Die Fahrbahn auf der Menai-Brücke ist aber nicht horizontal, sondern in der Mitte höher gelegt als an den Stützpfeilern. Da das Gesetz, nach welchem diese Erhöhung ge- gen die Mitte zu gemacht wurde, nicht angegeben ist, so hat man für die Convexität der Fahrbahn die parabolische Form und ihre grösste Erhöhung in der Mitte 2 Fuss ange- nommen, und hiernach von der Mitte der Brücke gegen die Stützpfeiler hin zu jeder be- rechneten Länge x der Hängestangen noch die Grösse, um welche die Fahrbahn unter dem Niveau des Scheitels liegt, hinzugesetzt. Weil nun für die Weite 290 Fuss die Sen- kung der Bahn 2 Fuss beträgt, so wird für jede andere Weite y die Senkung der Bahn nach dem Gesetze der Parabel die Grösse u =
[Formel 1]
betragen. Nach dieser Gleichung wurden die zugehörigen Verlängerungen der Höhen x berechnet und in der VIten Co- lumne eingetragen. Die VIIte Columne enthält die Summe der Zahlen aus beiden letztern Columnen, und also die Länge der Tragstangen von der untersten Kette bis an die durch den Scheitel der Kettenlinie gezogene Parabel. In der letzten Columne der Tabelle sind endlich die Werthe für dieselben Längen beigesetzt, wie sie Herr Telford durch Ver- suche an einem Modelle fand, welches um diese Rechnungen zu vermeiden, in einem Maasstabe von 1/4tel der wirklichen Grösse erbaut wurde. Die Vergleichung der Zahlen in den beiden letzten Columnen zeigt genügend die grosse Uibereinstimmung unserer Rechnung mit den Erfahrungen des Herrn Telford. Da die Abweichungen höchstens nur einige Zolle, folglich im Modell nur 1/4 hievon betragen, so können diese theils in der willkührlichen Form der Fahrbahn und ihrer Verschiedenheit von der hier angenomme- nen Parabel, theils auch in Messungsfehlern, welche bei der Vergleichung eines Modelles mit der wirklichen Grösse nicht wohl zu vermeiden sind, ihren Grund haben. Da übri- gens die Tragstangen oben an den vier übereinander gehängten Ketten und unten an den Tragschwellen unter der Brückenbahn endigen, so versteht sich von selbst, dass man bei der Bemessung der ganzen Länge der Hängestäbe zu den in der folgenden Tabelle ange- gebenen Maassen noch die Höhe vom Scheitel der untersten Kette bis zu dem Orte der Befestigung an den Tragschwellen, nämlich die Höhe des Geländers, die Dicke der Fahr- bahn und den Betrag, wie viel die Hängestäbe hinsichtlich der Befestigung noch unter- halb hervorstehen müssen, wie auch die zugehörige Entfernung der Tragketten unter einander hinzuzusetzen habe.
§. 428.
Wir kommen nun zur Bestimmung der nöthigen Stärke und des Gewich- tes der Ketten. Zu dieser Absicht haben die englischen Baumeister sehr viele Ver- suche über die Festigkeit verschiedener Eisengattungen angestellt, welche bereits im III. Kapitel angeführt worden sind. Da jedoch hieraus noch keine bestimmte Regel für die nöthige Stärke der Ketten abgeleitet werden konnte, so wollen wir hierüber vor- läufig nur dasjenige anführen, was bei den zwei grössten englischen Kettenbrücken für zweckmässig anzunehmen befunden wurde.
Bei der Menai-Brücke haben wir bereits oben die horizontale Zugkraft H = (G. F + g. f) r = 21705 Zentner gefunden. Der Querschnitt aller Ketten beträgt 260 Quad. Zoll; daraus folgt, dass ein Quad. Zoll nur eine Spannkraft von 83,5 Zentner zu
Anwendung auf die Menai Brücke.
§. 427.
