Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Vortheile doppelter Räder.
Fig.
10, 11
u. 12.
Tab.
30.
dopplung der Räder der Friktionswiderstand bedeutend vermindert. Nennen wir nämlich
den Halbmesser des obern Rades A und den Halbmesser seiner Achse a; den Halbmesser
des untern Rades B und den Halbmesser der Nabe, worauf das obere Rad läuft b, die Last
= Q, und den Reibungskoeffizienten = m, so ist [Formel 1] die Grösse der Kraft, welche
man an der Peripherie des obern Rades anwenden müsste, um z. B. dieses Rad, wor-
auf die Ladung hängt, mit der Hand zu drehen. Allein das obere Rad läuft auf der Na-
be des untern Rades und wird an seiner Peripherie eben so fortgetrieben, als ob es Zähne
hätte, welche von den Triebstöcken der Nabe mit der gleichen Kraft und Geschwindigkeit
umgedreht werden. Nennen wir diese Kraft, nämlich [Formel 2] = ' und die Kraft an der
Peripherie der untern Räder = , so erhalten wir aus der Gleichung . B = ' . b die zur
Fortschaffung der Last Q nöthige Kraft [Formel 3] . Es ist daher der gewöhn-
liche Reibungswiderstand [Formel 4] noch mit dem Verhältniss der Hebelsarme des Friktions-
rades multiplizirt, und daher ist die Reibung in derselben Proportion verringert.

Beispiel. Es sey der Reibungskoeffizient m = [Formel 5] , der Durchmesser der Nabe des
untern Rades 2 b = 5 Zoll und der Durchmesser des untern Rades 2 B = 30 Zoll, der Durch-
messer der obern Achse 2 a = 21/2 Zoll und der Durchmesser des obern Rades 2 A = 30
Zoll, so ist der Reibungswiderstand auf die Peripherie des untern Rades reduzirt
= [Formel 6] und die nöthige Zugkraft, welche ohne Friktionsräder
= [Formel 7] seyn würde, beträgt nur [Formel 8] . Wir sehen also, dass
ein Pferd itzt eine viel grössere Last zu ziehen im Stande ist, als es bei einem Wagen mit
einfachen Rädern statt findet; da nun diese Verhältnisse sich noch vortheilhafter anneh-
men lassen, so folgt, dass ein Pferd auf einer horizontalen Eisenbahn eine Last von 500
bis 800 und noch mehr Zentner fortzubringen im Stande ist. Wägen mit doppelten über
einander liegenden Rädern sind daher, wenn sie mit der gehörigen Genauigkeit
ausgefertigt werden, auf horizontalen Bahnen sehr vortheilhaft, auf geneigten Bahnen wird
aber dieser Vortheil geringer, da man das grössere Gewicht dieser Räder über die schie-
fe Fläche fortschaffen muss.

§. 585.

Die vorstehende Berechnung gilt eigentlich nur für den Fall, wenn die horizontale
Bahn in einer geraden Linie angelegt ist. Man hat es inzwischen zur grössern Solidität
der Bahnwägen in England nach den §. 560 angegebenen Einrichtungen für zweckmässig
erachtet, immer zwei Räder auf einer gemeinschaftlichen Achse zu befe-
stigen
, so dass die Räder gemeinschaftlich mit der Achse herumgehen. Diese Konstruk-
zion hat für gerade Bahnlinien unstreitige Vortheile; allein in gekrümmten Bahnen
entsteht nun ein Widerstand
, dessen Grösse sich auf folgende Art berechnen lässt:
Fig.
13.
Es sey E F das äussere und C D das innere Bahngeleise, so dass die Länge des
Weges in der Mitte der Bahn, welcher eigentlich von dem Wagen zurückgelegt werden

