserrad bloss das wirksame Gefälle N C = h — y übrig. Es fragt Gerstner’s Mechanik. Band II. 38

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/315>, abgerufen am 18.11.2024.