Die Fahrbahn auf der Menai-Brücke ist aber nicht horizontal, sondern in der Mitte höher gelegt als an den Stützpfeilern. Da das Gesetz, nach welchem diese Erhöhung ge- gen die Mitte zu gemacht wurde, nicht angegeben ist, so hat man für die Convexität der Fahrbahn die parabolische Form und ihre grösste Erhöhung in der Mitte 2 Fuss ange- nommen, und hiernach von der Mitte der Brücke gegen die Stützpfeiler hin zu jeder be- rechneten Länge x der Hängestangen noch die Grösse, um welche die Fahrbahn unter dem Niveau des Scheitels liegt, hinzugesetzt. Weil nun für die Weite 290 Fuss die Sen- kung der Bahn 2 Fuss beträgt, so wird für jede andere Weite y die Senkung der Bahn nach dem Gesetze der Parabel die Grösse u =
[Formel 1]
betragen. Nach dieser Gleichung wurden die zugehörigen Verlängerungen der Höhen x berechnet und in der VIten Co- lumne eingetragen. Die VIIte Columne enthält die Summe der Zahlen aus beiden letztern Columnen, und also die Länge der Tragstangen von der untersten Kette bis an die durch den Scheitel der Kettenlinie gezogene Parabel. In der letzten Columne der Tabelle sind endlich die Werthe für dieselben Längen beigesetzt, wie sie Herr Telford durch Ver- suche an einem Modelle fand, welches um diese Rechnungen zu vermeiden, in einem Maasstabe von ¼tel der wirklichen Grösse erbaut wurde. Die Vergleichung der Zahlen in den beiden letzten Columnen zeigt genügend die grosse Uibereinstimmung unserer Rechnung mit den Erfahrungen des Herrn Telford. Da die Abweichungen höchstens nur einige Zolle, folglich im Modell nur ¼ hievon betragen, so können diese theils in der willkührlichen Form der Fahrbahn und ihrer Verschiedenheit von der hier angenomme- nen Parabel, theils auch in Messungsfehlern, welche bei der Vergleichung eines Modelles mit der wirklichen Grösse nicht wohl zu vermeiden sind, ihren Grund haben. Da übri- gens die Tragstangen oben an den vier übereinander gehängten Ketten und unten an den Tragschwellen unter der Brückenbahn endigen, so versteht sich von selbst, dass man bei der Bemessung der ganzen Länge der Hängestäbe zu den in der folgenden Tabelle ange- gebenen Maassen noch die Höhe vom Scheitel der untersten Kette bis zu dem Orte der Befestigung an den Tragschwellen, nämlich die Höhe des Geländers, die Dicke der Fahr- bahn und den Betrag, wie viel die Hängestäbe hinsichtlich der Befestigung noch unter- halb hervorstehen müssen, wie auch die zugehörige Entfernung der Tragketten unter einander hinzuzusetzen habe.
§. 428.
Wir kommen nun zur Bestimmung der nöthigen Stärke und des Gewich- tes der Ketten. Zu dieser Absicht haben die englischen Baumeister sehr viele Ver- suche über die Festigkeit verschiedener Eisengattungen angestellt, welche bereits im III. Kapitel angeführt worden sind. Da jedoch hieraus noch keine bestimmte Regel für die nöthige Stärke der Ketten abgeleitet werden konnte, so wollen wir hierüber vor- läufig nur dasjenige anführen, was bei den zwei grössten englischen Kettenbrücken für zweckmässig anzunehmen befunden wurde.
Bei der Menai-Brücke haben wir bereits oben die horizontale Zugkraft H = (G. F + g. f) r = 21705 Zentner gefunden. Der Querschnitt aller Ketten beträgt 260 Quad. Zoll; daraus folgt, dass ein Quad. Zoll nur eine Spannkraft von 83,5 Zentner zu
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Anwendung auf die Menai Brücke.
§. 427.
