Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite
Widerstand der Körper gegen Drehung.
D. Widerstand der Körper gegen Drehung.
§. 339.

Wenn die Bewegung eines grössern Rades, z. B. eines Wasserrades einem andern
Rade mitgetheilt werden soll, so geschieht diess mittelst einer Welle oder eines Schaftes,
welche gewöhnlich von Holz, in neuern Zeiten aber auch von Guss- oder Schmiedeeisen
verfertigt werden. Sind diese Wellen nicht hinreichend stark, so drehen sie sich ab
und brechen, sind sie aber zu stark, so verursachen sie unnütze Kosten und ihre Last
ist der Bewegung der Maschine nachtheilig. Es fragt sich daher um die Regeln, nach
welchen die Stärke solcher Wellen bemessen werden soll.

Fig.
9.
Tab.
16.

Es sey M N O S ein Cylinder, welcher an dem Ende M N festgehalten, an dem andern En-
de O S aber mittelst eines an der Welle angebrachten Rades J T durch die Kraft P gedreht
wird. Die höhere Analysis lehrt uns *) dass das Moment des Gewichtes an der Peripherie des

*) Wir können uns offenbar den Cylinder aus sehr vielen geraden Fäden oder Fasern zusammengesetzt
Fig.
9.
denken, die in ihrem natürlichen Zustande parallel zur Achse H C liegen. Wenn diese Fäden nicht
starr, sondern nachgiebig sind, so wird der Punkt a durch die Kraft P nach b versetzt, während der
andere Endpunkt E des Fadens a E fest bleibt; dadurch wird der Faden gestreckt, demnach die Län-
ge des Fadens b E grösser als a E seyn. Setzen wir die Höhe a b, wie weit nämlich der Punkt a
von seinem Orte verrückt wird = a, die Länge des Cylinders a E = l und C J = B, so ist
[Formel 1] beinahe, wenn nämlich [Formel 2] oder der Drehungswinkel sehr klein ange-
nommen wird; demnach ist die Ausdehnung der Faser b E -- a E = b d = [Formel 3] = a. Die Quer-
schnittsfläche dieser Faser sey = f, so haben wir nach der §. 238 aufgestellten Proportion
[Formel 4] ; demnach ist die Spannkraft der Faser [Formel 5] .
Die an der Oberfläche des Cylinders bei a, nach der Richtung a b der Peripherie wirkende Kraft
sey = K, so gibt die schiefe Richtung dieser Kraft zur Kraft q, welche den Faden nach der Rich-
tung d b spannt, die Proportion K : q = a b : b d = a : [Formel 6] ; folglich ist
[Formel 7] , demnach [Formel 8] .
Diese Spannkraft ist auf der ganzen Oberfläche in allen Punkten der Peripherie O b a S des Cylinders
dieselbe, und wir können hieraus eine allgemeine Gleichung für alle Fasern an der Oberfläche des
Cylinders ableiten. Wenn wir aber von der Oberfläche gegen den Mittelpunkt gehen, so erleiden
die innern Kreise eine kleinere Spannkraft; es ist nämlich a' b' : a b = C a' : C a, also
[Formel 9] ; folglich ist die Ausdehnung des innern Fadens oder [Formel 10]
und die hiezu nöthige Spannkraft [Formel 11] . Weil dieselbe Spannkraft allen Punkten
des konzentrischen Kreises a' b' g' a' zukommt, so können wir statt f die Fläche des Kreises, oder
das Produkt der Kreislinie 2 p . r in die Höhe d r setzen; dadurch erhalten wir die Gleichung für
die Spannkraft dieses Kreiselementes [Formel 12] . Weil aber die drehende
Kraft P an der Peripherie des äussern Rades J T sich befindet, so sey d P derjenige Theil dieser
Kraft, welcher mit d K' im Gleichgewichte ist, oder d P . B = r . d K', folglich ist auch
[Formel 13] . Das Integrale dieser Gleichung gibt [Formel 14] ,
wo keine beständige Grösse beizufügen ist, weil das Moment r . d K' mit r verschwindet. Wenn
Widerstand der Körper gegen Drehung.
D. Widerstand der Körper gegen Drehung.
§. 339.