Vortheile doppelter Räder.
Fig.
10, 11
u. 12.
Tab.
30.
dopplung der Räder der Friktionswiderstand bedeutend vermindert. Nennen wir nämlich
den Halbmesser des obern Rades A und den Halbmesser seiner Achse a; den Halbmesser
des untern Rades B und den Halbmesser der Nabe, worauf das obere Rad läuft b, die Last
= Q, und den Reibungskoeffizienten = m, so ist [Formel 1] die Grösse der Kraft, welche
man an der Peripherie des obern Rades anwenden müsste, um z. B. dieses Rad, wor-
auf die Ladung hängt, mit der Hand zu drehen. Allein das obere Rad läuft auf der Na-
be des untern Rades und wird an seiner Peripherie eben so fortgetrieben, als ob es Zähne
hätte, welche von den Triebstöcken der Nabe mit der gleichen Kraft und Geschwindigkeit
umgedreht werden. Nennen wir diese Kraft, nämlich [Formel 2] = 𝔎' und die Kraft an der
Peripherie der untern Räder = 𝔎, so erhalten wir aus der Gleichung 𝔎 . B = 𝔎' . b die zur
Fortschaffung der Last Q nöthige Kraft [Formel 3] . Es ist daher der gewöhn-
liche Reibungswiderstand [Formel 4] noch mit dem Verhältniss der Hebelsarme des Friktions-
rades multiplizirt, und daher ist die Reibung in derselben Proportion verringert.

Beispiel. Es sey der Reibungskoeffizient m = [Formel 5] , der Durchmesser der Nabe des
untern Rades 2 b = 5 Zoll und der Durchmesser des untern Rades 2 B = 30 Zoll, der Durch-
messer der obern Achse 2 a = 2½ Zoll und der Durchmesser des obern Rades 2 A = 30
Zoll, so ist der Reibungswiderstand auf die Peripherie des untern Rades reduzirt
= [Formel 6] und die nöthige Zugkraft, welche ohne Friktionsräder
= [Formel 7] seyn würde, beträgt nur [Formel 8] . Wir sehen also, dass
ein Pferd itzt eine viel grössere Last zu ziehen im Stande ist, als es bei einem Wagen mit
einfachen Rädern statt findet; da nun diese Verhältnisse sich noch vortheilhafter anneh-
men lassen, so folgt, dass ein Pferd auf einer horizontalen Eisenbahn eine Last von 500
bis 800 und noch mehr Zentner fortzubringen im Stande ist. Wägen mit doppelten über
einander liegenden Rädern sind daher, wenn sie mit der gehörigen Genauigkeit
ausgefertigt werden, auf horizontalen Bahnen sehr vortheilhaft, auf geneigten Bahnen wird
aber dieser Vortheil geringer, da man das grössere Gewicht dieser Räder über die schie-
fe Fläche fortschaffen muss.

§. 585.