Die Fahrbahn auf der Menai-Brücke ist aber nicht horizontal, sondern in der Mitte
höher gelegt als an den Stützpfeilern. Da das Gesetz, nach welchem diese Erhöhung ge-
gen die Mitte zu gemacht wurde, nicht angegeben ist, so hat man für die Convexität der
Fahrbahn die parabolische Form und ihre grösste Erhöhung in der Mitte 2 Fuss ange-
nommen, und hiernach von der Mitte der Brücke gegen die Stützpfeiler hin zu jeder be-
rechneten Länge x der Hängestangen noch die Grösse, um welche die Fahrbahn unter
dem Niveau des Scheitels liegt, hinzugesetzt. Weil nun für die Weite 290 Fuss die Sen-
kung der Bahn 2 Fuss beträgt, so wird für jede andere Weite y die Senkung der Bahn
nach dem Gesetze der Parabel die Grösse u = [FORMEL] betragen. Nach dieser Gleichung
wurden die zugehörigen Verlängerungen der Höhen x berechnet und in der VIten Co-
lumne eingetragen. Die VIIte Columne enthält die Summe der Zahlen aus beiden letztern
Columnen, und also die Länge der Tragstangen von der untersten Kette bis an die durch
den Scheitel der Kettenlinie gezogene Parabel. In der letzten Columne der Tabelle sind
endlich die Werthe für dieselben Längen beigesetzt, wie sie Herr Telford durch Ver-
suche an einem Modelle fand, welches um diese Rechnungen zu vermeiden, in einem
Maasstabe von ¼tel der wirklichen Grösse erbaut wurde. Die Vergleichung der Zahlen
in den beiden letzten Columnen zeigt genügend die grosse Uibereinstimmung unserer
Rechnung mit den Erfahrungen des Herrn Telford. Da die Abweichungen höchstens nur
einige Zolle, folglich im Modell nur ¼ hievon betragen, so können diese theils in der
willkührlichen Form der Fahrbahn und ihrer Verschiedenheit von der hier angenomme-
nen Parabel, theils auch in Messungsfehlern, welche bei der Vergleichung eines Modelles
mit der wirklichen Grösse nicht wohl zu vermeiden sind, ihren Grund haben. Da übri-
gens die Tragstangen oben an den vier übereinander gehängten Ketten und unten an den
Tragschwellen unter der Brückenbahn endigen, so versteht sich von selbst, dass man bei
der Bemessung der ganzen Länge der Hängestäbe zu den in der folgenden Tabelle ange-
gebenen Maassen noch die Höhe vom Scheitel der untersten Kette bis zu dem Orte der
Befestigung an den Tragschwellen, nämlich die Höhe des Geländers, die Dicke der Fahr-
bahn und den Betrag, wie viel die Hängestäbe hinsichtlich der Befestigung noch unter-
halb hervorstehen müssen, wie auch die zugehörige Entfernung der Tragketten unter
einander hinzuzusetzen habe.
§. 428.
Wir kommen nun zur Bestimmung der nöthigen Stärke und des Gewich-
tes der Ketten. Zu dieser Absicht haben die englischen Baumeister sehr viele Ver-
suche über die Festigkeit verschiedener Eisengattungen angestellt, welche bereits im
III. Kapitel angeführt worden sind. Da jedoch hieraus noch keine bestimmte Regel
für die nöthige Stärke der Ketten abgeleitet werden konnte, so wollen wir hierüber vor-
läufig nur dasjenige anführen, was bei den zwei grössten englischen Kettenbrücken für
zweckmässig anzunehmen befunden wurde.
Bei der Menai-Brücke haben wir bereits oben die horizontale Zugkraft
H = (G. F + g. f) r = 21705 Zentner gefunden. Der Querschnitt aller Ketten beträgt 260
Quad. Zoll; daraus folgt, dass ein Quad. Zoll nur eine Spannkraft von 83,5 Zentner zu
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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/508>, abgerufen am 18.11.2024.
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