Wenn die Bewegung eines grössern Rades, z. B. eines Wasserrades einem andern
Rade mitgetheilt werden soll, so geschieht diess mittelst einer Welle oder eines Schaftes,
welche gewöhnlich von Holz, in neuern Zeiten aber auch von Guss- oder Schmiedeeisen
verfertigt werden. Sind diese Wellen nicht hinreichend stark, so drehen sie sich ab
und brechen, sind sie aber zu stark, so verursachen sie unnütze Kosten und ihre Last
ist der Bewegung der Maschine nachtheilig. Es fragt sich daher um die Regeln, nach
welchen die Stärke solcher Wellen bemessen werden soll.

Fig.
9.
Tab.
16.

Es sey M N O S ein Cylinder, welcher an dem Ende M N festgehalten, an dem andern En-
de O S aber mittelst eines an der Welle angebrachten Rades J T durch die Kraft P gedreht
wird. Die höhere Analysis lehrt uns *) dass das Moment des Gewichtes an der Peripherie des

*) Wir können uns offenbar den Cylinder aus sehr vielen geraden Fäden oder Fasern zusammengesetzt
Fig.
9.
denken, die in ihrem natürlichen Zustande parallel zur Achse H C liegen. Wenn diese Fäden nicht
starr, sondern nachgiebig sind, so wird der Punkt a durch die Kraft P nach b versetzt, während der
andere Endpunkt E des Fadens a E fest bleibt; dadurch wird der Faden gestreckt, demnach die Län-
ge des Fadens b E grösser als a E seyn. Setzen wir die Höhe a b, wie weit nämlich der Punkt a
von seinem Orte verrückt wird = a, die Länge des Cylinders a E = l und C J = B, so ist
[Formel 1] beinahe, wenn nämlich [Formel 2] oder der Drehungswinkel sehr klein ange-
nommen wird; demnach ist die Ausdehnung der Faser b E — a E = b d = [Formel 3] = α. Die Quer-
schnittsfläche dieser Faser sey = f, so haben wir nach der §. 238 aufgestellten Proportion
[Formel 4] ; demnach ist die Spannkraft der Faser [Formel 5] .
Die an der Oberfläche des Cylinders bei a, nach der Richtung a b der Peripherie wirkende Kraft
sey = K, so gibt die schiefe Richtung dieser Kraft zur Kraft q, welche den Faden nach der Rich-
tung d b spannt, die Proportion K : q = a b : b d = a : [Formel 6] ; folglich ist
[Formel 7] , demnach [Formel 8] .
Diese Spannkraft ist auf der ganzen Oberfläche in allen Punkten der Peripherie O b a S des Cylinders
dieselbe, und wir können hieraus eine allgemeine Gleichung für alle Fasern an der Oberfläche des
Cylinders ableiten. Wenn wir aber von der Oberfläche gegen den Mittelpunkt gehen, so erleiden
die innern Kreise eine kleinere Spannkraft; es ist nämlich a' b' : a b = C a' : C a, also
[Formel 9] ; folglich ist die Ausdehnung des innern Fadens oder [Formel 10]
und die hiezu nöthige Spannkraft [Formel 11] . Weil dieselbe Spannkraft allen Punkten
des konzentrischen Kreises a' b' g' a' zukommt, so können wir statt f die Fläche des Kreises, oder
das Produkt der Kreislinie 2 π . r in die Höhe d r setzen; dadurch erhalten wir die Gleichung für
die Spannkraft dieses Kreiselementes [Formel 12] . Weil aber die drehende
Kraft P an der Peripherie des äussern Rades J T sich befindet, so sey d P derjenige Theil dieser
Kraft, welcher mit d K' im Gleichgewichte ist, oder d P . B = r . d K', folglich ist auch
[Formel 13] . Das Integrale dieser Gleichung gibt [Formel 14] ,
wo keine beständige Grösse beizufügen ist, weil das Moment r . d K' mit r verschwindet. Wenn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0404" n="374"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Widerstand der Körper gegen Drehung</hi>.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>D. <hi rendition="#g">Widerstand der Körper gegen Drehung</hi>.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 339.</head><lb/>