Die vorstehende Berechnung gilt eigentlich nur für den Fall, wenn die horizontale
Bahn in einer geraden Linie angelegt ist. Man hat es inzwischen zur grössern Solidität
der Bahnwägen in England nach den §. 560 angegebenen Einrichtungen für zweckmässig
erachtet, immer zwei Räder auf einer gemeinschaftlichen Achse zu befe-
stigen
, so dass die Räder gemeinschaftlich mit der Achse herumgehen. Diese Konstruk-
zion hat für gerade Bahnlinien unstreitige Vortheile; allein in gekrümmten Bahnen
entsteht nun ein Widerstand
, dessen Grösse sich auf folgende Art berechnen lässt:
Fig.
13.
Es sey E F das äussere und C D das innere Bahngeleise, so dass die Länge des
Weges in der Mitte der Bahn, welcher eigentlich von dem Wagen zurückgelegt werden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0678" n="646"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Vortheile doppelter Räder.</hi></fw><lb/><note place="left">Fig.<lb/>
10, 11<lb/>
u. 12.<lb/>
Tab.<lb/>
30.</note>dopplung der Räder der Friktionswiderstand bedeutend vermindert. Nennen wir nämlich<lb/>
den Halbmesser des obern Rades A und den Halbmesser seiner Achse a; den Halbmesser<lb/>
des untern Rades B und den Halbmesser der Nabe, worauf das obere Rad läuft b, die Last<lb/>
= Q, und den Reibungskoeffizienten = m, so ist <formula/> die Grösse der Kraft, welche<lb/>
man an der Peripherie des obern Rades anwenden müsste, um z. B. dieses Rad, wor-<lb/>
auf die Ladung hängt, mit der Hand zu drehen. Allein das obere Rad läuft auf der Na-<lb/>
be des untern Rades und wird an seiner Peripherie eben so fortgetrieben, als ob es Zähne<lb/>
hätte, welche von den Triebstöcken der Nabe mit der gleichen Kraft und Geschwindigkeit<lb/>
umgedreht werden. Nennen wir diese Kraft, nämlich <formula/> = &#x1D50E;' und die Kraft an der<lb/>
Peripherie der untern Räder = &#x1D50E;, so erhalten wir aus der Gleichung &#x1D50E; . B = &#x1D50E;' . b die zur<lb/>
Fortschaffung der Last Q nöthige Kraft <formula/>. Es ist daher der gewöhn-<lb/>
liche Reibungswiderstand <formula/> noch mit dem Verhältniss der Hebelsarme des Friktions-<lb/>
rades multiplizirt, und daher ist die Reibung in derselben Proportion verringert.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Beispiel</hi>. Es sey der Reibungskoeffizient m = <formula/>, der Durchmesser der Nabe des<lb/>
untern Rades 2 b = 5 Zoll und der Durchmesser des untern Rades 2 B = 30 Zoll, der Durch-<lb/>
messer der obern Achse 2 a = 2½ Zoll und der Durchmesser des obern Rades 2 A = 30<lb/>
Zoll, so ist der Reibungswiderstand auf die Peripherie des untern Rades reduzirt<lb/>
= <formula/> und die nöthige Zugkraft, welche ohne Friktionsräder<lb/>
= <formula/> seyn würde, beträgt nur <formula/>. Wir sehen also, dass<lb/>
ein Pferd itzt eine viel grössere Last zu ziehen im Stande ist, als es bei einem Wagen mit<lb/>
einfachen Rädern statt findet; da nun diese Verhältnisse sich noch vortheilhafter anneh-<lb/>
men lassen, so folgt, dass ein Pferd auf einer horizontalen Eisenbahn eine Last von 500<lb/>
bis 800 und noch mehr Zentner fortzubringen im Stande ist. Wägen mit doppelten über<lb/>
einander liegenden Rädern sind daher, wenn sie mit <hi rendition="#g">der gehörigen Genauigkeit</hi><lb/>
ausgefertigt werden, auf horizontalen Bahnen sehr vortheilhaft, auf geneigten Bahnen wird<lb/>
aber dieser Vortheil geringer, da man das grössere Gewicht dieser Räder über die schie-<lb/>
fe Fläche fortschaffen muss.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 585.</head><lb/>
            <p>Die vorstehende Berechnung gilt eigentlich nur für den Fall, wenn die horizontale<lb/>
Bahn in einer geraden Linie angelegt ist. Man hat es inzwischen zur grössern Solidität<lb/>
der Bahnwägen in England nach den §. 560 angegebenen Einrichtungen für zweckmässig<lb/>