              <p>Wenn die Bewegung eines grössern Rades, z. B. eines Wasserrades einem andern<lb/>
Rade mitgetheilt werden soll, so geschieht diess mittelst einer Welle oder eines Schaftes,<lb/>
welche gewöhnlich von Holz, in neuern Zeiten aber auch von Guss- oder Schmiedeeisen<lb/>
verfertigt werden. Sind diese Wellen nicht hinreichend stark, so drehen sie sich ab<lb/>
und brechen, sind sie aber zu stark, so verursachen sie unnütze Kosten und ihre Last<lb/>
ist der Bewegung der Maschine nachtheilig. Es fragt sich daher um die Regeln, nach<lb/>
welchen die Stärke solcher Wellen bemessen werden soll.</p><lb/>
              <note place="left">Fig.<lb/>
9.<lb/>
Tab.<lb/>
16.</note>
              <p>Es sey M N O S ein Cylinder, welcher an dem Ende M N festgehalten, an dem andern En-<lb/>
de O S aber mittelst eines an der Welle angebrachten Rades J T durch die Kraft P gedreht<lb/>
wird. Die höhere Analysis lehrt uns <note xml:id="note-0404" next="#note-0405" place="foot" n="*)">Wir können uns offenbar den Cylinder aus sehr vielen geraden Fäden oder Fasern zusammengesetzt<lb/><note place="left">Fig.<lb/>
9.</note>denken, die in ihrem natürlichen Zustande parallel zur Achse H C liegen. Wenn diese Fäden nicht<lb/>
starr, sondern nachgiebig sind, so wird der Punkt a durch die Kraft P nach b versetzt, während der<lb/>
andere Endpunkt E des Fadens a E fest bleibt; dadurch wird der Faden gestreckt, demnach die Län-<lb/>
ge des Fadens b E grösser als a E seyn. Setzen wir die Höhe a b, wie weit nämlich der Punkt a<lb/>
von seinem Orte verrückt wird = a, die Länge des Cylinders a E = l und C J = B, so ist<lb/><formula/> beinahe, wenn nämlich <formula/> oder der Drehungswinkel sehr klein ange-<lb/>
nommen wird; demnach ist die Ausdehnung der Faser b E &#x2014; a E = b d = <formula/> = <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>. Die Quer-<lb/>
schnittsfläche dieser Faser sey = f, so haben wir nach der §. 238 aufgestellten Proportion<lb/><formula/>; demnach ist die Spannkraft der Faser <formula/>.<lb/>
Die an der Oberfläche des Cylinders bei a, nach der Richtung a b der Peripherie wirkende Kraft<lb/>
sey = K, so gibt die schiefe Richtung dieser Kraft zur Kraft q, welche den Faden nach der Rich-<lb/>
tung d b spannt, die Proportion K : q = a b : b d = a : <formula/>; folglich ist<lb/><formula/>, demnach <formula/>.<lb/>
Diese Spannkraft ist auf der ganzen Oberfläche in allen Punkten der Peripherie O b a S des Cylinders<lb/>
dieselbe, und wir können hieraus eine allgemeine Gleichung für alle Fasern an der Oberfläche des<lb/>
Cylinders ableiten. Wenn wir aber von der Oberfläche gegen den Mittelpunkt gehen, so erleiden<lb/>
die innern Kreise eine kleinere Spannkraft; es ist nämlich a' b' : a b = C a' : C a, also<lb/><formula/>; folglich ist die Ausdehnung des innern Fadens oder <formula/><lb/>
und die hiezu nöthige Spannkraft <formula/>. Weil dieselbe Spannkraft allen Punkten<lb/>
des konzentrischen Kreises a' b' g' a' zukommt, so können wir statt f die Fläche des Kreises, oder<lb/>
das Produkt der Kreislinie 2 <hi rendition="#i">&#x03C0;</hi> . r in die Höhe d r setzen; dadurch erhalten wir die Gleichung für<lb/>
die Spannkraft dieses Kreiselementes <formula/>. Weil aber die drehende<lb/>
Kraft P an der Peripherie des äussern Rades J T sich befindet, so sey d P derjenige Theil dieser<lb/>
Kraft, welcher mit d K' im Gleichgewichte ist, oder d P . B = r . d K', folglich ist auch<lb/><formula/>. Das Integrale dieser Gleichung gibt <formula/>,<lb/>
wo keine beständige Grösse beizufügen ist, weil das Moment r . d K' mit r verschwindet. Wenn</note> dass das Moment des Gewichtes an der Peripherie des<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[374/0404] Widerstand der Körper gegen Drehung. D. Widerstand der Körper gegen Drehung. §. 339. Wenn die Bewegung eines grössern Rades, z. B. eines Wasserrades einem andern Rade mitgetheilt werden soll, so geschieht diess mittelst einer Welle oder eines Schaftes, welche gewöhnlich von Holz, in neuern Zeiten aber auch von Guss- oder Schmiedeeisen verfertigt werden. Sind diese Wellen nicht hinreichend stark, so drehen sie sich ab und brechen, sind sie aber zu stark, so verursachen sie unnütze Kosten und ihre Last ist der Bewegung der Maschine nachtheilig. Es fragt sich daher um die Regeln, nach welchen die Stärke solcher Wellen bemessen werden soll. Es sey M N O S ein Cylinder, welcher an dem Ende M N festgehalten, an dem andern En- de O S aber mittelst eines an der Welle angebrachten Rades J T durch die Kraft P gedreht wird. Die höhere Analysis lehrt uns *) dass das Moment des Gewichtes an der Peripherie des *) Wir können uns offenbar den Cylinder aus sehr vielen geraden Fäden oder Fasern zusammengesetzt denken, die in ihrem natürlichen Zustande parallel zur Achse H C liegen. Wenn diese Fäden nicht starr, sondern nachgiebig sind, so wird der Punkt a durch die Kraft P nach b versetzt, während der andere Endpunkt E des Fadens a E fest bleibt; dadurch wird der Faden gestreckt, demnach die Län- ge des Fadens b E grösser als a E seyn. Setzen wir die Höhe a b, wie weit nämlich der Punkt a von seinem Orte verrückt wird = a, die Länge des Cylinders a E = l und C J = B, so ist [FORMEL] beinahe, wenn nämlich [FORMEL] oder der Drehungswinkel sehr klein ange- nommen wird; demnach ist die Ausdehnung der Faser b E — a E = b d = [FORMEL] = α. Die Quer- schnittsfläche dieser Faser sey = f, so haben wir nach der §. 238 aufgestellten Proportion [FORMEL]; demnach ist die Spannkraft der Faser [FORMEL]. Die an der Oberfläche des Cylinders bei a, nach der Richtung a b der Peripherie wirkende Kraft sey = K, so gibt die schiefe Richtung dieser Kraft zur Kraft q, welche den Faden nach der Rich- tung d b spannt, die Proportion K : q = a b : b d = a : [FORMEL]; folglich ist [FORMEL], demnach [FORMEL]. Diese Spannkraft ist auf der ganzen Oberfläche in allen Punkten der Peripherie O b a S des Cylinders dieselbe, und wir können hieraus eine allgemeine Gleichung für alle Fasern an der Oberfläche des Cylinders ableiten. Wenn wir aber von der Oberfläche gegen den Mittelpunkt gehen, so erleiden die innern Kreise eine kleinere Spannkraft; es ist nämlich a' b' : a b = C a' : C a, also [FORMEL]; folglich ist die Ausdehnung des innern Fadens oder [FORMEL] und die hiezu nöthige Spannkraft [FORMEL]. Weil dieselbe Spannkraft allen Punkten des konzentrischen Kreises a' b' g' a' zukommt, so können wir statt f die Fläche des Kreises, oder das Produkt der Kreislinie 2 π . r in die Höhe d r setzen; dadurch erhalten wir die Gleichung für die Spannkraft dieses Kreiselementes [FORMEL]. Weil aber die drehende Kraft P an der Peripherie des äussern Rades J T sich befindet, so sey d P derjenige Theil dieser Kraft, welcher mit d K' im Gleichgewichte ist, oder d P . B = r . d K', folglich ist auch [FORMEL]. Das Integrale dieser Gleichung gibt [FORMEL], wo keine beständige Grösse beizufügen ist, weil das Moment r . d K' mit r verschwindet. Wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/404
Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/404>, abgerufen am 18.11.2024.