erachtet, immer <hi rendition="#g">zwei Räder auf einer gemeinschaftlichen Achse zu befe-<lb/>
stigen</hi>, so dass die Räder gemeinschaftlich mit der Achse herumgehen. Diese Konstruk-<lb/>
zion hat für gerade Bahnlinien unstreitige Vortheile; allein <hi rendition="#g">in gekrümmten Bahnen<lb/>
entsteht nun ein Widerstand</hi>, dessen Grösse sich auf folgende Art berechnen lässt:<lb/><note place="left">Fig.<lb/>
13.</note>Es sey E F das äussere und C D das innere Bahngeleise, so dass die Länge des<lb/>
Weges in der Mitte der Bahn, welcher eigentlich von dem Wagen zurückgelegt werden<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[646/0678] Vortheile doppelter Räder. dopplung der Räder der Friktionswiderstand bedeutend vermindert. Nennen wir nämlich den Halbmesser des obern Rades A und den Halbmesser seiner Achse a; den Halbmesser des untern Rades B und den Halbmesser der Nabe, worauf das obere Rad läuft b, die Last = Q, und den Reibungskoeffizienten = m, so ist [FORMEL] die Grösse der Kraft, welche man an der Peripherie des obern Rades anwenden müsste, um z. B. dieses Rad, wor- auf die Ladung hängt, mit der Hand zu drehen. Allein das obere Rad läuft auf der Na- be des untern Rades und wird an seiner Peripherie eben so fortgetrieben, als ob es Zähne hätte, welche von den Triebstöcken der Nabe mit der gleichen Kraft und Geschwindigkeit umgedreht werden. Nennen wir diese Kraft, nämlich [FORMEL] = 𝔎' und die Kraft an der Peripherie der untern Räder = 𝔎, so erhalten wir aus der Gleichung 𝔎 . B = 𝔎' . b die zur Fortschaffung der Last Q nöthige Kraft [FORMEL]. Es ist daher der gewöhn- liche Reibungswiderstand [FORMEL] noch mit dem Verhältniss der Hebelsarme des Friktions- rades multiplizirt, und daher ist die Reibung in derselben Proportion verringert. Fig. 10, 11 u. 12. Tab. 30. Beispiel. Es sey der Reibungskoeffizient m = [FORMEL], der Durchmesser der Nabe des untern Rades 2 b = 5 Zoll und der Durchmesser des untern Rades 2 B = 30 Zoll, der Durch- messer der obern Achse 2 a = 2½ Zoll und der Durchmesser des obern Rades 2 A = 30 Zoll, so ist der Reibungswiderstand auf die Peripherie des untern Rades reduzirt = [FORMEL] und die nöthige Zugkraft, welche ohne Friktionsräder = [FORMEL] seyn würde, beträgt nur [FORMEL]. Wir sehen also, dass ein Pferd itzt eine viel grössere Last zu ziehen im Stande ist, als es bei einem Wagen mit einfachen Rädern statt findet; da nun diese Verhältnisse sich noch vortheilhafter anneh- men lassen, so folgt, dass ein Pferd auf einer horizontalen Eisenbahn eine Last von 500 bis 800 und noch mehr Zentner fortzubringen im Stande ist. Wägen mit doppelten über einander liegenden Rädern sind daher, wenn sie mit der gehörigen Genauigkeit ausgefertigt werden, auf horizontalen Bahnen sehr vortheilhaft, auf geneigten Bahnen wird aber dieser Vortheil geringer, da man das grössere Gewicht dieser Räder über die schie- fe Fläche fortschaffen muss. §. 585. Die vorstehende Berechnung gilt eigentlich nur für den Fall, wenn die horizontale Bahn in einer geraden Linie angelegt ist. Man hat es inzwischen zur grössern Solidität der Bahnwägen in England nach den §. 560 angegebenen Einrichtungen für zweckmässig erachtet, immer zwei Räder auf einer gemeinschaftlichen Achse zu befe- stigen, so dass die Räder gemeinschaftlich mit der Achse herumgehen. Diese Konstruk- zion hat für gerade Bahnlinien unstreitige Vortheile; allein in gekrümmten Bahnen entsteht nun ein Widerstand, dessen Grösse sich auf folgende Art berechnen lässt: Es sey E F das äussere und C D das innere Bahngeleise, so dass die Länge des Weges in der Mitte der Bahn, welcher eigentlich von dem Wagen zurückgelegt werden Fig. 13.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/678
Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/678>, abgerufen am 18.12.2024.